Marketingstrategie

Dr. Ewald Judt, Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

Quelle: Wirtschaftsuniversität Wien

Im Wettbewerb erfolgreich zu sein, stellt für Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Größen eine Herausforderung dar. Ein wichtiger Erfolgsfaktor, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen und sich längerfristig erfolgreich am Markt zu etablieren, ist die Wahl der richtigen Marketingstrategie. Erstmals beschreibt diese Thematik Michael Porter 1980 in seinem Journalbeitrag "Industry Structure and Competitive Strategy". Nach Porter können bei der Festlegung der Marketingstrategie drei grundlegende strategische Ansätze unterschieden werden: die Kostenführerschaft ("cost leadership strategy"), die Differenzierung ("differentiation strategy") und die Konzentration ("focus strategy").

Strategische Ausgangsposition abstecken

Die Entscheidung über die strategische Stoßrichtung des Unternehmens ist richtungsweisend, da sie längerfristige Auswirkungen hat und in der Unternehmensstrategie um die finanziellen und nichtfinanziellen Unternehmensziele, die Abgrenzung des Marktes, die Verteilung der Ressourcen sowie die Festlegung der Kernkompetenzen ergänzt wird. Der Marketingstrategie kommt in diesem vorgegebenen strategischen Rahmen bei der Suche, der Auswahl und der Umsetzung von Wettbewerbsvorteilen im Markt die größte Bedeutung zu.

Die Entwicklung der Marketingstrategie geht von der in der Unternehmensstrategie formulierten Abgrenzung des Marktes aus. Hier gilt es, zunächst die strategische Ausgangsposition des Unternehmens darzustellen. Dazu gehören

- die Analyse der für den Markterfolg relevanten Umwelt unter besonderer Berücksichtigung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie absehbarer technologischer Entwicklungen,

- die Analyse des relevanten Markts, insbesondere des Wettbewerbs sowie möglicher Veränderungen des Kundenverhaltens, und

- die Analyse der Situation des Unternehmens am Markt sowohl bei relevanten Kunden und Nichtkunden (zum Beispiel Image und Bekanntheit des Unternehmens und der Produkte/Marken, Zufriedenheit, Loyalität und Profitabilität der Kunden, Marktanteil/e sowie Stärken und Schwächen im Vergleich zum Wettbewerb oder Vorhandensein/Nichtvorhandensein von USPs).

Strategie längerfristig formulieren

Die Analyse der strategischen Ausgangsposition bildet die Grundlage für die Marketingziele und die anschließend festzulegende Marketingstrategie. Die Marketingstrategie soll analog zur Unternehmensstrategie längerfristig (auf etwa fünf Jahre) formuliert werden. Bei den aus der Analyse abgeleiteten Marketingzielen soll festgelegt werden, welcher Markterfolg bei welcher Zielgruppe, womit und wo angestrebt werden soll.

Der weitere Planungsprozess sieht im Hinblick auf die Erreichung der Marketingziele konkrete Definitionen der strukturellen Marktdeterminanten vor, das heißt eine genaue Abgrenzung des Geschäftsfelds und Festlegung der Produkt-, Preis- und Qualitätssteuerung sowie der zielgruppenorientierten räumlichen Marktabdeckung. Basierend auf diesen Komponenten wird eine Kundenstrategie, eine Sortiments- und Produktstrategie sowie eine Vertriebsstrategie entwickelt, die in späterer Folge durch entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden soll.

Kundenstrategie zielt auf Absatzpotenziale

Bei der Kundenstrategie muss in einem ersten Schritt definiert werden, welche Kundensegmente bearbeitet werden sollen. Es stellen sich dabei unter anderem folgende strategische Fragen:

- Soll das Unternehmen den Markt vollständig oder partiell abdecken?

- Soll es sein Leistungsangebot verstärkt an bestehende Kunden verkaufen?

- Wie sollen Mehrverkäufe erreicht werden?

- Welche Kundenbindungsmaßnahmen soll das Unternehmen setzen?

- Sollen Kunden von der Konkurrenz abgeworben werden?

- Soll angestrebt werden, auch Nichtnutzer zu Kunden zu machen?

- Welche Prioritäten sollen angesichts begrenzter Marketingressourcen gesetzt werden?

Durch das Treffen der richtigen strategischen Entscheidungen kann das Absatzpotenzial ausgeschöpft werden.

Die Sortiments- und Produktstrategie zielt darauf ab, die für den Kundennutzen geeigneten Leistungsniveau/s anzubieten. Diese können Basisfaktoren zur Abdeckung des Grundnutzens oder Mehrleistungs- oder Begeisterungsfaktoren zur Erzielung eines Zusatznutzens sein. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es durch den Kundennutzen der Mehrleistungs- oder Begeisterungsfaktoren auch tatsächlich zu einem Wettbewerbsvorteil kommt und nicht, wie oftmals beobachtet, dass der durch die Mehrleistungs- oder Begeisterungsfaktoren generierte Kundennutzen keinen Wettbewerbsvorteil nach sich zieht.

Sortiments- und Produktstrategie mit Innovationsmanagement

Die Sortiments- und Produktstrategie kann sich auf unveränderte oder leicht adaptierte Produkte beziehen. Dabei kommt dem Cross Selling eine besondere Bedeutung zu. Sie kann aber auch ergänzend auf völlig oder teilweise neue Produkte setzen. Tatsächlich werden nur wenige Unternehmen mittelfristig ohne Innovationen auskommen. Um Innovationen erfolgreich zu vermarkten, muss ein Innovationsmanagement eingesetzt und etabliert werden, das für die zeitgerechte Einführung geeigneter neuer Produkte sorgt. Ein wesentlicher Aspekt der Sortiments- und Produktstrategie ist die Berücksichtigung der Preiskomponente, die bereits in der Entscheidung über die Unternehmensstrategie - Kostenführerschaft, Differenzierung oder Konzentration - zum Ausdruck gebracht wird. Zu beachten ist, dass der (oft vermeintliche) Gegensatz Preiswettbewerb (Niedrigpreis-/Diskontkonzept) und Qualitätswettbewerb (Hochpreis-/ Markenkonzept) Berücksichtigung findet und in Folge durch eine entsprechende Ausgestaltung der vier Instrumentalbereiche, vor allem aber der Preispolitik und Markenpolitik, im Marketing-Mix umgesetzt wird.

In der Vertriebsstrategie muss festgelegt werden, welche Vertriebskanäle in welcher Art und Weise eingesetzt werden. In vielen Branchen, vor allem auch bei den meisten Finanzdienstleistern, ist die Vertriebsstrategie bei ihrer Umsetzung mit hohen Kosten (zum Beispiel Filialen) verbunden. In der heutigen Zeit hat sich bei vielen Anbietern der Mehrkanalvertrieb durchgesetzt. Es hat sich weitgehend die Meinung durchgesetzt, dass für größere Unternehmen ein Mehrkanalvertrieb essentiell ist und dass beim Einsatz mehrerer Vertriebskanäle diese den potenziellen Kunden das gleiche Produktangebot anbieten sollten.

Vertriebsstrategie verdient besondere Aufmerksamkeit

Durch die mit einigen der in den letzten Jahren neu hinzugekommenen Vertriebskanäle einhergehende Ausdehnung des Marktareals hat sich die räumliche Distanz reduziert. Ein über das ursprüngliche Marktgebiet hinausgehender Vertrieb war vor der Digitalisierung weit schwieriger zu bewältigen als dies heute der Fall ist. Aufgrund der strategischen Bedeutung und der sich laufend ergebenden Veränderungen hinsichtlich der Kanäle sollte der Vertriebsstrategie besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Der Entwicklung einer konsistenten Marketingstrategie folgt die Umsetzung im Rahmen der Marketing-Mix-Gestaltung von Produkt-, Preis- und Vertriebspolitik, ergänzt um eine geeignete Kommunikationspolitik. Der letzte Prozessschritt umfasst die Kontrolle der Marketingstrategie, aus der sich Impulse für eine notwendige Weiterentwicklung der Marketingstrategie ergeben können. Die strategische Weiterentwicklung sollte kontinuierlich und moderat erfolgen, um den Markt nicht mit einer chaotischen Kunden-, Sortiments- und Produktstrategie und Vertriebsstrategie zu verwirren, es sei denn, dass ein Black-Swan-Effekt eintritt, der eine radikale Änderung der Marketingstrategie bedingt.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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