Das LVRG greift - die Provisionen sinken

Abbildung 1: Abschlussprovisionen in der Lebensversicherung nach Vertriebsweg (Angaben in Prozent) bank und markt Grafik - Quelle: Willis Towers Watson

Kurz vor der Verabschiedung der neuen Vermittlerrichtlinie IDD im Bundestag, mit der der Gesetzgeber dafür sorgen will, dass die Beratungsleistung verbessert und Abschlusskosten noch transparenter dargestellt werden, haben Willis Towers Watson und die Fachhochschule Dortmund die diesjährige Studie "Provisionen & Courtagen in der Versicherungsvermittlung" veröffentlicht.

Provisionen über alle Vertriebswege hinweg gesunken

Daraus geht hervor, dass der Druck auf die Abschlusskosten, den das 2014 in Kraft getretene Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) erzeugen sollte, in den Provisionsvereinbarungen der Vermittler und Makler spürbar angekommen ist. Wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, wurden die Vergütungen in der Versicherungsvermittlung 2017 demnach deutlich abgesenkt, ohne dass im Gegenzug eine Kompensation über andere Versicherungssparten erfolgt.

Während in der Kompositversicherung, also Sach-, Haftpflicht-, Unfall- und Kfz-Versicherung, im Vergleich zu 2015 nahezu unveränderte Provisionssätze festzustellen sind, berichten fast alle befragten Vermittler, dass ihre Provisionsvereinbarungen aufgrund des LVRG angepasst wurden oder eine Anpassung geplant ist. Dabei werden in der Ausschließlichkeit am häufigsten Anpassungen der Stornohaftungszeit, bei Maklern und Mehrfachvertretern die Absenkung des Abschlussprovisionssatzes als gewählte Maßnahmen genannt. Relativ oft kommt auch eine teilweise Umverteilung der einmaligen Abschlussprovision in die Laufzeit vor. Im Schnitt reduzierten die in Deutschland tätigen Lebensversicherer ihre Abschlussprovisionssätze je nach Vertriebsweg um 1,5 bis 7,0 Promille. Im Ausschließlichkeitsvertrieb liegt der Provisionssatz heute bei 25 Promille, das sind 1,5 Promille weniger als in der Vergleichsstudie vor zwei Jahren, als die Umsetzung des LVRG noch in einem sehr frühen Stadium war. Bei Maklern betrug der Rückgang rund sieben Promille auf 32,1 Promille, bei Mehrfachvertretern rund 5,5 Promille auf 30,7 Promille.

Häufiger als vor zwei Jahren finden sich in der aktuellen Erhebung auf die Laufzeit verteilte Abschlussprovisionen. Rund jeder zweite Versicherungsmakler und Mehrfachvertreter und rund jeder vierte Ausschließlichkeitsvertreter gibt solche Vergütungen an.

Hinzu kommen bei der Mehrheit der Makler und Mehrfachvertretern Bestandsvergütungsprovisionen, die typischerweise zwischen einem und zwei Prozent der laufenden Jahresprämie betragen. Sie kommen im Ausschließlichkeitsvertrieb seltener zum Tragen.

Stornohaftung: Ungleichbehandlung von Beratern und Vermittlern

Signifikant angestiegen sind auch die Stornohaftungszeiten: Die gesetzliche Stornohaftungszeit von fünf Jahren wird zunehmend vertraglich angehoben und sogar überschritten. In der Ausschließlichkeit haben Vertreter erst nach etwas über sechs Jahren, Makler und Mehrfachvertreter nach knapp sechs Jahren ihre vollständige Abschussprovision verdient. Endet ein Versicherungsvertrag früher, muss eine anteilige Abschlussprovision zurückgezahlt werden. Das gilt unabhängig vom Grund für die vorzeitige Beendigung, also auch dann, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrages nichts mit der Beratung zu tun hat. Das ist nach jetzigem Stand bei der Honorarberatung, die der Gesetzgeber fördern will, nicht vorgesehen, so wie es Prof. Michael Radtke von der Fachhochschule Dortmund, einer der Co-Autoren der Studie, betont. Diese Ungleichbehandlung der Vermittler und Berater wäre ein Nachteil, über den Kunden bei einer Honorarvereinbarung Bescheid wissen müssten.

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) bemängelt an dieser Stelle eine weitere Ungleichheit: Denn dadurch, dass die Honorarberater verprovisionierte (bruttotarifierte) Produkte anbieten und die Provisionen dann an ihre Kunden durchleiten dürfen, verschaffe der Gesetzgeber ihnen Wettbewerbsvorteile verschaffen, weil sie mit "Geld-zurück"-Angeboten werben könnten.

Weitere Parameter, die zur effektiven Senkung des nominellen Abschlussprovisionssatzes führen, sind insbesondere sogenannte Laufzeitfaktoren, die die Beitragssumme als Berechnungsgrundlage der Abschlussprovision senken. Tendenziell werden sowohl relativ kurz als auch relativ lang laufende Verträge auf diese Weise schlechter vergütet, als es der nominelle Provisionssatz erwarten ließe. Eine weitere Senkung entsteht durch eine unverzinste Einbehaltung von Teilen der Abschlussprovision als sogenannte Stornoreserve. Das zeigt der Studie zufolge, dass die Abschlusskosten der Lebensversicherer keineswegs nur aus Provisionen bestehen. Wenn der Druck auf die Abschlusskosten wirksam werden solle, müssten auch andere Kostenpositionen der Versicherer überprüft werden.

BVK: "Die Schmerzgrenze ist erreicht"

Für den Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute ist mit der Kombination aus einer deutlichen Absenkung der Provisionen, Verlagerung hin zu laufender Vergütung, bei gleichzeitiger Erhöhung der Zeiten für die Stornohaftung die Schmerzgrenze erreicht. Weitere Belastungen dürfe es nicht mehr geben. Vielmehr fordert der BVK im Hinblick auf die anstehende Evaluierung des LVRG im kommenden Jahr eine Kompensation für die entgangenen Einnahmen. Denn auch in Zukunft müsse eine angemessene Vergütung sichergestellt sein, um eine hohe Beratungsqualität zu gewährleisten.

Das sehen auch die Autoren der Studie so. "Mehr Beratungsaufwand muss auch bezahlt werden. Wer die Anforderungen steigert und gleichzeitig die Vergütungen weiter senkt, verursacht einen Rückgang der Beratungskapazitäten", so Prof. Matthias Beenken von der Fachhochschule Dortmund. Dadurch würden sich die Vermittler und Berater künftig stärker auf vermögende Kunden fokussieren.

Die Forderung nach einer angemessenen Vergütung ist vielleicht auch vor dem Hintergrund des Urteils des OLG München im Fall Check24 interessant. Denn die Richter stellten klar, dass auch beim Online-Vertrieb von Versicherungen, beispielsweise über Plattformen, die gleichen Beratungspflichten gelten wie in der persönlichen Beratung. Ob wirklich jeder Kunde, der über digitale Kanäle eine Versicherung abschließen möchte, eine Beratung wünscht, ist dagegen eine ganz andere Frage.

Handlungsbedarf bei Zusatzvergütungen?

Handlungsbedarf sehen die Studienautoren im Bereich der Zusatzvergütungen: Solche erfolgsabhängigen Zusatzvergütungen sind vor allem dann problematisch, wenn sie dazu führen, dass Versicherungsvermittler andere Verträge anbieten, als es für den Kunden in der jeweiligen Situation empfehlenswert wäre. Vergütungsformen einzusetzen, die mit der Pflicht kollidieren, im bestmöglichen Kundeninteresse zu handeln, wird mit der bevorstehenden Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) nicht mehr zulässig sein. Nach dem Verhaltenskodex der Versicherer hätten sie ohnehin längst verschwunden sein müssen. Dieser Verhaltenskodex wurde bereits im Jahr 2012 verabschiedet.

Am weitesten verbreitet sind solche Sondervergütungen in der Lebensversicherung. Im Ausschließlichkeitsvertrieb wird der Anteil der Vermittler mit erfolgsabhängigen Sondervergütungen mit 59 Prozent angegeben, bei den Mehrfachvertretern sind es 26 Prozent und unter den Maklern zehn Prozent.

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