Lebensversicherung - nicht tot, aber schwierig

Die deutschen Versicherer haben im Jahr 2017 mit Beitragseinnahmen von 197,7 Milliarden Euro insgesamt in allen Sparten besser abgeschnitten, als vor einem Jahr erwartet. Dieses Fazit zum Versicherungsjahr 2017 hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV), Berlin, gezogen.

bAV gewinnt an Bedeutung

Das gerade für Banken so wichtige Geschäft mit Lebensversicherungen blieb aber auch 2017 schwierig. Mit Beitragseinnahmen von 90,7 Milliarden Euro lagen die Beitragseinnahmen hier zwar annähernd auf Vorjahresniveau (minus 0,1 Prozent). Allerdings waren sowohl das Geschäft gegen laufenden Beitrag (minus 4,6 Prozent auf 5,2 Milliarden Euro) als auch das Einmalbeitragsgeschäft (minus 0,5 Prozent) weiter rückläufig - wenn auch der Rückgang bei den Einmalbeiträgen weniger deutlich ausfiel, als noch vor einem Jahr erwartet.

Stabilisiert wurde das Geschäft der Lebensversicherer somit vor allem durch die betriebliche Altersvorsorge, die 2017 weiter an Bedeutung gewonnen hat. Hier erhöhte sich die Anzahl der Verträge um 1,9 Prozent auf 15,7 Millionen Verträge. Die Anzahl der Direktversicherungsverträge in der bAV hat erstmals die Schwelle von 8 Millionen Verträgen überschritten. Mittlerweile entfallen 17,9 Prozent der Gesamtverträge in der Lebensversicherung auf die betriebliche Altersvorsorge.

Die Neugeschäftsentwicklung in der bAV bezeichnet GDV-Präsident Dr. Wolfgang Weiler als "sehr erfreulich": Das Einmalbeitragsgeschäft stieg um 21,2 Prozent auf 4,5 Milliarden Euro, das gegen laufenden Beitrag um 2,3 Prozent auf 1,58 Millionen Euro. Umgerechnet auf die in der Versicherungsbranche übliche Maßzahl Annual Premium Equivalent (APE), definiert als die Summe der laufenden Prämien aus Lebensversicherungen plus ein Zehntel der Einmalbeiträge, entspricht dies einem Neugeschäftszuwachs von rund 6,0 Prozent. Mit einem Beitragsvolumen von 19,4 Milliarden Euro macht die bAV mittlerweile 21,3 Prozent an den Beitragseinnahmen der Lebensversicherer aus. Im Jahr 2000 waren dies noch 12,7 Prozent.

Neue Garantiemodelle machen fast die Hälfte des Leben-Neugeschäfts aus

Der Trend zu neuen Produkten ist offenbar noch deutlich stärker als erwartet. Ihr Anteil an den neuen Verträgen ist deutlich gewachsen.

- Mittlerweile macht der Anteil von Produkten, die auf modifizierte Garantien setzen, 49,7 Prozent am Neugeschäft in APE aus.

- Im Gegenzug sank der Anteil der "alten Klassik", also der Produkte mit Garantiezins bis zum Ende der Bezugszeit, auf 40,6 Prozent der APE an den neuen Rentenpolicen.

- Reine Fondspolicen ohne Garantien machten lediglich einen Anteil von 9,7 Prozent am Neugeschäft aus.

Aus diesen Zahlen lässt sich ablesen, dass Garantien im deutschen Markt auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Eine Wende zu völlig garantiefreien Produkten sieht der GDV weiterhin nicht. Vielmehr würden die Versicherer mit neuen Garantiemodellen den Bedürfnissen der Kunden nach Sicherheit Rechnung tragen.

Der Markt wird heterogener

Trotzdem - auch das räumt der Branchenverband ein - wird der Markt dadurch heterogener und werden Produktvergleiche anspruchsvoller. Und damit steigen die Anforderungen an die Vermittler. Inwieweit sich dieser Trend mittelfristig auf die Bedeutung der Lebensversicherung für die Altersvorsorge in Deutschland auswirken wird, lässt sich vermutlich nicht absehen. Immerhin ist nicht auszuschließen, dass sie sich weiter abschwächen wird.

Ein wichtiger Grund für den großen Erfolg der Lebensversicherung in Deutschland waren in der Vergangenheit schließlich die Langzeitgarantien, die das Produkt leicht verständlich und wenig erklärungsbedürftig machten. Und "Standardprodukte", bei denen es wenig zu erklären und Risiken abzuwägen gilt, verkaufen sich nun einmal einfacher als erklärungsbedürftige, komplexe Produkte. Diesen Vorteil büßt die Lebensversicherung durch den Umbau der Produktpalette zweifellos ein.

Inwieweit die Vertriebe in der Lage sein werden, die gestiegene Komplexität durch entsprechende Beratungsangebote zu kompensieren, muss sich vermutlich erst im Lauf der Zeit herauskristallisieren.

Bescheidene Absatzerwartungen

Bei Neugeschäftserwartungen 2018 ist der GDV jedenfalls zurückhaltend: Zwar eröffnet die rekordhohe Beschäftigtenzahl in Deutschland den Lebensversicherern Wachstumschancen in der privaten Altersvorsorge. Allerdings bremsen die niedrigen Zinsen gleichzeitig die Sparneigung.

Unter dem Strich erwartet die Branche deshalb in der Lebensversicherung (einschließlich Pensionskassen und Pensionsfonds) einen Rückgang von etwa 0,3 Prozent, der vor allem davon abhängt, wie stark das Einmalgeschäft weiter zurückgeht. Die Prognose hier lautet minus 1,0 Prozent. Beim laufenden Beitrag erwartet die Branche eine stabiles Beitragsvolumen (etwa +/- 0,0 Prozent). Entscheidender Faktor für die Entwicklung des Neu- und Einmalbeitragsgeschäfts ist aus Sicht der Branche nach wie vor die Zinsentwicklung. Daran ändert der Umbau der Produkte in Richtung einer stärkeren Kapitalmarktorientierung offenbar nichts.

Zinszusatzreserve überarbeiten

Daran knüpft der Branchenverband zugleich eine Forderung an die Politik: Wegen des andauernden Niedrigzinsumfelds müsse eine Änderung der Zinszusatzreserve in den Fokus rücken, um zu verhindern, dass die bisherige Berechnungsformel die Versicherungsunternehmen überfordert. Eine Überarbeitung, so die Mahnung, ist auch deswegen angebracht, da die Formel - verglichen mit heute - in einem Hochzinsumfeld, jedenfalls aber auf Basis ganz anderer Zinsszenarien entwickelt wurde, als sie inzwischen eingetreten sind. Damit, so Weiler, ist die Zinszusatzreserve nicht mehr zeitgemäß.

Immerhin ist die Zinszusatzreserve auch 2017 weiter um "mindestens 16 Milliarden Euro" angestiegen. Insgesamt hat die Branche inzwischen rund 60 Milliarden Euro zurückgestellt. Auch für 2018 wird mit einem weiteren Anstieg gerechnet.

In Sachen Rentenpolitik fordert der GDV sicher zu Recht mehr Verlässlichkeit. Aus der angebrachten Kritik spricht natürlich das gesunde Eigeninteresse der Assekuranz. Dass "Haltegrenzen" für Beitrag und Mindestniveau der Rente sowie die Überfrachtung der gesetzlichen Rente mit immer neuen Aufgaben (vermutlich trügerische) Erwartungen wecken (und damit bei vielen Menschen gerade nicht die Vorsorgebereitschaft fördern), ist aber eine Wahrheit, die sich in 20 oder 30 Jahren bemerkbar machen wird - wenn es zu spät ist, heutige Fehlentscheidungen oder eben auch nicht getroffene Vorsorgeentscheidungen zu korrigieren. Die Forderung, lieber die zweite und dritte Säule der Altersvorsorge zu stärken, ist insofern mehr als nur Lobbyarbeit.

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz sieht der Verband dabei nur in Teilen als richtigen Schritt. Nach Ansicht der Assekuranz wird es auch hier darauf ankommen, den Kunden bei den neuen Angeboten Sicherheiten anzubieten, obwohl von garantierten Mindestleistungen ausdrücklich abgesehen wird. Bis es entsprechende tarifliche Lösungen in der bAV geben wird, so die eher skeptische Erwartung, wird es noch eine längere Zeit dauern.

Zu Konzepten in Sachen "Standardprodukt" à la Deutschland-Rente merkt Weiler an: "Der Staat kann nicht gleichzeitig Aufseher und Konkurrent sein." Außerdem solle vielleicht zunächst das Vereinfachungspotenzial bei der Riester-Rente genutzt werden, ehe ein neues Produkt auf den Vorsorgemarkt geworfen werde.

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