Bankmanagement-Glossar

Ropo-Effekt

Seit dem Durchbruch der Smartphones, Tablets und Apps hat sich die Verschmelzung von Online- und Offline-Kanälen durchgesetzt. In diesem Zusammenhang ist der Ropo-Effekt in aller Munde. Das Kürzel steht für "Research Online - Purchase Offline": im Internet informieren und stationär kaufen. Beispielsweise informieren sich Kunden im Internet über ein Versicherungsprodukt, gehen auf Basis dies er Informationen zu ihrem Versicherungsberater und schließen nach einer zusätzlichen Beratung vor Ort ab. Der Ropo-Effekt ist für Unternehmen interessant, bei denen der Vertrieb über Filialen und E-Commerce läuft, wie dies bei Versicherungen und Banken der Fall ist.

Im Bank-Bereich ist der Ropo-Effekt besonders stark. Die Hälfte aller Bankkunden, die sich im Internet über Finanzprodukte informieren, geht für den Abschluss doch in eine Filiale. Zusammen mit denen, die sich gar nicht online informieren, wird ein Großteil der Abschlüsse noch immer vor Ort getätigt. Bei komplexeren Bankprodukten bevorzugen Kunden nach wie vor eine individuelle Beratung in ihrer Filiale. Einfache Produkte wie Girokonten oder Sparbücher werden auch online abgeschlossen. Hier existieren gute Vergleichsmöglichkeiten im Internet, und es wird viel über die Unternehmen und ihre Leistungsangebote diskutiert. Es wird aufgrund der größeren Transparenz für Kunden einfacher, das günstigste Angebot auszusuchen.

Die durch den Ropo-Effekt erzielten Umsätze übertreffen die reinen Online-Umsätze bei weitem. Es gibt sogar Untersuchungen, die zeigen, dass Kunden, die ihren Einkauf online vorbereiten, beim Abschluss in der Filiale mehr Geld ausgeben, dass also online vorbereitete Käufe die werthaltigsten sind. Ein detaillierter Informationsprozess mit einer Recherche im Internet erhöht die Ausgabebereitschaft.

Im Marketing berücksichtigen

Als Konsequenz muss der Ropo-Effekt bei der Budgetierung von Marketingmaßnahmen berücksichtigt werden. Wird das Marketingbudget isoliert von kanalübergreifenden Effekten kalkuliert, besteht die Gefahr von Umsatzeinbußen. Für die Budgetierung muss daher die gesamte "Customer Journey" herangezogen werden, und für das Controlling stellt sich die Herausforderung, wie der Ropo-Effekt sichtbar und messbar gemacht wird.

Vor allem in der Finanzbranche hat das Internet eine elementare Bedeutung bei der Recherche zur Vorbereitung von Kaufentscheidungen. Mehr als die Hälfte der Internetnutzer besucht Internetseiten mit Finanzthemen. Suchmaschinen sind die bedeutendste Informationsquelle. Die meisten Nutzer surfen direkt auf die Internetseiten ihnen bekannter Finanzinstitute und anderer Informationsquellen. Denn im Internet können sie Informationen in aller Ruhe anschauen, Konditionen bei Wettbewerbern vergleichen, Hintergrundberichte nachlesen und aktuelle Entwicklungen verfolgen. Gleichzeitig schätzen viele Kunden an der Filiale den persönlichen Service und die Möglichkeit, ihre Einschätzungen im Beratungsgespräch zu validieren. Analysen zeigen, dass der Mehrheit der Offline-Abschlüsse ein Online-Informationsprozess vorausgeht. Betrachtet man nur den reinen Online-Absatz, der derzeit bei knapp über zehn Prozent liegt, unterschätzt man die Bedeutung des Internets deutlich.

Für die Gestaltung ihrer Kanäle stellt sich für Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche die Schlüsselfrage, wie das "Outernet" mit der virtuellen Welt verknüpft werden kann. Die Touchpoint Journey der Kunden muss Dreh- und Angelpunkt aller Unternehmensaktivitäten sein. Berücksichtigt man den Ropo-Effekt, muss das Internet bei der Planung von Marketingaktivitäten neu bewertet werden, um seiner Rolle als direkter Vertriebskanal und Informationsquelle für Offline-Käufer gerecht zu werden.

Keine Sicherheitsgarantie für Filialbanken

Die Frage der zukünftigen Entwicklung des Ropo-Effekts für Filialbanken wird von manchen eher kritisch beurteilt. Experten vermuten, dass der Ropo-Effekt schrumpfen wird und die Online-Abschlüsse zunehmen werden. Derzeit findet durch die Legitimationspflicht des Kontoinhabers oftmals ein Medienbruch statt. Eine interessante Entwicklungschance wird in Online-Identifikationsver fahren wie dem elektronischen Personalausweis (eID) gesehen.

Sollte sich dieses Verfahren bewähren, werden Online-Abschlüsse ohne Medienbruch möglich sein. Zudem wird durch das Heranwachsen der Digital Natives die Affinität für Online-Abschlüsse zunehmen. Weiters wird diese Entwicklung durch das ver stärkte und verbesserte Angebot von Online-Beratungstools, Telefon- und Videoberatung positiv beeinflusst. Der Ropo-Effekt von heute bildet somit keine Sicherheitsgarantie für Filialbanken.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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