Bankmanagement-Glossar

Was ist Islamic Banking?

- In der Europäischen Union leben rund 25 Millionen Muslime. Ihr Leben wird auch bei Finanzdienstleistungen durch definierte Regeln bestimmt. Mittlerweile stoßen diese nicht nur im englisch- und französischen Sprachgebiet auf das Interesse der etablierten Banken.

Zinsen und Spekulation sind nicht scharia-konform

Der Islam ist dabei nicht allein als Religion zu verstehen, sondern auch als politisches, rechtliches und wirtschaftliches Wertesystem. Islamic Banking bedeutet, dass Bankgeschäfte im Einklang mit den religiösen Regeln des Islam und dem islamischen Recht, der Scharia, abgewickelt werden. Das führt weiter dazu, dass auch bei Bankgeschäften nicht allein die Ökonomie im Vordergrund steht, sondern soziale und moralische Grundsätze mitberücksichtigt werden müssen. Die beiden wesentlichsten Verbote nach den Regeln der Scharia betreffen dabei die Zinsen ("Riba") und die Spekulation ("Gharar"). Dazu kommt das Verbot des Glückspiels ("Maysir"). Weiter sind beim Islamic Banking noch soziale und ethische Ausschließungsgründe ("Haram") zu beachten. Dazu zählt unter anderem das Verbot, in die Alkoholherstellung und den -vertrieb, die Verarbeitung und den Handel mit Schweinefleisch sowie in Waffen und Prostitution zu investieren.

Das Zinsverbot ("Riba") ist in mehreren Suren des Koran enthalten und dessen Nichtbefolgung wird mit Konsequenzen im Jenseits bedroht. Deshalb darf kein Muslim Zinsen nehmen oder Zinsen zahlen. "Riba" verbietet aber auch Wucher und beinhaltet eine Reihe von weiteren Verboten wie zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Tauschhandel. Das Islamic Banking muss also Bankprodukte schaffen und Bankgeschäfte tätigen, die auf "Riba" verzichten.

Spekulation als kurzfristig angelegte Handlung, um durch zeitliche Preisunterschiede, Gewinne zu machen, ist im islamischen Recht verboten ("Gharar"). Dieses Verbot bezieht sich nicht nur auf den Geld- und Kapitalmarkt, sondern auch auf jegliche Geschäfte mit Risiken, die zum Beispiel das Produkt, die Lieferung, den Preis oder die Zahlungsmodalitäten betreffen. Mit dem Spekulationsverbot sollen Streitigkeiten vermieden werden, wobei allerdings anerkannt wird, dass vertragliche Vereinbarungen nicht frei von allen Unsicherheiten sein können. Längerfristige strategische Investitionen sind kein Thema dieses Verbots.

Fatwah - Zertifizierung durch das Scharia Board

Die Basis des Islamic Banking sind somit Bankgeschäfte, die nicht von diesen beiden Verboten betroffen sind. Ob und inwieweit ein Bankprodukt dem islamischen Recht entspricht, wird von einem Scharia Board - bestehend aus islamischen Religions- und Rechtsgelehrten - festgelegt. Findet ein neu entwickeltes oder entsprechend adaptiertes Bankprodukt die Zustimmung des Scharia Boards, wird dieses mit einer Fatwah - einem religiösen Rechtsurteil - in gewisser Weise zertifiziert.

Die häufigste islamische Finanzierungsform ist Murabahah. Beim Verkauf einer Ware gegen Bargeld liegt nur eine Handelstransaktion zugrunde. Hat der Käufer keine liquiden Mittel und möchte dennoch kaufen, so kann zur (Zwischen-)Finanzierung ein Dritter, die Bank, eingeschaltet werden, welche die zu finanzierende Ware vom Verkäufer zum Preis X kauft - somit Eigentum erwirbt - und sie dann an den Käufer zum Preis Y weiterverkauft. Ijarah wiederum ist eine Art der Finanzierung, die dem Leasing ähnelt. Hier ist die Konstruktion so, dass ein Nutzungsrecht an der Ware gekauft wird. Eine Finanzierungsart, die dem islamischen Recht am ehesten entspricht ist Musharakar, eine Beteiligungsfinanzierung, bei der sich die Partner den Gewinn und den Verlust teilen. Ähnlich ist dies bei Mudarabah, wo es sich um eine Art der stillen Beteiligung handelt.

Bei den Anlageformen gibt es islamische Zertifikate die von einem Fonds oder einem Special Purpose Vehicle emittiert werden, wobei die Gewinne aus scharia-konformen Finanzierungsgeschäften an die Anteilseigner ausgezahlt werden. Ähnlich ist es bei Einlagen, wo keine Zinsen verrechnet werden, jedoch die Bank dem Kunden Erträge aus ihrer Weiterveranlagung in islamische Finanzierungsformen weitergibt.

Angesichts der - wie alle Bevölkerungsprognosen zeigen - weiteren Zunahme von Moslems in Europa ist es für Banken sicher überlegenswert sich mit dem Islamic Banking zu beschäftigen und gegebenenfalls Bankprodukte nach dem islamischen Recht auszugeben. Wenngleich über den Umfang des Islamic Banking keine gesicherten Statistiken vorliegen, kann man von einem Volumen von jenseits einer Billion US-Dollar ausgehen.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien und Geschäftsführer der PayLife Bank GmbH; ewald. judt[at]paylife[dot]at/www.paylife.at. Dr. Claudia Klaus egger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Mana gement der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu-wien[dot] ac.at. -

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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