Rechtsfragen

Wenn's ums Geld geht - Sparkasse: Besser nicht?

Hartmut Glenk, Direktor, Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft (IGB), Siegen/Berlin

Offenbar hat es sich bei Kreditinstituten, insbesondere einer Sparkasse im südwestfälischen Raum, immer noch nicht herumgesprochen, dass Schlampigkeit in kleinen Sachen auf den Gesamtzustand des Unternehmens schließen lassen kann. Es hätte peinlich genug sein müssen, in bank und markt "verewigt" zu werden, weil man einem Doktoranden ein von ihm geliehene schöne DVD-Dokumentation "Banken außer Kontrolle", trotz zahlreicher Aufforderungen partout nicht zurückgeben wollte. Da musste erst der Gerichtsvollzieher in die Vorstandsetage: Sparkasse Siegen - außer Kontrolle? (bank und markt 5/2017). Die Rechnung für die Rechtsverfolgungskosten dieser Farce ist dem Vernehmen nach zwischenzeitlich bei dem Kreditinstitut, das sich dieses Jahr für sein 175-jähriges Bestehen feiern lässt, eingegangen. Ob sie auch bezahlt wird, ist eine andere Frage, nicht nur eine des Anstands.

Dieses Finanzinstitut fällt jetzt erneut auf: Pfändungsfreie Beträge werden - möglicherweise organisiert - vom P-Konto eines Sozialleistungsempfängers an Gläubiger überwiesen. Im aktuellen Fall handelt es sich um 20,00 Euro, die der Hilfebezieher über einen Zeitraum von zwei Monaten nicht von seinem Konto abgehoben hatte. Dann wurde gebucht: Wertstellung ja, verfügbar: nein. Die Erklärung auf Widerspruch hin und nach Rücksprache mit der Rechtsabteilung ist unbefriedigend: Sozialleistungen, über die nicht sofort nach Gutschrift, mindestens innerhalb von zwei Monaten, verfügt sei, müssten für den Gläubiger separiert und im dritten Monat an ihn ausgezahlt werden.

Ein tiefgreifendes Missverständnis des geltenden Rechts: Der von Gesetzes wegen geschützte Pfändungsfreibetrag steht dem Kontoinhaber als "Sockelbetrag" oh-ne Weiteres zu seiner freien Verfügung: Seit dem 1. Juli 2017 sind das 1 139,99 Euro. Sozialleistungen betragen für Alleinstehende seit dem 1. Juli 2017 409,00 Euro zuzüglich Kaltmiete von maximal 250,00 Euro plus Heizung und liegen damit regelmäßig unter der Pfändungsfreigrenze. Ergo: Es ist unerheblich, ob und wann Sozialleistungen abgehoben werden, solange das Kontoguthaben den pfändungsfreien Betrag nicht übersteigt.1) Nur überschießendes Guthaben darf im dritten Monat nach Buchung separiert werden. Beträge bis zum gesetzlichen Sockelbetrag sind nicht nur mit "Wertstellung", sondern als "verfügbar" zu buchen und auf Verlangen auszuzahlen.

Sollen P-Kunden weggemobbt werden?

Ob eine Sparkasse seriös handelt, wenn sie Beträge, seien sie auch noch so gering, von Sozialschwachen einbehält, ist zu hinterfragen: Die Höhe des veruntreuten Betrages spielt für das, was rechtens und was seriös ist, keine Rolle. Neben Rechtsfragen kann man darüber philosophieren, welche tatsächliche Relevanz § 2 II S. 2 SpakG NRW (Stand 01. August 2017) "Versorgung der wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreise" überhaupt noch hat. Das Einbehalten von pfändungsfreien Beträgen ist an sich schon rechtswidrig und keinesfalls eine Petitesse.

Im aktuellen Fall wurden die 20,00 Euro dem Pfändungsgläubiger auch tatsächlich überwiesen. Das bringt eine neue Rechtsqualität mit sich: Untreue oder Unterschlagung; Vermögensbetreuungspflicht und Handeln wie der Eigentümer? Der Inhaber eines P-Kontos ist zunächst einmal Kunde, ob er vermögend ist oder nicht, spielt keine Rolle. Dann ist er Gläubiger des Kreditinstituts. Ob die Weigerung, ein Guthaben auszuzahlen und das Verkehren der gesetzlichen Schutzvorschrift in ihr Gegenteil vorsätzlich oder leichtfertig geschieht, ist unerheblich - ein Staatsanwalt mag wegen Geringfügigkeit einstellen, aber wohl kaum wegen fehlenden öffentlichen Interesses.

Schwer wiegt auch der Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht und die Missachtung des "besonderen Vertrauensverhältnisses" zwischen Bank und Kunde, AGB-Sparkassen Nr. 1 I: "Geschäftsbeziehung als Vertrauensverhältnis". Hierfür hat das Kreditinstitut - auch für fahrlässiges Verhalten seiner Mitarbeiter - einzustehen, gemäß AGB-Sparkassen Nr. 19 I. Unappetitlich würde es, wenn durch Schludrigkeit oder DV-Programmierung die Unwertschätzung eines nicht unerheblichen Bevölkerungsteils zum Ausdruck käme oder "P-Kunden" weggemobbt werden sollten. Eine Mutter mit Kindern kann sich bei Überweisung an und für sich geschützter (Klein-)Beträge ein Geburtstagsgeschenk womöglich nicht mehr leisten.

Hier hat die Bankenaufsicht nachzuhaken: Gemäß § 6 KWG liegt dann ein "erheblicher" Organisationsmangel vor. Die Konsequenzen haben die Vorstandsmitglieder als Geschäftsleiter zu tragen. Soweit die Sparkasse Siegen nach wie vor "außer Kontrolle" sein sollte, dürfte sich der Zustand schlagartig bessern, wenn das für die Organisation verantwortliche Vorstandsmitglied zum "Aufsichtsgespräch" gebeten wird. Wenn's um Geld geht: Sparkasse - oder lieber nicht?

Hartmut Glenk, Direktor, Heinz Bauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter, beide Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft (IGB), Siegen/Berlin

Fußnote

1) So schon, umfassend: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Zwangsvollstreckung, 2. Auflage, Baden-Baden 2013, § 850 k ZPO Rn.12 ff.

Hartmut Glenk , Direktor, Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft (IGB), Siegen/Berlin
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