Modetrend "biometrische Produkte"

Immer mehr Versicherer verabschieden sich von den klassischen Garantien in traditionellen Lebensversicherungen oder bieten diese nur noch auf ausdrückliche Nachfrage seitens der Kunden an. Argumentiert wird dabei primär mit den besseren Renditeerwartungen für die Kunden. Doch der eigentliche Vater des Wandels ist vermutlich eher die Tatsache, dass sich die klassischen Garantien für viele Anbieter im heutigen Niedrigzinsumfeld als hohe Bürde für viele Versicherer erweisen.

Das neue Zauberwort heißt deshalb "Biometrie-Produkte". Dabei geht es um die garantierte Absicherung der biometrischen Risiken, um ein erhöhtes Renditepotenzial durch Fondsanlage sowie um reduzierte (Zins-)Garantien aus Sicht des Versicherers.

Kapital in lebenslanges Einkommen umzuwandeln, egal, wie alt der Versicherte wird, ist dabei seit jeher das zentrale Merkmal, das die Lebensversicherung von anderen Spar- und Anlageprodukten unterscheidet. Neu ist, dass dieses Alleinstellungsmerkmal jetzt sehr viel deutlicher als bisher thematisiert wird.

Rentenbezugsphase weiterentwickeln

Großes Potenzial sieht das Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften (Ifa) in Ulm in der Weiterentwicklung der Rentenbezugsphase. Denn angesichts der heute noch langen Lebenserwartung eines Neu-Rentners könne auch zu Beginn der Rentenphase die Investition in Fonds noch sinnvoll sein, sofern Renditepotenzial und Mindestgarantien flexibel auf die Risikotragfähigkeit des Kunden abgestimmt werden.

Als weitere Innovationsmöglichkeit nennt das Ifa sogenannte "Enhanced Annuities", die auf die konkrete Gesundheitssituation des Kunden abgestimmt werden können. Wenn also bei Erkrankungen oder Eintreten des Pflegefalls die Kosten steigen, steigt bei solchen Konzepten auch die monatlich gezahlte Rente.

Vorstellbar wären dem Ifa zufolge auch Produkte mit mehr Flexibilität in der Rentenphase. Dabei würde das Guthaben auch nach Rentenbeginn individuell dem einzelnen Rentner zugeordnet. Erwirtschaftet es eine Rendite, steigt auch die Rente.

Und beim Tod des Versicherten noch verbleibendes Restguthaben könnte vererbt werden. Sollte vor dem Tod des Versicherten das Guthaben aufgebraucht sein, würde der Versicherte dennoch die Rente weiterzahlen - eine Leistung, die mit einer separaten Garantiegebühr finanziert werden müsste.

Im Kern läuft ein solcher Ansatz darauf hinaus, die Eigenschaften von "Variable Annuities" amerikanischer Prägung in "klassische" Rentenversicherungen zu integrieren.

Assistance-Leistungen in der Lebensversicherung?

Ob es hingegen sinnvoll ist, wenn die Lebensversicherer sich durch Assistance-Angebote zu positionieren suchen, wie es sie im Nicht-Leben-Bereich seit geraumer Zeit gibt, ist eine andere Frage. Hilfeleistungen für Senioren als Teil einer Rentenversicherung oder die Sorge für das "digitale Erbe" der Generation Y mögen zwar eine nette Idee sein - sie werden aber kaum ohne höhere Beiträge oder niedrigere gezahlte Renten zu haben sein. Doch gerade Beitrag und Rentenniveau sind die zentralen Kriterien für Abschlusswillige.

Um die Rentenversicherung wirklich aus dem Tief herauszubringen, braucht es vielleicht anderes. Die Betonung des biometrischen Aspekts kann vielleicht endlich die Diskussion um die Rentabilität der Versicherung im Vergleich zur Wertpapieranlage eindämmen. Und die Branche muss das Vertrauen der Kunden wiedergewinnen.

Hier müssen die neuen Garantiemodelle nicht unbedingt hilfreich sein - sie müssen ihre Vorteilhaftigkeit für den Kunden erst einmal unter Beweis stellen, und das kann eine Generation lang dauern. Zu den Biometrieprodukten zählen freilich neben der klassischen Lebens- und Rentenversicherung auch noch andere Produkte, so die Pflege- oder die Berufsunfähigkeitsversicherung. Gerade bei BU-Versicherungen ist jedoch ein Versicherungsschutz mit ausreichendem Absicherungsniveau für viele Kunden kaum finanzierbar.

Weiterentwickelte BU-Policen kein Selbstläufer

Deshalb werden verstärkt untergeordnete Produkte wie Dread Disease (für die Absicherung im Fall bestimmter Krankheiten wie Krebs oder Schlaganfall), die Absicherung von Grundfähigkeiten oder die funktionelle Invaliditätsversicherung angeboten. In der Weiterentwicklung solcher Produkte könnte ebenfalls noch einiges Potenzial stecken - allerdings dürfte es nicht ganz trivial sein, die zur Kalkulation nötigen Rechnungsgrundlagen zu erstellen.

Auch solche Produkte dürften aber im Vertrieb dem gleichen Problem begegnen, das schon bisher den wirklich flächendeckenden Durchbruch bei privaten Pflege- und Berufsunfähigkeitsversicherungen verhindert hat: das Vertrauen auf den Sozialstaat einerseits und das Misstrauen andererseits, dass derjenige, der (unter Konsumverzicht) selber vorsorgt, am Schluss der Dumme sein wird. Der demografische Wandel in Deutschland dürfte an dieser Stelle ein Übriges tun: Menschen mit eigenem Nachwuchs nämlich haben vielleicht ein Interesse daran, sich bestmöglich abzusichern, um im Alter nicht ihren Kindern auf der Tasche zu liegen. Bei der wachsenden Anzahl der Kinderlosen hingegen sieht das vielleicht ganz anders aus.

Der Fokus dürfte deshalb weiterhin auf der Lebens- beziehungsweise Rentenversicherung liegen, von der der Versicherte in jedem Fall etwas hat und die ihm nicht erst dann zugute kommt, wenn es ihm nicht mehr gut geht.

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