Vertrieb von Lebensversicherungen immer weniger lohnend

Das Geschäftsfeld Altersvorsorge ist in hohem Maße abhängig von den politischen Rahmenbedingungen. Denn wie sehr die Bevölkerung bereit ist, individuell für das Alter vorzusorgen, wird immer davon beeinflusst, welche Vorgaben der Gesetzgeber macht beziehungsweise welche Pläne dazu diskutiert werden. Und der Themenkomplex Rente und Vorsorge ist längst zum Thema für die Bundestagswahl 2017 geworden. In der Studie "Versicherungen 2025" hat Oliver Wyman deshalb zwei unterschiedliche Szenarien ausgemacht.

Szenario 1: Gesetzlich verordnete Stärkung der bAV

Im Szenario 1 beschließt die Regierung zur Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge eine Angebotspflicht für Unternehmen nach dem Opt-Out-Prinzip. Damit würden Unternehmen per Gesetz gezwungen, Mitarbeiter automatisch in ein Versorgungsmodell einzuschreiben, es sei denn, diese würden von ihrem Abwahlrecht gebraucht machen.

In diesem Szenario würden neue, übergreifende und branchenorientierte Versorgungswerke analog der Metallrente ent stehen, in denen sich die Versicherer als direkte Anbieter oder über die Rückdeckung von Versorgungszusagen engagieren können.

Unter dieser Annahme könnten die Beitragseinnahmen der Lebensversicherer von rund 94 Milliarden Euro 2014 auf 98 Milliarden Euro im Jahr 2025 steigen. Der Anteil der betrieblichen Altersversorgung im Neugeschäft würde auf 51 Prozent steigen. Im Gegenzug wäre ein Einbruch der privaten Altersvorsorge zu erwarten, falls diese nicht zeitgleich ergänzend staatlich gefördert würde.

Szenario 2: Keine Angebotspflicht für betriebliche Altersversorgung

Im Szenario 2 behält die Regierung den derzeitigen rechtlichen Rahmen bei lediglich punktuellen gesetzlichen Anpassungen im Kern aufrecht. Dann bliebe der Boom der bAV aus. Ohne Druck seitens des Gesetzgebers sind dann bis 2025 nur geringe Zuwächse zu erwarten, die nicht ausreichen, um den Rückgang in der privaten Vorsorge zu kompensieren, die aufgrund der Niedrigzinsen an Attraktivität verliert. In diesem Szenario wird für die Beitragseinnahmen der Lebensversicherer ein Rückgang um insgesamt rund vier Prozent auf 90 Milliarden Euro 2025 prognostiziert.

Gefahr für den Bankvertrieb?

Um sich gegen dies Marktentwicklung zu stemmen, müssten die Versicherer gezielt auf neue Geschäftsmodelle und Produktinnovationen setzen - etwa durch Engagements bei B2B2C-Fondsplattformen, die bisher in Deutschland von Banken dominiert würden.

Von der Frage, welches Szenario eintritt, wird auch die Rolle der Banken im Vertriebswegemix der Assekuranz abhängen.

- Dabei erwartet Oliver Wyman im Szenario 1 - also einem staatlichen Druck in Richtung bAV, der als das wahrscheinlichere Modell bewertet wird - eine deutlich abnehmende Bedeutung des Bankvertriebs ebenso wie rückläufige Bedeutung selbstständiger Agenturen. Denn dann würde der Großteil des Geschäfts nur noch über ein kostenneutrales Direktmodell sowie angestellte Mitarbeiter zur Betreuung der Versorgungswerke abgewickelt werden.

- Sollte der Gesetzgeber auf eine deutliche Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge verzichten, könnte der Bankvertrieb seinen Marktanteil im Vertriebswegemix der Lebensversicherer vermutlich weiter ausbauen.

Sinkendes Provisionsniveau

Die Provisionen für die Vermittlung von Lebensversicherungen werden jedoch wohl in jedem Fall sinken. Bis 2025 prognostiziert die Studie ein Absinken der Sätze um 50 Prozent in der betrieblichen Altersvorsorge. In der privaten Altersvorsorge könnten sie im Szenario 1 um 80 Prozent zurückgehen, bei Eintreten des Szenarios 2 um 50 Prozent. Und die zu erwartenden regulatorischen Eingriffe werden nur in begrenztem Umfang Verschiebungen zwischen Abschluss- und Bestandsprovisionen zulassen. Im Unterschied zur Lebensversicherung werden für die Schaden-/Unfallversicherung auch für 2025 Provisionssätze auf dem heutigen Niveau prognostiziert.

Die traditionell starke Konzentration der Bankassurance auf den Vertrieb von Lebensversicherungen dürfte sich diesen Prognosen in jedem Fall als wenig hilfreich erweisen. Soll der Vertrieb von Versicherungen weiterhin ein verlässlicher Provisionsbringer sein, muss hier wohl energischer als bisher umgesteuert werden.

Mehr digitaler Vertrieb von Schaden- und Unfallversicherungen

Dabei könnte sich der Studie zufolge der zunehmende digitale Vertrieb als hilfreich erweisen. Denn im Kompositgeschäft der Versicherer wird eine zunehmende Bedeutung der "unabhängigen Drittvertriebe", zu denen traditionelle Makler, digitale Makler und Aggregatoren, Banken sowie sonstige B2B2C-Kooperationen wie Automobilhersteller und neue Online-Plattformen gezählt werden. Diese "unabhängigen Drittvertriebe" könnten 2025 für mehr als die Hälfte des Neugeschäfts im Bereich Schaden-/ Unfall verantwortlich sein und wichtige Kundenschnittstellen besetzen.

Das wiederum heißt: Für Banken und Sparkassen wird es zunehmend wichtiger, Online-Abschlüsse von Versicherungsprodukten in ihren digitalen Auftritt zu integrieren und dabei die Palette der Produkte aus dem Kompositbereich stärker auszubauen. Dann bietet das in diesem Segment stabile Provisionsniveau die Chance, zumindest einen Teil des Provisionsrückgangs aus dem Vertrieb von Lebensversicherungen durch einen stärkeren Fokus auf den Verkauf von Schaden-/Unfallversicherungen zu kompensieren.

Das soll freilich nicht heißen, dass es nicht in der privaten Altersvorsorge mehr plattformfähige Produkte für den digitalen Vertrieb braucht. Denn immer noch suchen zwar viele Kunden für Vorsorgefragen die Beratung. Und der Wechsel auf neue, erklärungsbedürftige Garantiemodelle wird den Beratungsbedarf möglicherweise eher noch steigen lassen. Dennoch darf das Vertrauen auf die eigene Beratungskompetenz und den entsprechenden Bedarf des Kunden nicht den Blick darauf verstellen, dass auch beim Abschluss von Versicherungen der Bedarf nach online-fähigen Produkten für Selbstentscheider wächst.

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