Wachsende technologische Defizite belasten Unternehmen

Die IT-Architektur steht für den Erfolg einer jeden Digitalisierungsstrategie. Doch rund um den Globus weist sie bei Banken, Versicherungen, Einzelhandels- und Konsumgüterunternehmen Defizite auf. In der aktuellen CIO-Studie „Mehr Tempo, weniger Altlasten: IT-Architektur im digitalen Zeitalter“ der internationalen Managementberatung Bain & Company sehen 63 Prozent der Bankenvertreter in ihrem Unternehmen in den nächsten Jahren die Gefahr einer wachsenden „technischen Schuld“. Bei den Versicherern hat jeder zweite CIO diese Befürchtung, im Handel und in der Konsumgüterbranche sind es jeweils knapp 40 Prozent. Für die Studie befragte Bain weltweit 150 CIOs.

„Die IT-Abteilungen erfüllen eine elementar wichtige Funktion, denn sie setzen viele Projekte parallel um und machen die Digitalisierung für die Kunden erlebbar“, betont Ingolf Zies, Studienautor und Leiter der Bain-Praxisgruppe Informationstechnologie im deutschsprachigen Raum. „Intern aber müssen sie sich vielerorts mit veralteten und zu komplexen Systemen auseinandersetzen.“ Zum aktuellen Zustand ihrer IT-Architektur erklärt rund ein Drittel der befragten CIOs, dass sich mit der bestehenden IT trotz der erzielten Erfolge und ungeachtet der geplanten Investitionen künftige Unternehmensziele nicht erreichen lassen. Konkret gibt es bei Banken insbesondere Defizite bei der voll automatisierten Abwicklung von Prozessen. Bei Versicherern und im Handel ist der Schwachpunkt das nahtlose Omnikanal-Erlebnis.

„Die CIOs wissen um die technische Schuld in ihren Unternehmen“, so Bain-Partner Zies. „Nicht zuletzt aufgrund von Budgetengpässen können sie jedoch oft keine konsequente Roadmap für die durchgängige Modernisierung ihrer IT-Architektur umsetzen.“ Vielmehr müssen IT-Verantwortliche ihr Budget zwischen Innovationen und der Pflege alter Systeme aufteilen. So fließt laut Bain-Studie noch jeder fünfte Euro in die Optimierung bestehender Legacy-Systeme.

Darüber hinaus kämpfen zahlreiche Unternehmen mit steigenden Betriebskosten. Diese haben sich in den vergangenen drei Jahren bei 59 Prozent der Studienteilnehmer erhöht. 77 Prozent erwarten in den kommenden drei Jahren einen Anstieg. Am pessimistischsten äußert sich der Handel. Hier gehen gar 88 Prozent der CIOs davon aus, dass die Kosten weiter zunehmen. Rückläufige Betriebskosten erwartet nur, wer in der Vergangenheit konsequent seine IT-Architektur modernisiert hat.

„Viele Unternehmen sehen ihre IT-Architektur als wachsende Hypothek auf die Zukunft, die für manche früher oder später zu einer großen Last werden kann“, stellt IT-Experte Zies fest. Einerseits müssen die Unternehmen den neuen Kundenbedürfnissen mit digitalen Produkten und Dienstleistungen entsprechen. Andererseits kosten deren Entwicklung und Implementierung in bestehende IT-Architekturen viel Zeit und Geld.

Im Rahmen zahlreicher Kundenprojekte und Studien hat Bain folgende  20 Thesen zur Zukunft der IT-Architektur erstellt, die sich in acht Bausteinen zusammenfassen lassen. Sie reichen von der Infrastruktur über Plattformen, Sicherheit und Anwendungen bis hin zur Datenanalyse. Um die IT-Architektur im laufenden Betrieb zu optimieren, können Unternehmen je nach Dringlichkeit an einem dieser acht Bausteine ansetzen.

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Bei vielen Banken richtet sich die Ausgestaltung der Kundenschnittstellen heute nach den Möglichkeiten und Grenzen von Tablets und Smartphones. Responsive Design ist selbstverständlich, die Authentifizierung per Fingerabdruck innerhalb einer App ein gängiges Verfahren. Finanzdienstleister ziehen bisher den größten Mehrwert aus den Kundendaten. Rund zwei Drittel der an der Studie beteiligten Banken und Versicherungen nutzen vor und nach dem Kundenkontakt Analyse-Tools für ein passgenaueres Angebot. Dagegen ziehen Konsumgüterhersteller Kundendaten bislang eher für nachgelagerte Analysen heran. „Dabei könnten sie in Zusammenarbeit mit dem Handel aus Millionen täglicher Transaktionen wertvolle Informationen über das künftige Kundenverhalten gewinnen“, so Zies. Eine moderne umfassende Dateninfrastruktur ist – neben lose gekoppelten Systemen – unerlässlich, um in Zukunft Effizienzpotenziale aus künstlicher Intelligenz wie Machine Learning heben zu können.

Schon heute arbeiten 52 Prozent der Unternehmen an der Straffung ihrer Rechenzentren und der Konsolidierung ihrer Infrastruktur. Studienautor Zies ist überzeugt: „IT-Infrastruktur kommt künftig wie Strom aus der Steckdose und ist überall und jederzeit verfügbar.“ Möglich macht dies die stärkere Nutzung von Cloud-Diensten. Eng damit verbunden ist eine Verlagerung von Anwendungen, Plattformen und auch Sicherheitslösungen in die Cloud. Mit As-a-Service-Konzepten können Unternehmen ihre IT-Architektur gleichzeitig standardisieren und beschleunigen. Entsprechend wird sich der Markt von Platform-as-a-Service-Lösungen bis 2019 verdoppeln – auf ein Volumen von dann 23 Milliarden US-Dollar.

Eine höhere Geschwindigkeit im Betrieb und in der Entwicklung ergibt sich auch durch die Aufspaltung komplexer Anwendungen in einzelne Bestandteile, weg von Softwaremonolithen hin zu Microservices. Derzeit setzen 71 Prozent der Befragten auf lose gekoppelte Systeme. Nur im Handel hält noch ein Drittel an den integrierten Systemen fest.

Die Technologien für eine durchgängige Beschleunigung der IT sind vorhanden. Mit einer (micro-)serviceorientierten IT-Architektur lassen sich Veränderungen erheblich schneller umsetzen als noch vor wenigen Jahren. „Überwindet die IT die Defizite in der bestehenden Architektur, stärkt das ihre Position in den Unternehmen entscheidend“, ist sich Bain-Partner Zies mit Blick auf die digitalen Vorreiter sicher. Und er fügt hinzu: „Die Weiterentwicklung der IT-Architektur muss zu den Top-Prioritäten der Führungsebene zählen. Umfangreiche Investitionen sind unumgänglich.“ Schritt für Schritt wird die IT somit zum Treiber der digitalen Revolution.

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