Effectuation

Vor der Aufklärung wurden Entscheidungen nicht nur aufgrund von rationaler Abwägung, sondern auch intuitiv getroffen. Als Folge der Aufklärung setzte sich die Vernunft als weitgehend alleiniges Entscheidungskriterium durch und hielt auch in der entstehenden Betriebswirtschaftslehre in Form der kausalen Entscheidungslogik Einzug. Bei dieser Logik versucht ein Unternehmen, die ungewisse Zukunft durch systematische Analysen und fundierte Prognosen zu planen und gemäß dieser Planung zu handeln. Die kausale Entscheidungslogik geht davon aus, dass ein Unternehmen nur bei prognostizierbarer Zukunft geführt werden kann. Das passt für die Mehrheit der Unternehmen, die auf bestehenden Märkten tätig sind. Es passt aber nicht mehr ganz für Unternehmen, die auf neuen noch unbekannten Märkten tätig werden wollen und solche, deren Märkte sich gravierend verändern.

Transformative Entscheidungslogik

Sobald ein Entrepreneur auf neuen Märkten mit unbekannten Produkten auftreten oder auf neu entwickelte Prozesse, innovative Vertriebswege und kreative Preisschemata setzen will, wo das Ergebnis nicht von der Marktforschung erhoben und damit nicht prognostizierbar ist, setzt Effectuation auf andere Entscheidungs- und Handlungsansätze. Effectuation basiert auf der transformativen Entscheidungslogik, die davon ausgeht, dass all das, was steuernd beeinflusst werden kann, nicht prognostiziert werden muss. Demgemäß wird die Zukunft als nicht vorhersehbar betrachtet. Sie kann allerdings gestaltet werden. Im Vordergrund steht dabei die Mittelorientierung als Basis für das Handeln: Die verfügbaren Ressourcen bestimmen, welche Ziele angestrebt werden. Auch die Risiko-Einstellung ist anders. Nicht der erwartete Ertrag, sondern der leistbare Verlust bestimmt, welche unternehmerischen Maßnahmen gesetzt werden.

Effectuation wurde von Saras D. Sarasvathy, einer Professorin an der University of Virginia, entwickelt und in ihrem Buch "Effectuation: Elements of Entrepreneurial Expertise" (2008) ausführlich behandelt. Ausgangspunkt ist eine Untersuchung des Entscheidungsverhaltens von "erfahrenen" Entrepreneuren, die mit einer gänzlich neuen Geschäftsidee mit hoher Unsicherheit reüssierten. Das Neue muss kein Produkt sein, sondern kann auch das Schaffen eines neuen Marktes, das Entwickeln neuer Prozesse oder Vertriebswege oder das Gestalten neuer Preisschemata sein.

Fünf Prinzipien

Die Effectuation-Logik basiert auf fünf Prinzipien.

- Ausgangspunkt für eine Entscheidung zur Schaffung von etwas Neuem sind gemäß dem Bird-in-hand-Prinzip die vorhandenen Ressourcen.

- Das Affordable-loss-Prinzip besagt, dass der Entrepreneur sich vorab die Höhe des Verlusts überlegt, den er gerade noch akzeptieren kann. Hier geht er von seiner aktuellen Lebenssituation, finanziellen Lage und Risikobereitschaft aus. Entrepreneure sind laut Sarasvathy aktiv, äußerst kostenbewusst und weitgehend risikoaversiv.

- Gemäß dem Crazy-quilt-Prinzip schließt der Entrepreneur frühzeitig Bündnisse mit Dritten, die sich an der Schaffung des Neuen beteiligen wollen. Diese bestimmen durch ihr Engagement das Vorgehen mit und sollen die inhärente Unsicherheit reduzieren.

- Unerwartete Umstände werden als Gelegenheit und nicht nur als Störfaktor gesehen. Nach dem Lemonade-Prinzip gilt es zufällige Ereignisse für neue oder geänderte Geschäftschancen zu nutzen: "When life gives you lemons, make lemonade".

- Zukünftige Entwicklungen werden gemäß dem Pilot-in-the-plane-Prinzip selbst gesteuert. Der Gegensatz von kausaler Logik, die auf vorhersagbare Aspekte einer unsicheren Zukunft fokussiert, und Effectuation, die sich auf beherrschbare Aspekte einer nicht vorhersagbaren Zukunft konzentriert, zeigt sich hier besonders klar.

Entsprechend zum Bezug auf "Neues", "Unbekanntes" und "Nicht-Prognostizierbares" ist Effectuation zum einen vor und bei Unternehmensgründungen einsetzbar. Doch auch für etablierte Unternehmen ist der Ansatz hilfreich, zum Beispiel bei der Internationalisierung oder bei neuen Geschäftsmodellen mit veränderten Produktions- und/oder Marketingprozessen.

Der Einsatz von Effectuation hängt nicht vom Wirtschaftszweig oder der Unternehmensgröße ab, sondern ausschließlich von den ungewissen Bedingungen neuer Märkte oder den ungewissen Veränderungen derzeitiger Märkte. Diese Ungewissheit herrscht heute auf den Finanzmärkten vor.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
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