Provisionsgeschäft

Ertragsbringer Zahlungsverkehr: ein Auslaufmodell?

Die Prognose ist eindeutig: Im Jahr 2008 wird der in Deutschland ohnehin bereits sehr starke Wettbewerb bei den Zahlungsverkehrsdienstleistungen sowohl im kreditwirtschaftlichen Bereich als auch mit dem Nichtbankensektor weiter zunehmen. Hierfür wird schon der Start des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums, der Sepa, mit dem neuen europäischen SepaÜberweisungsverfahren am 28. Januar 2008 und die damit erreichte weitere Integration des europäischen Binnenmarktes im Finanzdienstleistungsbereich sorgen.

Gleichzeitig ist absehbar, dass der Druck der Europäischen Kommission als Wettbewerbsbehörde auf die Interbankenentgelte bereits in den nächsten Wochen erheblich zunehmen wird. Dabei bleiben diese für einen zentralen Interessensausgleich zwischen Kartenemittent und Kartenakzeptant - und damit für die breite Anwendungsbasis eines Kartenzahlungssystems - auch weiterhin unerlässlich.

Vermarktung von Zahlungsverkehr vernachlässigt

Aus Sicht der Volksbanken Raiffeisenbanken gilt es zugleich zu berücksichtigen, dass die Geschäftsbereiche Zahlungsverkehr und Kontoführung nach wie vor zu einem ganz erheblichen Anteil der Gesamtprovisionserträge der meisten Banken, nämlich nach einem Betriebsvergleich des BVR durchschnittlich zu fast 50 Prozent, beitragen.

Gleichzeitig haben wir in der deutschen Kreditwirtschaft in den letzten Jahren gemeinsam sehr erfolgreich dafür gesorgt, dass die Zahlungsverkehrsabwicklung, auch im Kartengeschäft, immer kostengünstiger und effizienter erfolgt. Dies konnte nur auf Basis einer hohen Standardisierung gelingen und kann daher mit Fug und Recht auch als maßgeblicher Verdienst der im Zentralen Kreditausschuss zusammenarbeitenden und hierfür zuständigen Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft angesehen werden.

Bei einer näheren Betrachtung muss man allerdings auch wiederum für weite Teile der gesamten Branche selbstkritisch feststellen, dass der große Erfolg bei der Effizienzsteigerung der Zahlungsverkehrsabwicklung vielfach auch zu gewissen Bequemlichkeiten geführt hat. So ist darüber die Vermarktung von Zahlungsverkehrsdienstleistungen in der Vergangenheit häufig zu stark vernachlässigt worden.

Fachräte mit Ortsbankenvertretern besetzt

Dies wird sich nun vor dem Hintergrund der neuen Herausforderungen dringend ändern müssen. Hierfür ist bei der bankinternen Betrachtung in vielen Häusern sicherlich noch ein Paradigmenwechsel erforderlich. Der Zahlungsverkehr muss wie andere Bankprodukte angesehen werden, die den Kunden gegenüber mit den einzelnen Produktbestandteilen und -vorteilen aktiver erläutert und vor allem auch entsprechend verkauft werden müssen.

Der genossenschaftliche Finanzverbund hat dies bei seiner Strategieentwicklung für das weitere Geschäft der genossenschaftlichen Bankengruppe im Zahlungsverkehr und Kartenbereich frühzeitig erkannt. Im Rahmen einer Ende 2004 beschlossenen Modernisierung der Verbandsstrukturen wurde die Strategieführerschaft für die Bankengruppe beim BVR angesiedelt, und zur Umsetzung wurden insgesamt sechs Fachräte, unter anderem auch für den Zahlungsverkehr, ins Leben gerufen. Diese sind mehrheitlich mit Ortsbankenvertretern aus den verschiedenen Regionen Deutschlands besetzt. Hierdurch ist sichergestellt, dass es auf Basis der Praxiserfahrungen zu einem klaren und gleichzeitig schnellen und unkomplizierten, gemeinsam getragenen, Willensbildungs- und Entscheidungsprozess aus der Primärbanken ebene heraus kommt.

So wurden vom Fachrat Zahlungsverkehr umfassende Geschäftsstrategien für die einzelnen Produktfelder entwickelt, die ineinander greifen. Sie stehen den einzelnen Volksbanken Raiffeisenbanken nun mit dem Sepa-Start ganzheitlich zur Nutzung zur Verfügung.

Sepa-Fähigkeit im November 2007 konstatiert

Der Erfolg dieser Vorgehensweise zeigt sich unter anderem darin, dass der Finanzverbund als erste große Institutsgruppe in Deutschland bereits Mitte November mit dem offiziellen Beitritt zu dem vom European Payments Council entwickelten neuen Sepa-Überweisungsverfahren Vollzug melden konnte. Der Verbund wickelt rund fünf Prozent aller in Europa getätigten bargeldlosen Zahlungen ab und gehört damit zu einem der Keyplayer im europäischen Zahlungsverkehrsmarkt.

Aus dieser Position heraus haben sich die Kreditgenossen nicht nur aktiv seit dem Jahr 2002 an den Arbeiten des EPC zur Entwicklung der neuen Sepa-Zahlungsverfahren beteiligt, sondern gleichzeitig auch für eine frühzeitige Umsetzung in den eigenen IT-Systemen gesorgt. Durch den Aufbau innovativer Abwicklungsplattformen bei dem neuen, aus einem Tochterunternehmen der DZ Bank AG hervorgegangenen europäischen Zahlungsdienstleister Equens ist der Finanzverbund so bestens für die Sepa vorbereitet.

Ziele sind mit der Einkartenstrategie nicht erreichbar

Im Debitkartenbereich hat der Fachrat Zahlungsverkehr in den letzten zwei Jahren intensiv an einer Weiterentwicklung der Produktpositionierung des Finanzverbundes gearbeitet. Dabei wurden insbesondere folgende Ziele verfolgt:

Nachhaltige Sicherung der Profitabilität im Debitkartengeschäft,

bessere Ausrichtung der Debitkartenprodukte an den Bedürfnissen der Kunden,

bessere Abgrenzung zu Kreditkartenprodukten, um deren Vertrieb ebenfalls zu verbessern,

Auflösung bestehender Abhängigkeiten von Dritten, und hier insbesondere von den beiden internationalen Kartengesellschaften.

Dabei hat der Fachrat Zahlungsverkehr festgestellt, dass diese Ziele mit der von den Volks- und Raiffeisenbanken derzeit praktizierten Einkartenstrategie nicht erreicht werden können. Diese Strategie wurde im Jahr 2002 primär aus Kostengründen eingeführt. Danach werden alle VR-Bank-Cards zugleich mit einem Maes-tro-Co-Branding ausgestattet.

Strategische Abhängigkeit von Mastercard

Zum einen führt die heutige strategische Abhängigkeit von Mastercard zu erheblichen Risiken für die Profitabilität der Kartenemittenten. Das resultiert daraus, dass mit Start der Sepa künftig auch im Inland im Bereich der Kartenakzeptanz ein direktes Konkurrenzverhältnisses zwischen dem electronic-cash-System der deutschen Kreditwirtschaft und dem Maestro-System von Mastercard besteht.

Zugleich hat eine umfassende Analyse des derzeitigen Karteneinsatzes ergeben, dass die überwiegende Anzahl der Kunden des Finanzverbundes den vollen Funktionsumfang ihrer Debitkarten gar nicht ausnutzen. Durch das breitflächige Angebot dieser Funktionen an alle Kunden entstehen den kartenausgebenden Instituten neben den beschriebenen Profitabilitätsrisiken aber auch zusätzliche Kosten.

Kontomodelle und Kartenstrategien verknüpfen

Die Volksbanken Raiffeisenbanken werden deswegen im Debitkartengeschäft Produktsegmentierungen einführen. Ihren Kunden bieten sie künftig auch VR-Bank-Cards mit einem Co-Branding mit dem neuen V-Pay-System von Visa beziehungsweise in Kooperation mit einer internationalen Geldautomatenmarke an.

Diese Produktdifferenzierung ermöglicht dann auch eine aktivere Kundenansprache, bei der die spezifischen Einsatzmöglichkeiten und Vorteile der einzelnen Debitprodukte erläutert werden können, was bei vielen Karteninhabern zu einer erstmaligen Wahrnehmung und damit vielfach dann auch zur Nutzung dieser Funktionalitäten führen dürfte. Desweiteren wird die Abkehr von der Einheitsdebitkarte den Kartenemittenten auch eine differenziertere Preisgestaltung für die einzelnen Produktausgestaltungen ermöglichen.

Auch im Bereich der Kontoführung bestehen nach den Praxiserfahrungen der genossenschaftlichen Banken sehr unterschiedliche Kundenbedürfnisse. Bei weitem nicht alle Bankkunden orientieren sich bei ihrer Auswahlentscheidung für ihre primäre Bankverbindung und damit auch der Girokontenführung an einer "Geiz-ist-Geil-Mentalität". Für den weit überwiegenden

Anteil der Bankkunden spielen vielmehr andere Kriterien, wie zum Beispiel die Qualität der Bankdienstleistungen, das Renommee des Anbieters oder auch die zur Verfügung stehenden Zugangswege, vor allem auch im Filialbereich, die entscheidendere Rolle.

Dementsprechend hat der BVR, gemeinsam mit den Fachräten Produkte und Zahlungsverkehr, Empfehlungen für die Volksbanken Raiffeisenbanken zur Ausgestaltung verschiedener Kontoführungsmodelle entwickelt. In Verknüpfung zum Kartengeschäft sind diesen dann selbstverständlich auch die unterschiedlichen Produktalternativen im Debitkartenbereich zugeordnet worden.

Klassische Kreditkarte mit Baukastensystem aufgewertet

Auch im Kreditkartenbereich hat der Finanzverbund eine umfassende Qualitätsoffensive ausgerufen. So werden aktuell sowohl die ohnehin bereits sehr werthaltigen Zusatzleistungen bei den genossenschaftlichen Goldkarten und den Businesskarten weiter verbessert, sodass die Volksbanken Raiffeisenbanken ihren Kunden in diesem Geschäftsfeld im Wettbewerbsvergleich absolute Spitzenprodukte anbieten können.

Aber auch die klassische Kreditkarte wurde durch ein Baukastensystem erheblich aufgewertet, bei dem die Karteninhaber entsprechend ihren individuellen Vorstellungen Zusatzdienstleistungen - zum Beispiel aus den Bereichen Reise oder Shopping - auswählen können beziehungsweise ihre Karte mit einem Wunschdesign optisch gestalten können. Sehr erfolgreich wird von den genossenschaftlichen Karteninhabern auch das 2005 eingerichtete Loyalitätsprogramm "Active Fever" aufgenommen. Dieses Sport- und Erlebnisportal bietet allen genossenschaftlichen Mastercard- und Visa-Karteninhabern ein internetbasiertes Bonuspunkteprogramm, eine Sport- und Erlebniswelt, Kreditkarten im Sonderdesign sowie attraktive Prämien, von Karten für ein Cham-pionsleague-Spiel bis hin zum Besuch mit der Familie bei Euro Disney in Paris.

Acquiring nur vermeintlich zu komplex

Erheblich Ertragspotenziale im Kartengeschäft bestehen auch im Kartenakzeptanzgeschäft, dem sogenannten Acquiring. Hier sind die genossenschaftlichen Banken heute zumeist noch nicht so aufgestellt, wie es ihrer Marktbedeutung in anderen Bereichen des Firmenkundengeschäftes entspricht. Grund für die Vernachlässigung dieses Teilbereichs des Händlerkundengeschäftes ist die von vielen Banken vermutete, tatsächlich jedoch nicht zutreffende Komplexität des Acquirings.

Dementsprechend wurde dieses Geschäftsfeld in der Vergangenheit vielfach spezialisierten - zumeist verbundfremden - Anbietern überlassen. Dabei zeigen auch hier alle Markterfahrungen, dass big eben nicht immer nur beautiful ist. Spezielle Kundenbedürfnisse werden von den großen Anbietern vielfach nicht erkannt oder - da die Geschäftsprinzipien keine Orientierung am mittelständischen Firmenkunden vorsehen

- nicht adäquat berücksichtigt. Daher bietet gerade auch das Kartenakzeptanzgeschäft für die Volks- und Raiffeisenbanken mit ihrer Flexibilität und ihrer Nähe zum Firmenkunden besondere Chancen. Der genossenschaftliche Finanzverbund will und wird in diesem Geschäftsfeld wachsen. Im Auftrag des Fachrates Zahlungsverkehr wurden hierfür für die Mitgliedsbanken umfassende Hilfsinstrumentarien entwickelt.

Positionierung im Zahlungsverkehr ist Vorstandsaufgabe

Der Zahlungsverkehr ist als Ertragsbringer beileibe kein Auslaufmodell. Für alle diejenigen Kreditinstitute, die sich frühzeitig bewegen und aktiv mit den neuen Herausforderungen auseinandersetzen, muss man keine Angst haben.

Erforderlich ist allerdings zweifellos eine stärkere Auseinandersetzung mit der strategischen Bedeutung des Zahlungsverkehrs und mit der Position des eigenen Hauses sowie abgeleitet daraus den spezifischen Chancen und Risiken sowie den eigenen Stärken und Schwächen. Bei den Volks- und Raiffeisenbanken ist dies ganz klar eine Vorstandsaufgabe. Mit einer aktiveren vertrieblichen Herangehensweise lässt sich das Geschäftsfeld Zahlungsverkehr auch in Zukunft sehr erfolgreich gestalten.

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