LVRG-Evaluation: Kommt der Provisionsdeckel?

Das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) hat die Vergütungen in der Versicherungsvermittlung 2017 wie vom Gesetzgeber gewünscht deutlich abgesenkt: Je nach Vertriebsweg sind die Abschlussprovisionssätze von 2015 bis 2017 um bis zu 18 Prozent gesunken. Das hat Willis Towers Watson im Sommer 2017 gemeinsam mit Professoren der Fachhochschule Dortmund ermittelt.

Gleichzeitig werden in vielen Fällen die Provisionen zeitlich stärker gestreckt und Stornozeiträume auch über die gesetzliche Stornohaftungszeit von fünf Jahren hinaus vertraglich verlängert. Ziel ist es, weniger den Abschluss und verstärkt die dauerhafte Betreuung der Kunden zu honorieren, um damit zum Beispiel keine Anreize zu geben, Kunden in einen Wechsel hinein zu beraten, um dadurch Provisionen zu erzielen. Diese Zielsetzung ist bei Anbietern wie auch Vertrieben gleichermaßen grundsätzlich akzeptiert.

LVRG-Evaluation steht an

Im laufenden Jahr steht nun die Überprüfung des Gesetzes an. So war es schon bei dessen Inkrafttreten am 6. August 2014 beschlossen. Nach der Evaluation will der Gesetzgeber entscheiden, ob beziehungsweise wie nachgebessert werden muss. Dass es ein "LVRG II" geben wird, ist damit relativ wahrscheinlich. Nun treibt Versicherer und Vermittler die Sorge um, welche Maßnahmen hier möglicherweise beschlossen werden könnten, wenn der Gesetzgeber zu dem Schluss kommt, dass die Branche nicht genug getan hat, um die Abschlusskosten zu senken, wie es das Ziel des Lebensversicherungsreformgesetzes war.

Verbraucherschützer werden im Kontext der neuerlichen Diskussion vermutlich erneut für ein vollständiges Provisionsverbot kämpfen, das der Gesetzgeber beim LVRG 2014 bewusst nicht in den Gesetzestext geschrieben hat. Auch wenn es dabei bleiben sollte, wird jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach das Stichwort "Provisionsdeckel" wieder aufs Tapet kommen.

Provisionen noch stärker verteilen?

Zwar sind die Abschlusskosten durch die Absenkung des Höchstzillmersatzes von 40 auf 25 Promille bereits seit 2015 begrenzt. Es ist aber gut möglich, dass noch stärkere Eingriffe erwogen werden. Als Vorbild könnte etwa die Deckelung der Provisionen auf maximal neun Monatsbeiträge dienen, wie sie in der privaten Krankenversicherung gilt.

Vor einem solchen Markteingriff hat MLP-Chef Uwe Schroeder-Wildberg anlässlich der Jahrespressekonferenz gewarnt. Weil Beratung nun einmal Geld kostet, würde mit einem Provisionsdeckel ein "08/15- Produktverkauf" gefördert, weil eine individuelle Beratung dann nicht mehr finanzierbar wäre. Um die Qualität der Beratung weiter zu erhöhen, plädiert er für "marktnahe Lösungen, die Qualität honorieren können". Ein sinnvoller Lösungsansatz könne zum Beispiel eine noch stärkere Verteilung der Provisionen über die Zeit sein.

Auch an dieser Stelle gibt es aber vermutlich Grenzen. Denn wenn die Provisionen zu stark gestreckt werden, könnte die Einkommenssituation für Berater schwierig werden. Ein Mindestanteil der Abschlussprovisionen wird deshalb wohl auch weiterhin sofort gezahlt werden müssen. Wäre das nicht der Fall, könnte das Beratungsangebot perspektivisch deutlich zurückgehen. Denn wenn neue Berater sich zwar permanent weiterbilden müssen, für all den Aufwand jedoch erst nach mehreren Jahren eine gewisse Einkommensperspektive haben, macht das den Beruf für Neueinsteiger sicher nicht attraktiver. Die Beraterzahlen würden dann weiter absinken.

Stornohaftung staffeln?

Auch eine weitere Verlängerung der Stornohaftung stößt irgendwann an Grenzen der Sinnhaftigkeit und damit vermutlich auch der Akzeptanz. Ziel ist es auch dabei, die Kunden davor zu schützen, dass Berater ihnen wenig passende Verträge empfehlen, von denen sie sich dann schnell wieder trennen. Je länger freilich ein Abschluss her ist, desto mehr steigen auch die Chancen, dass sich Lebensumstände (oder auch Einstellungen des Kunden) verändern und ein ursprünglich sinnvoller Vertrag vielleicht deshalb nicht mehr passt.

Hier wird der Gesetzgeber sorgfältig abwägen müssen, wie weit die zeitliche Grenze gezogen werden kann, bis zu der eine Vertragskündigung auf schlechte Beraterleistung zurückzuführen ist oder vielleicht ganz andere Gründe hat. Eine Vertragskündigung nach zehn Jahren etwa wird zumindest nicht immer einer falschen Beratung zugerechnet werden können. Wenn die Stornohaftung erneut neu geregelt werden solle, wäre hier vielleicht eine Staffelung im Zeitablauf sinnvoll.

Ausnahmen für die Stornohaftung bei der bAV

Denkbar wäre es vielleicht darüber hinaus, über Sonderregelungen für bestimmte Fälle nachzudenken, die vermutlich vor allem im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge auftreten können. Ein Beispiel für einen solchen bAV-Sonderfall nennt MLP-Vorstand Reinhard Loose: So habe ein Berater mit einem mittelständischen Unternehmenskunden rund ein Jahr an der Aufsetzung eines eigenen bAV-Konzepts gearbeitet. Ein Jahr nach dem erfolgten Abschluss - also innerhalb der gesetzlichen Stornohaftungszeit - wurde das Unternehmen von einem größeren Konzern übernommen, mit der Folge, dass die eigene betriebliche Altersvorsorge des Mittelständlers im Zuge der Integration auf das bAV-Konzept des neuen Mutterkonzerns umgestellt wurde.

Die Frage, ob dies wirklich ein Fall für eine berechtigte Stornohaftung ist, ist an dieser Stelle sicher berechtigt, hat doch die Vertragsumstellung nichts mit guter oder schlechter Beraterleistung zu tun. Weshalb soll also der Berater haften, wenn sein Unternehmenskunde einen neuen Eigentümer erhält?

Zweifellos kann der Gesetzgeber niemals alle denkbaren Sonderfälle im Blick haben. Doch gerade, wenn es das Ziel der Politik ist, die betriebliche Altersvorsorge zu fördern (und dazu dient schließlich das Betriebsrentenstärkungsgesätz), dann sollte sie die Vertriebe, die Unternehmen an dieser Stelle beraten, nicht unangemessen belasten. Ohne Beratung werden vor allem kleinere Unternehmen, bei denen bAV- Angebote bekanntlich unterdurchschnittlich oft angeboten werden, gewiss keine entsprechenden Angebote einführen. Tarifliche bAV-Konzepte, wie sie das Betriebsrentenstärkungsgesetz vorsieht, sind dafür auch nur sehr bedingt eine Lösung.

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