Simplified Marketing

Für Retailbanken ist ein adäquater Ergebnisbeitrag aus dem Privatkundengeschäft eine Notwendigkeit des Reüssierens am Markt, was angesichts eines volatilen Umfelds nicht immer leicht zu realisieren ist. Ein Ansatz zur Ergebnisverbesserung kann die im Zuge einer Komplexitätsreduktion erreichte Kostensenkung sein. Dabei gilt es ganz allgemein, a) die Anzahl und die Verschiedenartigkeit der Systemteile, b) die Anzahl und die Verschiedenartigkeit der Beziehungen zwischen den Systemteilen und c) die Möglichkeiten zur Veränderung der Systemteile und Beziehungen zu reduzieren. Konkret für das Retailbanking heißt es, die Komplexität für die Kunden und den Bankvertrieb sowie die sich aus der Beziehung Kunde/Bankvertrieb ergebenden Prozesse zu verringern.

Balance zwischen Wahlmöglichkeiten und Überforderung

Das Augenmerk des Simplified Marketing ist aber nicht allein auf die kostensenkende Auswirkung gerichtet, sondern auch auf die Verringerung der Consumer Confusion angesichts einer für den Konsumenten kaum mehr überschaubaren Vielfalt an Produktvarianten. Produktvarianten sind grundsätzlich konsumentenfreundlich: Die Wünsche der Konsumenten lassen sich so leichter erfüllen, weil die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass eine der Idealvorstellung des Produkts entspricht. Gibt es allerdings zu viele Produktvarianten, wird die Kaufentscheidung wie auch die der Kaufentscheidung vorausgehende Informationsaufnahme und -verarbeitung zu komplex, um vom Konsumenten positiv bewertet zu werden. Ziel sollte es sein, die Konsumenten kognitiv zu entlasten und zu ihrer Mental Convenience beizutragen, was sich in entsprechenden Käufen niederschlagen wird. Dieser scheinbare Widerspruch im Konsumentenverhalten - einerseits "people want choice" und andererseits "people don't want too many choices" - bedarf einer Optimierung.

Schlüssel im Retailbanking ist die Straffung des Produktsortiments

Für ein Simplified Marketing, ein vereinfachtes Marketing, bietet auch das Privatkundengeschäft eine Reihe von Ansatzpunkten. Zuallererst ist eine klare Positionierung notwendig, damit der Kunde weiß, wofür die jeweilige Retailbank steht und was ihn dort erwartet. Schlüssel für ein Simplified Marketing ist im Retailbanking die Straffung des Produktsortiments. Dabei gilt es, alle zum Privatkundengeschäft gehörenden Produkte anzubieten, die Variantenvielfalt jedoch zu reduzieren. Wichtig ist bei einer Retailbank mit einer großen Zahl von Produktvarianten die "richtige" Vielfalt anzubieten, die den Kundenbedürfnissen weitestgehend Rechnung trägt und gleichzeitig die mit der Abwicklung einhergehenden Kosten reduziert.

Welche Produkte eliminiert werden sollen, kann einerseits in Hinblick auf Anzahl/Umsatz der nachgefragten Produkte von der Retailbank selbst eruiert werden. Die Einteilung, welche Produkte sind gut gehende Produkte, welche Produkte nur selten verkaufte Produkte und welche Produkte Auslaufmodelle sind, kann relativ einfach gemacht werden. Andererseits ist es im Hinblick auf die notwendige Kundenorientierung erforderlich, auch die Vorstellungen von aktuellen und potenziellen Kunden in Hinblick auf die anzubietenden Produkte zu ermitteln, was zu zusätzlichen Produktvarianten führen kann. Wichtig ist auch im Zuge einer die Komplexität reduzierenden Produktpolitik die Anpassung der anderen Marketinginstrumente - Preispolitik, Vertriebspolitik, Kommunikationspolitik - an die optimierte Produktpolitik, um die angestrebte klare Positionierung tatsächlich zu erreichen.

Ergänzt werden beim Simplified Marketing die sich aus der Komplexitätsreduktion ergebenden Vorteile durch die Optimierung - Verminderung und Vereinfachung - der entsprechenden Prozesse. Beide Schritte sollen sowohl eine Ertragserhöhung als auch eine Kostensenkung mit sich bringen. Eine Lösung für die Prozessoptimierung beim Simplified Marketing ist die Modularisierung des Produktspektrums. Sie ermöglicht nicht nur eine einfachere Präsentation der Produkte, sondern insbesondere auch eine einfachere Abwicklung - "exception processing" - sollte tunlichst vermieden werden.

Ein extremer Ansatz zur Lösung des Komplexitätsproblems, der heute schon in einigen Branchen vorkommt, ist Mass Customization. Das bedeutet, dass es von einem Produkt jeweils individualisierte Varianten gemäß Kundenwunsch gibt, die allerdings in einem automatisierten einheitlich konzipierten Prozess geordert und ausgeliefert werden. Der Prozess zur "simplification" muss also nicht unbedingt ein Widerspruch zur "individualisation" sein.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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