Marketing

Vom Net Promoter Score zum Unternehmens erfolg: Marketingpreis in Österreich

Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenbindung sind Schlüsselbegriffe für Unternehmungen aller Art, jedoch insbesondere für solche, deren Geschäftsgrundlage Produkte sind, die von Kunden dauerhaft, vielleicht sogar ein Leben lang, in Anspruch genommen werden können. Dazu gehören alle Finanzdienstleister - von Banken über Bausparkassen bis zu Versicherungen. Für diese ist es daher ausgesprochen wichtig, durch Zufriedenheit und Loyalität Kundenbindung zu erreichen. Je höher das Level der Zufriedenheit und Loyalität ist, desto besser wird das Unternehmen im Wettbewerb und beim Ergebnis und die Stellung gegenüber dem Mitbewerb sein.

Der Finanz-Marketing Verband Österreich (FMVÖ) wollte dieses Level für die Unternehmen der Finanzbranche erheben und die guten prämiieren, um die Veränderung dieses Levels im Zeitablauf zu dokumentieren und damit einen Anreiz zu schaffen, das Level sukzessive zu erhöhen. Von den bekannten Methoden, Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität zu eruieren, wurde nach einer Problemanalyse die Entscheidung getroffen, die Weiterempfehlungsbereitschaft der Kunden als aussagefähigste Messgröße heranzuziehen. Und so wurde vom FMVÖ 2006 das Projekt des "Recommender Awards" gestartet. Er wurde 2007 das erste Mal verliehen und hat sich seitdem als Marke für die Kundenorientierung im österreichischen Finanzsektor etabliert.

Kundenzufriedenheit - Kundenloyalität - Kundenbindung

Die notwendigen Erlöse zur Deckung der Kosten und zur Erzielung eines Gewinns können von Neukunden oder von Bestandskunden herrühren. Insbesondere in der frühen Phase eines Produkt-/Unternehmenslebenszyklus, wenn es noch nicht genügend Kunden gibt, aber auch in einer späteren Phase, wenn das Umsatzpotenzial bei Bestandskunden ausgeschöpft ist, steht die Akquisition von Neukunden im Mittelpunkt. In wirtschaftlich schwierigeren Zeiten, bei sich dynamisch verändernden Marktbedingungen und mit zunehmendem Wettbewerb wird der Ausbau der Beziehungen zu den Bestandskunden immer wichtiger. Dazu kommt, dass die Gewinnung neuer Kunden in der Regel kostenintensiver ist als eine Geschäftsexpansion mit Bestandskunden. Der Schlüssel dazu sind zufriedene Kunden.

Tendenziell wollen daher alle Produktions-, Handels- oder Dienstleistungsbetriebe und angesichts mehr oder weniger gesättigter Märkte ganz besonders Finanzdienstleister - von Banken über Bausparkassen bis zu Versicherungen - zufriedene Kunden. Denn zufriedene Kunden sind in der Regel loyale Kunden oder können durch gezielte Marketingmaßnahmen dazu werden. Loyale Kunden sind dem Unternehmen/dem Produkt/der Marke treu, kaufen häufiger im Unternehmen sowie zusätzlich noch andere Produkte/andere Marken und empfehlen das Unternehmen/das Produkt/die Marke aktiv weiter.

Loyale Kunden sind somit eine Grundvoraussetzung für eine längerfristig anhaltende Kundenbindung und damit Grundlage für eine erfolgreiche Geschäftsentwicklung in Form von Umsatzausweitung und Gewinnverbesserung. Dazu kommt, dass eine Neukundengewinnung wesentlich teurer kommt als der Ausbau der Geschäftsbeziehungen mit loyalen Kunden und von diesen empfohlenen Neukunden. Eine Fokussierung auf die Etablierung langfristiger Kundenbeziehungen mit bestehenden Kunden bedeutet, dass ein mehr oder weniger großer - zu definierender - Teil der Marketingressourcen statt in die Neukundengewinnung in das Kundenbeziehungsmanagement investiert wird.

Fred Reichheld, der Vordenker zur Kundenloyalität hat sich in mehreren Büchern1) detailliert mit diesem Thema befasst. In seinem Buch "Die ultimative Frage"2) kommt er zu der Erkenntnis, dass die nachhaltigsten Gewinne von loyalen Kunden kommen, die damit langfristig den Unternehmenserfolg sicherstellen. Je höher die Anzahl der loyalen Kunden ist, desto besser werden die Gewinnaussichten in der Zukunft sein. Es ist daher wichtig, die Anzahl der loyalen Kunden, deren Umsatz und den darauf fußenden Gewinn festzustellen. Diese sind an ihrer Weiterempfehlungsbereitschaft zu erkennen, was zur von ihm entwickelten Methode des Net Promoter Score führt.

Der Net Promoter Score

Anlass für die Entwicklung des Net Promoter Score, kurz NPS genannt, waren für Reichheld die Schwächen traditioneller Zufriedenheitsmessungen und die daraus resultierende Notwendigkeit einer besseren Messgröße. Gesucht wurde ein einfacher Indikator für die Gedanken und Gefühle von Kunden gegenüber dem Unternehmen, bei dem sie kaufen, beziehungsweise der Marke, die sie kaufen, und dem tatsächlichen Verhalten der Kunden in Hinblick auf künftiger Käufe. Seine Untersuchung ergab, dass bei fast allen Branchen eine Frage dies am besten ausdrückt. Diese "ultimative Frage" lautet: "Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie das Unternehmen X oder die Marke Y einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?"

Mit der Beantwortung dieser "ultimativen Frage" wird versucht, nicht nur die rationale, sondern auch die emotionale Dimension der Qualität einer Kunde/Lieferanten-Beziehung zu berücksichtigen: Zum einem muss der Kunde überzeugt sein, dass das Unternehmen/die Marke in Bezug auf das Preis-Leistungs-Verhältnis herausragend ist, und zum anderen muss er ein gutes Gefühl haben, dass dort nicht nur er, sondern auch ein Freund oder Kollege gut behandelt, geschätzt und verstanden wird. Die Grundlage der Beantwortung der "ultimativen Frage" beruht auf der Annahme, dass man Kunden in drei Kategorien einordnen kann:

- Sogenannte "Promotoren" sind loyale Kunden, die immer wieder bei dem Unternehmen kaufen und die dieses unaufgefordert/aufgefordert auch Bekannten empfehlen ("Promoters").

- Passiv zufriedene Kunden können von der Konkurrenz relativ leicht abgeworben werden und sind nicht bereit das Unternehmen (das Produkt/die Marke) weiterzuempfehlen ("Passives").

- Kritiker hingegen sind verärgerte, enttäuschte Kunden, die selbst wahrscheinlich nicht mehr bei dem Unternehmen (das Produkt/die Marke) kaufen würden ("Detractors").

Auf der Grundlage der Beantwortung der "ultimativen Frage" anhand einer Skala von 0 bis 10 kann aufgezeigt werden, wie loyal die Kunden sind. Die 10 bedeutet, dass eine Weiterempfehlung "äußerst wahrscheinlich" ist, und bei 0 ist die Weiterempfehlung "überhaupt nicht wahrscheinlich". Als Konsequenz ergeben sich für Reichheld die Promotoren für den Fall, dass mit 10 oder 9 geantwortet wird, und die Kritiker, die mit 6 oder weniger Punkten bewerten. Zwischen diesen beiden Bewertungen liegen die passiv zufriedenen Kunden. Die Auswertung der "ultimativen Frage" ist ebenso wie die Frage selbst einfach und eindeutig. Der Net Promoter Score (NPS) ergibt sich, wenn man den Prozentsatz der Promotoren vom Prozentsatz der Kritiker abzieht: P- K = NPS. Die passiv zufriedenen Kunden werden dabei außer Acht gelassen. Je höher der NPS ist, desto loyaler sind die Kunden. Er zeigt, ob die Kunden eines Unternehmens dieses zum Wachstumsmotor/Gewinnmotor machen. Im NPS sieht Reichheld eine einfache Darstellung, um das Verhalten der Kunden zutreffend vorauszusagen und damit die Grundlage für das weitere Vorgehen zu Erhöhung der Kundenloyalität zu benutzen.

Korrelation mit Unternehmenserfolg empirisch belegt

Der Vorteil des NPS liegt in seiner Einfachheit und Eindeutigkeit. Fred Reichheld hat die Korrelation zwischen NPS und Unternehmenserfolg für über 30 Branchen empirisch belegt und entsprechende Benchmarkwerte ermittelt.

Nichtsdestoweniger gibt es auch kritische Stimmen. Sie behaupten, dass der NPS bei der Messung der tatsächlichen Bindung, dem Commitment, zum Unternehmen/zum Produkt/zur Marke versagt, da die emotionale Überzeugung und die persönliche Identifikation mit einem Unternehmen/ einem Produkt/einer Marke genauso wenig messen kann wie die von Reichheld kritisierten konventionellen Messgrößen der Kundenzufriedenheit. Zudem meinen die Kritiker, dass die Messung der Kundenzufriedenheit allein nicht ausreicht, um die tatsächliche Bindung von Kunden an ein Unternehmen/eine Marke festzustellen.

NPS als Kriterium für den "Recommender Award"

Der FMVÖ versteht sich als die österreichische Diskussionsplattform für Marketing und Vertrieb und als Forum für Wissenschaft und Praxis im Finanzdienstleistungsbereich. Zu seinen Mitgliedern zählen die namhaftesten österreichischen Unternehmen aus der Kredit- und Versicherungswirtschaft und zahlreiche andere Finanzdienstleister, Unternehmen aus der Marketing- und Werbebranche sowie aus dem IT- und Consultingbereich. Angesichts der Bedeutung der Kunden und ihrer Loyalität/Nicht-Loyalität wollte der FMVÖ einen Gradmesser für die Kundenorientierung der drei großen Finanzdienstleisterbranchen - Banken, Bausparkassen, Versicherungen - etablieren und den Top-Unternehmen einen Award für herausragende Kundenorientierung vergeben, der auf mittlere Sicht generell zu einer Qualitätsverbesserung und zu größerer Nachhaltigkeit in Marketing und Vertrieb führen soll.

Nach einer anfänglichen Diskussion fiel die Entscheidung, die Weiterempfehlungsbereitschaft der Kunden als aussagefähigste Messgröße heranzuziehen. Diese Weiterempfehlungsbereitschaft wurde als weitaus besserer Indikator betrachtet als die üblicherweise gemessene Kundenzufriedenheit. Ein Unternehmen weiterzuempfehlen hat wesentlich mehr Gewicht als bloß als Kunde zufrieden zu sein. Denn eine Weiterempfehlung nimmt den Empfehlenden mit in die Verantwortung. Daher war es naheliegend, den NPS als Maß für die Weiterempfehlung als Kriterium für die Preisverleihung heranzuziehen.

In den ersten Monaten des Jahres 2007 wurde die Feldarbeit durchgeführt, um die Daten für den ersten "Recommender Award" zu bekommen. Da Telemark Marketing bereits mit der NSP-Methodik vertraut war und erfolgreich mit ihr gearbeitet hat, wurde die Marktuntersuchung dieser Gesellschaft überantwortet. Es wurden 1 800 Telefoninterviews in Hinblick auf 21 Banken und Versicherungen vorgenommen. Für diese Befragungen wurden die untersuchten Banken und Versicherungen nicht um ihre Zustimmung ersucht und den Banken und Versicherungen fielen auch keine Kosten an. Der FMVÖ agierte vollkommen unabhängig, was sich in der Folge als wichtiger Erfolgsfaktor herausstellte. Am 31. Mai 2007 kam zur ersten "Recommender Award"-Verleihung in vier Kategorien.

Aufgrund der positiven Reaktionen und der Anerkennung des Preises als wichtiges Feedback der Kunden wurde seine Verleihung zu einem jährlichen Ereignis der Finanzbranche. Es gab auch Jahr für Jahr substantielle Verbesserungen, um die Akzeptanz zu erhöhen. Die Stichprobe wurde sukzessiv angehoben: von 1 800 im Jahr 2007 auf 8 000 (2013). Das erhöhte aufgrund der höheren Genauigkeit nicht nur die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse, sondern führte auch dazu, dass sich der Kreis der von der jährlichen Untersuchung erfassten Institute Schritt für Schritt erweiterte. Waren es 2007 noch elf Banken und zehn Versicherungen, so waren es zuletzt bereits 28 Banken, 23 Versicherungen und vier Bausparkassen.

Bereits 2008 wurden nicht nur die üblichen Pokale und Urkunden überreicht, sondern den Siegern auch die Möglichkeit gegeben, ihren Erfolg mit einem speziellen markenrechtlich geschützten Gütesiegel sowohl nach innen als auch nach außen professionell und visuell vermittelbar zu kommunizieren. Es gibt dieses für die ersten drei Plätze in drei Abstufungen.

Insgesamt wurde der Preis in den letzten Jahren zu einem immer größeren Erfolg. Sein hoher Stellenwert kann heute insbesondere an mehreren Indikatoren festgemacht werden. Es gibt eine traditionell im Mai stattfindende Gala, die sich zu einem gerne und gut besuchten Event und Branchentreff entwickelte. Eine große Rolle spielt auch das Auftreten prominenter Sprecher bei diesen Veranstaltungen. Weiters ist der Stolz, einen "Recommender Award" bekommen zu haben, - von Beginn an - immer mit einer Fülle von Kommunikationsmaßnahmen verbunden. Dazu kommt, dass der "Recommender Award" mittlerweile respektable mediale Aufmerksamkeit erzielt hat und es eine hohe Bereitschaft von Sponsoren gibt, zum Gelingen der Gala beizutragen.

Regionale Institute schneiden besser ab als Konzerne

Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich im Zeitverlauf eine Reihe von signifikanten Ergebnissen gezeigt haben:

- Das Weiterempfehlungsniveau ist bei Banken signifikant höher als bei Versicherungen.

- Bei Banken gab es 2009 - am Höhepunkt der Finanzkrise - einen starken Einbruch. Dieser konnte allerdings bis dato wieder wettgemacht werden.

- Regionale Institute - sowohl bei Banken als auch bei Versicherungen - mit größerer Nähe zum Kunden und bodenständigerem Touch schneiden tendenziell besser ab als große, distanziert und weniger persönlich wirkende Konzerne.

- Die NPS-Bandbreite ist sehr groß. So schwankte der NPS-Wert bei Banken von plus 54 Prozent bis minus 18 Prozent, was einer Bandbreite von 72 Prozent entspricht; bei Versicherungen war er mit 55 Prozent etwas niedriger.

- Die Weiterempfehlungsbereitschaft bei 53 Prozent der Bank- und bei 48 Prozent der Versicherungskunden gilt nicht nur für die Bereitschaft, sondern als tatsächliche Weiterempfehlung.

Ein internationaler Vergleich der FMVÖ-NPS-Werte ist nicht möglich, da keine aktuellen NPS-Werte aus vergleichbaren Untersuchungen des Finanzdienstleistungsbereichs publiziert wurden.

Fußnoten

1) "The Loyalty Effect", 1st Ed. 1996, und "Loyalty Rules", 1st Ed. 2001,

2) Fred Reichfeld, Die ultimative Frage, Carl Hanser Verlag, München 2006 beziehungsweise The Ultimate Question, Harvard Business School Publishing Corp., Watertown, MA, 2006.

Robert Sobotka , Geschäftsführer , Telemark Marketing Gebhard Zuber GmbH, Wien
Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
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