Bankmanagement-Glossar

Retromarketing

Das Retromarketing zielt mit Hilfe visueller und akustischer Instrumente auf positive Erinnerungen der Kunden aus Kindheit und Jugend ab. Begriffe wie "Vintage Marketing", "Retro Revolution", "Mythos Management" und "History Marketing" tauchen auf, wenn es darum geht, Kunden ver stärkt in unterschiedlichsten Formen mit der Historie von Unternehmen und Marken zu konfrontieren.

Die Begriffe Historie, Tradition und Herkunft werden zumeist synonym verwendet. Historie kann dabei als die Gesamtheit des seit Gründung in und mit dem Unternehmen Geschehenen unter besonderer Berücksichtigung der geschaffenen Marken umschrieben werden. Beim Retromarketing wird Tradition als Quelle der Orientierung und Authentizität zur Positionierung unverwechselbarer Marken genutzt.

Empirische Untersuchungen zeigen, dass die Kenntnis historischer Pionierleistungen einer Marke einen positiven Einfluss auf die Markenwahrnehmung hat. Somit liegt einer der wichtigsten Faktoren, der eine Marke zu einem Kult macht, in ihrer Tradition. Die Profilierungsmöglichkeiten im Wettbewerb, die Retromarketing bietet, sind seit Langem bekannt.

In den letzten Jahren verstärkt genutzt

Eine stärkere Aufmerksamkeit ist erst in den letzten Jahren beobachtbar. Kontinuität als zeitliche Konstanz wesentlicher Merkmale der Marke über einen längeren Zeitraum wird als essenzielles Merkmal der Markenidentität gesehen. Die Markenführung bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Aufbau einer eindeutigen Identität und der Notwendigkeit einer Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen. Zu hektische Anpassungen an Modeerscheinungen gefährden die Wiedererkennbarkeit, eine zu starke Ausrichtung an der Historie führt zur Erstarrung einer Marke. Erfolg kann daher nur durch eine ausgewogene "Sowohlalsauch"-Strategie in der Markenführung erreicht werden, bei der Innovation und Historie zusammenspielen..

Beim Produkt- und Verpackungsdesign geht es um die Wirkung von historischen Bezügen und Stilmitteln. Durch vergangenheitsorientierte Designs kann ein positives Gefühl an die "gute alte Zeit" ausgelöst werden. Nahezu alle Unternehmen kommunizieren ihre Historie aktiv. So zeigt die klassische Werbung zunehmend historische Inhalte und Bezüge. Mehr und mehr gibt es Nostalgiewelten und schöne alte Motive in der Unternehmenskommunikation. Ergänzend werden vor allem ereignisbezogen (zum Beispiel zu Jubiläen) Belowthe-Line-Aktivitäten gesetzt oder historische Merchandising-Artikel angeboten. Ein weiteres beobachtbares Instrument sind Unternehmensarchive. Ein öffentlich sichtbares Instrument stellen Unternehmens- und Markenmuseen gelegentlich in Form von Themenparks und Erlebniswelten dar. Markenhistorie wird auch im Kontext von Kunden- und Markenclubs sichtbar, die einen Kult um die historischen Produkte entwickeln.

Im Rahmen der Produktpolitik wird der Retromarketing-Trend durch den Einsatz historischer Designelemente sichtbar. Auch wenn diese Retro-Produkte nostalgische Wünsche der Zielgruppen bedienen, muss bei der Entwicklung auf den technischen Fortschritt und die gestiegenen Kundenanforderungen geachtet werden.

Markenhistorie bietet große Nutzenpotenziale, die (vom Unternehmen richtig eingesetzt) entsprechend kapitalisiert werden können. Durch sie lässt sich nicht nur die Markenidentität stärken, sondern sie lässt auch Rückschlüsse auf die wahrscheinliche Lebensdauer einer Marke zu und wirkt sich daher positiv auf die Berechnung des Markenwertes aus. Wichtig für eine Erweiterung des Marketingansatzes durch Retromarketing ist, in der Gegenwart die Potenziale der Vergangenheit zu nutzen, um in Zukunft erfolgreich zu sein.

Marketingchance auch für Finanzdienstleister

Auch für Finanzdienstleister kann der Retromarketing-Trend durch die Einbeziehung der Unternehmenshistorie als Marketingchance genutzt werden. Sie ist aber nur dann sinnvoll, wenn diese für den Kunden relevant und eigenständig ist und die Positionierung glaubwürdig unterstützt wird. Vor allem für das Schaffen von Vertrauen kann die Unternehmenshistorie im Finanzdienstleistungssektor als Leistungsbeweis identitätsstiftend eingesetzt werden, da sich Tradition positiv auf die Vertrauensbasis auswirkt.

Bei sich ändernden Konzernstrukturen stellt die Tradition für Kunden eine verlässliche Größe der Glaubwürdigkeit dar. Auch unternehmensintern, das heißt bei den eigenen Mitarbeitern können positive Identifikations- und Motivationseffekte ausgelöst und die Loyalität der Mitarbeiter gefördert werden beziehungsweise Führungskräfte aus der Unternehmensgeschichte (sowohl den Erfolgen als auch den Misserfolgen) lernen.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
Noch keine Bewertungen vorhanden


X