Zahlungsverkehr

Die Systeme haben zu jedem Zeitpunkt der Krise reibungslos funktioniert

Ein einheitlicher europäischer Zahlungsverkehrsraum leistet einen wichtigen Beitrag zur Finanzmarktintegration in Europa, so der Präsident der Deutschen Bundesbank. Hierzu gehören Sepa, Target 2 und Target Securities. Die vielfach geäußerte Sorge, dass mit den Target-2-Salden speziell für die Bundesbank in der Euro-Krise besondere Risiken verbunden sind, sei aber unbegründet. Red.Die Gewährleistung eines leistungsfähigen Zahlungsverkehrs ist historisch gesehen keine neue Notenbankfunktion. Schon sehr früh übernahmen Zentralbanken die Aufgabe einer zentralen Ausgleichsstelle für die Abwicklung von Forderungen der Geschäftsbanken untereinander. Aus dem Markt heraus hatte sich das Bedürfnis entwickelt, eine neutrale Instanz zu haben, die eine allgemein akzeptierte Verrechnungseinheit anbietet und die Sicherheit der Abwicklung garantiert. Heute ist der unbare Zahlungsverkehr eines von fünf Kerngeschäftsfeldern der Bundesbank. Dennoch wird diese Tätigkeit in der Öffentlichkeit bisweilen nicht so stark als Aufgabe der Notenbanken wahrgenommen wie die Bargeldversorgung und andere sichtbarere Geschäftsfelder. Das liegt vor allem daran, dass es sich beim unbaren Zahlungsverkehr um ein klassisches Großkundengeschäft handelt. Die Öffentlichkeit ist mit dem Retailgeschäft der Banken zwar durchaus vertraut, mit der Abwicklung der Zahlungen im Hintergrund und der dafür von den Zentralbanken bereitgestellten Infrastruktur kommt der Verbraucher hingegen nicht in Berührung. Die Zahlungsströme, die darüber fließen, sind jedoch gewaltig. So haben im Jahr 2010 die über die Bundesbank angeschlossenen Institute allein über das Abwicklungssystem Target 2 einen Umsatz abgewickelt, der dem 85-Fachen des deutschen Bruttoinlandsproduktes entspricht. Geld- und Finanzpolitik klar trennen Dass der Zahlungsverkehr - sowohl der bare als auch der unbare - während der Finanzkrise nicht in die Schlagzeilen kam, belegt, dass die Zahlungsverkehrssysteme zu jedem Zeitpunkt der Krise zuverlässig und reibungslos funktioniert haben. Dies ist umso wichtiger, als die Bereitstellung eines stabilen, effizienten Zahlungsverkehrs einen essenziellen Beitrag sowohl zur Finanzstabilität als auch zum Vertrauen der Bürger in die gemeinsame Währung leistet. In den vergangenen Monaten hat dennoch ein Thema aus dem Zahlungsverkehrsbereich Aufsehen erregt, und zwar die hohen Target-2-Forderungen der Bundesbank gegenüber der EZB. Target 2 ist das europäische Individualzahlungssystem, das die Banca d'Italia, die Banque de France und die Bundesbank gemeinsam entwickelt haben und seit 2007 erfolgreich betreiben. Während die Target-2-Positionen sich in den Jahren vor Ausbruch der Finanzkrise in einem überschaubaren Rahmen gehalten hatten, wies die Bundesbank Ende vergangenen Jahres einen positiven Tar-get-2-Saldo in Höhe von 325,5 Milliarden Euro aus. Umgekehrt sind die Target-2-Verbindlichkeiten einiger Länder des Euroraums im Zuge der Finanzkrise deutlich gestiegen. Dies hat in der Öffentlichkeit besorgte Fragen über die damit verbundenen Risiken speziell für die Bundesbank hervorgerufen. Unbestritten ist, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise eine große Herausforderung für die Geldpolitik und die Notenbanken in der EWU darstellt. Gerade die Bundesbank hat wiederholt auf die Notwendigkeit einer klaren Trennung von Geld- und Finanzpolitik sowie auf die im Zuge der Krise gestiegenen Risiken für das Eurosystem hingewiesen. Und für mich steht außer Frage, dass jede weitere Verwischung der Verantwortlichkeiten von Geld- und Fiskalpolitik eine Gefahr für die Geldwertstabilität darstellen kann. Die Bundesbank hat aber ebenso mehrfach dargelegt, dass die Target-2-Salden der falsche Aufsetzpunkt für eine Abschätzung dieser Risiken sind, da sie kein eigenständiges finanzielles Risiko bergen - das heißt, ein Risiko, welches über das der Geschäfte hinausgeht, mit denen die über Target 2 gehandelte Zentralbankliquidität zur Verfügung gestellt wurde. Dabei handelt es sich zum größten Teil um geldpolitische Refinanzierungsgeschäfte. Die Risiken aus geldpolitischen Refinanzierungsgeschäften werden aber vom Eurosystem als Ganzes getragen; unabhängig davon, bei welcher nationalen Zentralbank ein Refinanzierungsgeschäft getätigt wurde, haftet jede nationale Zentralbank im Verhältnis ihres Kapitalschlüssels, also gemäß ihrem Anteil am Eigenkapital der Europäischen Zentralbank. Für die Risikoposition der Bundesbank ist es deswegen unerheblich, wo die Target-2-Salden anfallen. Sie wäre unverändert, wenn der ausgewiesene positive Verrechnungssaldo aus Target 2 nicht bei der Bundesbank, sondern in gleicher Höhe bei einer anderen Notenbank des Eurosystems anfiele. Drei Kernprojekte zur Finanzmarktintegration Unabhängig davon setzt sich die Bundesbank dafür ein, dass der Ausstieg aus den krisenbedingten geldpolitischen Sonder maßnahmen fortgesetzt wird, sobald dies die Lage auf dem Geldmarkt und auf den Finanzmärkten zulässt. Dies ist also keine Frage des Ob, sondern des Wann. Ein einheitlicher europäischer Zahlungsverkehrsraum leistet einen wichtigen Beitrag zur Finanzmarktintegration in Europa. Um diese Integration zu ermöglichen, wurden drei große Kernprojekte auf den Weg gebracht. Das erste von ihnen und zugleich ein Maßstab für erfolgreiche Projekte des Eurosystems ist das bereits er wähnte europäische Individualzahlungssystem Target 2. Das zweite große Projekt, Target-2-Securities, befindet sich derzeit noch in der Entwicklungsphase. Auch hier nimmt die Bundesbank eine führende Rolle ein, sowohl bei der Entwicklung als auch zukünftig beim Betrieb. Mit der Vereinheitlichung der Wertpapierabwicklung über die Landesgrenzen hinaus wird ein weiterer wichtiger Schritt zur Integration der Finanzmärkte beschritten. So werden beispielsweise wettbewerbshemmende Preisunterschiede zwischen der nationalen und der grenz überschreitenden Wertpapierabwicklung beseitigt. Zudem ergeben sich positive Effekte für die zukünftigen Nutzer von Tar-get-2-Securities, indem Geschäftsprozesse effizienter und die Liquiditätssteuerung einfacher werden. Als drittes großes Projekt ist Sepa zu nennen. Der angestrebte einheitliche Euro-Zahlungsverkehrsraum wird die Integration der Finanzmärkte auch im Retailgeschäft voranbringen. Außerdem wird hierdurch die Weiterentwicklung elektronischer Rechnungsabwicklung und innovativer Zahlungsmöglichkeiten attraktiver. Die Bundesbank unterstützt Sepa sowohl politisch als auch operativ durch die Abwicklung von Sepa-Zahlungen. Eine Herausforderung besteht darin, die breite Akzeptanz für Sepa zu erhöhen, indem die Vorteile noch klarer herausgestellt werden. Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Autors beim Symposium "Zahlungsverkehr in Deutschland im Jahr 2011" der Deutschen Bundesbank.

Dr. Jens Weidmann , Aufsichtsratsvorsitzender (bis 31.12.2021 Präsident der Deutschen Bundesbank, Frankfurt am Main) , Commerzbank AG
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