Vorsorgesparen

Abschied von der Sparkultur?

Sparsamkeit - das war eine der Tugenden, die uns Deutschen immer nachgesagt wurde; genauso wie Ordnung, Effizienz und Pünktlichkeit. Sie war außerdem ein Teil des deutschen Selbstverständnisses. Von Generation zu Generation wurde der Sinnspruch weitergegeben: "Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not!".

Nun hat Deutschland aktuell fürwahr keine Not: Das Bruttoinlandsprodukt wächst stetig. In den letzten zehn Jahren erfuhr die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland nur einmal einen Dämpfer. Dies war 2009 im Zuge der Euro-Krise, als das BIP ein Minus von 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnete. Seitdem geht es wieder aufwärts hierzulande. Dennoch: Gespart wird "in der Zeit" trotzdem nicht.

Das Icon-Sparklima (siehe Seite 7) ist rückläufig. Im März 2014 liegt der Index-Wert bei 19 Punkten, nach 15 Punkten im Februar und 16 Punkten im Januar. Dies sind die mit Abstand niedrigsten gemessenen Werte seit Beginn der Erhebung im Januar 1985! Für das Gesamtjahr 2013 wurde ein Durchschnittwert von 23 Punkten registriert. Zum Vergleich: Im Schnitt der letzten zehn Jahre lag der Wert mit 40 Punkten fast doppelt so hoch. Die Sparquote der Deutschen Bundesbank zeigt die gleiche Entwicklung. Lag sie Anfang der neunziger Jahre noch bei gut 13 Prozent, legen die Deutschen 2013 nur noch zehn Prozent des Einkommens auf die hohe Kante. Dies sind Milliarden, die nicht mehr auf dem Sparbuch landen. Was ist geschehen?

Vielschichtige Ursachen

Die Ursachen sind vielschichtig. Einen Grund auszumachen gelingt nicht - dies würde der Komplexität der Gemengelage nicht gerecht werden. Es gibt vielmehr kurzfristige und langfristige Entwicklungen, die sich als Erklärung heranziehen lassen. Und auch dies sollte klar sein: Endgültig ergründen lässt sich das Phänomen nicht.

Aktuell lässt sich eines feststellen: In Deutschland trifft das Gefühl, sich in einer prosperierenden Volkswirtschaft zu bewegen und wirtschaftliche Sicherheit zu genießen auf ein historisch niedriges Zinsniveau. So verbessert sich das die Konsumentenstimmung zum Ausdruck bringende Icon-Konsumbarometer seit 2012 kontinuierlich. Und trotz der in vielen Ländern der Euro-Zone angespannten Situation blicken die Bürger zuversichtlich in die Zukunft. Dafür sind drei Faktoren entscheidend.

- Zuvorderst ein immenses Vertrauen in die Schlagkraft der deutschen Wirtschaft. Welcher Gestalt die Hiobsbotschaften aus anderen Euro-Staaten auch waren, die Bürger haben stets schnell den Glauben in eine positive wirtschaftliche Entwicklung zurückgefunden. Dies war nicht immer so. Seit 1985 war die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage durch die Deutschen nur dreimal im Jahresdurchschnitt optimistisch: 1986, 2007 sowie 2011. Und 2014 wurde durchgängig überwiegend Optimismus registriert. Dies kann als Beleg gelten, dass die Bürger den Grundpessimismus etwas abgelegt haben.

- Dies wird durch einen zweiten Faktor bekräftigt, nämlich dem Gefühl von der wirtschaftlichen Stärke selbst auch profitieren zu können. Haben in den neunziger Jahren und den "Nullerjahren" des neuen Jahrtausends noch die pessimistischen Erwartungen für die Entwicklung der eigenen finanziellen Lage überwogen, so sind die Bürger seit 2010 diesbezüglich optimistisch gestimmt.

- Zu guter Letzt ein dritter nicht zu unterschätzender Aspekt: Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Nie waren mehr Menschen in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt als heute. Der Arbeitsmarkt hat sich in vielen Branchen vom Anbieter- zum Nachfragemarkt entwickelt. Nicht Unternehmen suchen sich Bewerber aus, sondern die Arbeitgeber müssen sich für potenzielle Mitarbeiter hübsch machen. So ist es auch kaum verwunderlich, dass die Angst vor Arbeitslosigkeit unter den Deutschen in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat. Vielmehr prägt das Gefühl, bei entsprechender Flexibilität immer einen adäquaten Job zu bekommen, die finanziellen Entscheidungen der Bürger.

Einerseits empfinden die Menschen in Deutschland also überwiegend wirtschaftliche Sicherheit. Andererseits lohnt sich klassisches Sparen aktuell nicht. Ob dem faktisch so ist, spielt dabei keine Rolle. Das Klima für das Sparen ist einfach schlecht. Natürlich befeuert von dem historisch niedrigen Zinsstand. Geld wird häufig nur noch zwischen Giro- und Tagesgeldkonto transferiert, um es kurzfristig zur Verfügung zu haben. Langfristiges Sparen - am besten noch mit kontinuierlichen Einzahlungen - ist komplett außer Mode.

Imagekrise der Finanzdienstleister als verstärkende Faktor

Doch wie schon angedeutet: Hierfür sind nicht nur die genannten Aspekte, also das Gefühl wirtschaftlicher Sicherheit auf der einen und niedrige Zinsen auf der anderen Seite verantwortlich.

So hat das Vertrauen der Bürger in die Finanzdienstleistungswirtschaft empfindlich gelitten. Tief haben sich die Bilder verzweifelter Rentner, die um ihr Erspartes gebracht wurden, in das kollektive Bewusstsein eingebrannt. So können Finanzdienstleister aktuell nicht nur mit Wenigem wuchern, ihren Versprechungen wird auch deutlich weniger getraut. Zu diesem Bild hat auch die Versicherungsbranche mit Berichten über ausufernden Provisionszahlungen und Lustreisen für die besten Verkäufer ordentlich beigetragen.

Aber auch damit ist die Entwicklung noch nicht komplett erklärt. Vielmehr hat der Abschwung beim Sparklima schon vor der Finanzkrise 2007 begonnen. Nur hat er seitdem an neuem Schwung gewonnen. Es gibt eben auch eine langfristige, gesellschaftliche Komponente. Deutschland ist aufgrund seiner zentralen Lagen in Europa seit jeher immer wieder im Zentrum mehr oder minder großer Auseinandersetzungen, die sich in den beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts kumuliert haben. Dies prägt das deutsche Grundgefühl. "German Angst" nennen es die Amerikaner gerne etwas spöttisch.

Die Mentalität bleibt erhalten

Dieses Grundgefühl scheint sich in den letzten zehn Jahren geändert zu haben. Die Nachkriegsgeneration ist im Rentenalter - diejenigen die heute viele Spar- oder Konsumentscheidungen treffen, sind in Frieden und nach globalen Maßstäben großen Wohlstand aufgewachsen. Da fällt die Vorstellung, für schlechte Zeiten zu sparen zunehmend schwer.

Aber - und auch dies gilt es vor dem Hintergrund der sinkenden Sparneigung der Deutschen festzuhalten - die Sparkultur weicht nun nicht einer Konsum- und Schuldenkultur. Denn es ist nicht so, dass nun maßlos konsumiert wird. Vielmehr wird in langlebige Gebrauchsgüter und Immobilien investiert. Langfristigkeit und Wertigkeit stehen also auch beim Konsum im Vordergrund. Man kann durchaus sagen: die deutsche Mentalität bleibt erhalten - prägt sich nun nur anders aus.

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