Total Product Concept

Dr. Ewald Judt, Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

Quelle: Wirtschaftsuniversität Wien

Das Produkt im eigentlichen Sinne kann als "Herz des Marketing" gesehen werden. Produktinnovationen, Produktweiterentwicklungen und Verbesserungen der Produktqualität haben einen großen Einfluss auf den Unternehmenserfolg. Auch eine Dienstleistung wie die Beratung beim Anwalt oder die Leistungen einer Bank oder Versicherung zählen als Produkt im Sinne der Produktpolitik. Im Marketing kommt der Produktpolitik neben den anderen Marketinginstrumenten (Preis, Kommunikation und Vertrieb) eine besondere Bedeutung zu. Es geht dabei um die marktgerechte Gestaltung der vom Unternehmen angebotenen Leistungen.

Jedes Produkt besteht zunächst einmal aus einem Grundnutzen und einem Zusatznutzen. Der Grundnutzen eines Produktes kommt aus der Produktfunktion selbst. Meist genügt dieser Grundnutzen aber nicht als alleiniger Kaufanreiz. Daher wird dem Produkt ein sogenannter Zusatznutzen an die Seite gestellt, um sich vom Wettbewerb zu differenzieren und Konsumenten einen erhöhten Kaufanreiz zu bieten.

Vierstufiges Konzept

Einen systematischen Ansatz zur Produktentwicklung liefert das "Total Product Concept", das von Theo dore Levitt (1980) in seinem Beitrag "Marketing Success through Differentiation - of Any-thing" in der Harvard Business Review publiziert wurde. Levitt beschreibt ein Produkt auf vier Dimensionen: "generic product", "expected product", "augmented oder value-added product" und "potential product". Dieses vierstufige Konzept wurde von Kotler/Bliemel (2001) um die Konzeptionsebene des

Kernnutzens erweitert. In aufsteigender Folge muss jede der fünf Ebenen weitere Zusatznutzen bieten. Sie umfassen den Kernnutzen, das "Basisprodukt", das "erwartete Produkt", das "augmentierte Produkt" und das "potenzielle Produkt". Die Ebenen sind hierarchisch zu sehen, das heißt sie stellen eine Wertsteigerungsfolge dar.

Das Total Product Concept kann auch für die Planung von Dienstleistungen im Bank- oder Versicherungsbereich eingesetzt werden. Zuerst muss der Kernnutzen definiert werden, das heißt die Leistungskomponente, die ein Kunde kauft. Im Falle einer Versicherung kann dies der Versicherungsschutz sein, bei einer Bank die Veranlagung von Geld. In weiterer Folge muss der Kernnutzen in mindestens ein Basisprodukt umgesetzt werden. Es transferiert den Kernnutzen in ein entsprechendes Produkt.

Auf der dritten Konzeptionsebene muss sich der für die Produktpolitik verantwortliche Marketingmanager mit dem erwarteten Produkt beschäftigen, das heißt den Produkteigenschaften, die Käufer im Normalfall erwarten, wenn sie das Leistungsangebot kaufen. Wenn Banken und Versicherungen nur das Minimum an erwarteten Leistungen bieten, wird ein Käufer ohne besondere Präferenzen das für ihn günstigste Angebot auswählen. Auf der vierten Konzeptionsebene muss sich der verantwortliche Marketingmanager mit dem augmentierten Produkt befassen, das heißt sich ein Leistungsangebot überlegen, mit dem die Kundenerwartungen nicht nur erfüllt, sondern sogar übertreffen werden können.

Der Wettbewerb zwischen den Anbietern spielt sich größtenteils auf der Ebene des augmentierten Produkts ab. Eine Differenzierung wird erst durch das augmentierte Produkt möglich. Auf dieser Ebene muss ein Finanzdienstleister nach Möglichkeiten zur wettbewerbswirksamen Erweiterung seines Angebots suchen. Der Wettbewerb spielt sich nicht auf der Ebene des Grundnutzens ab, sondern bei dem, was einen relevanten Mehrwert für die Kunden hat. Im Bankenbereich kann das zum Beispiel eine individuelle Kundenberatung sein. Für die zielgruppengerechte Entwicklung des augmentierten Produkts muss man sich daher mit dem gesamten Konsum system seiner Käuferzielgruppen beschäftigen.

Die große Herausforderung stellt der Trade-Off zwischen zusätzlichen Leistungen und Kosten dar. Es muss daher für jede angedachte Mehrleistung die Frage gestellt werden, inwieweit die Kunden auch bereit sind, extra zu bezahlen. Eine zweite Herausforderung ist die Tatsache, dass sich ein augmentierter Nutzen relativ rasch zum erwarteten entwickelt, was bedeutet, dass Unternehmen nie still stehen dürfen, sondern ihrem Angebot immer wieder weitere nutzenstiftende Zusatzeigenschaften beifügen müssen. Da Unternehmen mit der Augmentierung ihres Produkts zumeist auch die Preise anheben, kann es für Wettbewerber vorteilhaft sein, das erwartete Minimalprodukt zu einem deutlichen niedrigeren Preis anzubieten. Diese Philosophie erklärt die Entwicklung der Online-Banken.

Auf der fünften Ebene steht das potenzielle Produkt mit all den Zusatznutzen und Gestaltungsmöglichkeiten, mit denen es zukünftig ausgestaltet werden könnte. Fortschrittsorientierte Finanzdienstleister arbeiten laufend an Produktverbesserungen und -weiterentwicklungen.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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