Wachsende Akzeptanz von Insurtechs: Nicht das Ende des Bankvertriebs

Wahrscheinlichkeit, beim bisherigen Anbieter weitere Versicherungsprodukte abzuschließen (Angaben in Prozent) Quelle: Capgemini/Efma, Worl Insurance Report 2017

Die Vertriebsstrukturen in der Versicherungsbranche werden sich verändern, weg von den klassischen Vertriebswegen, sagt Ubbo Störmer in diesem Heft, wenn er erklärt, warum die PSD Bank Hannover zwar dem genossenschaftlichen Partner R + V nicht den Rücken kehrt, aber doch auch mit dem Versicherungs-Robo-Advisor Clark zusammenarbeitet, mit dem in Deutschland noch die ING-Diba, die niederländische NIBC direkt und N26 zusammenarbeiten.

Auch die Versicherungsbranche teilt Störmers Einschätzung. Oliver Bäte, CEO der Allianz SE, sagte in einer Rede Ende Juli: "Wir denken komplett um, was die Art und Weise angeht, wie wir unsere Kunden bedienen."

Dieses Umdenken bringt es denn auch mit sich, dass das im Mai dieses Jahres an den Start gegangene Online-Vergleichsportal für Versicherungen ohne Provision eigenen Angaben zufolge bereits Kooperationsvereinbarungen mit mehr als 70 Versicherungsgesellschaften geschlossen hat. Beim Kunden wirbt das Unternehmen mit dem Motto "Provisionen aufs Konto" und vertreibt Policen mit Nettotarifen. Alternativ können Kunden auch ihre aktuellen Versicherungsverträge in die Betreuung übertragen und erhalten die Provision abzüglich einer Gebühr von einem Euro monatlich je Vertrag zurückerstattet. Auch hier geht das Geschäft also an den klassischen Vertriebswegen vorbei. Und das ist nur ein kleiner Blick in das Marktgeschehen.

Der World Insurance Report 2017 von Capgemini und Efma, für den über 8 000 Versicherungskunden in 21 Märkten und mehr als 100 Führungskräfte in Experteninterviews befragt wurden, zeigt das rasante Wachstum der Insurtechs: Trotz ihrer selbst im Vergleich zu Fintechs noch kurzen Geschichte haben diese den Versicherungsmarkt weltweit schon jetzt verändert. Bereits 31,4 Prozent der Kunden weltweit lassen sich der Studie zufolge bereits dort versichern - entweder ausschließlich oder ergänzend zu den traditionellen Anbietern. Als Gründe für die wachsende Beliebtheit nennen die Teilnehmer der Studie unter anderem das gute Preis-Leistungs-Verhältnis sowie den schnellen und effizienten Service.

Fast jeder Dritte weltweit nutzt Insurtechs

Besonders für technikaffine Verbraucher und die Generation Y, definiert als die Altersgruppe zwischen 18 und 34, also die zwischen 1983 und 1999 Geborenen, sind Insurtechs attraktiv. Denn sie bedienen deren Bedürfnis nach einfachen, agilen und personalisierten Finanz- und Versicherungsprodukten. Das ist insofern von Bedeutung, als beide Kundengruppen zwar eine wichtige Quelle für Neugeschäft sind, aber wenig loyal gegenüber den Anbietern sind. So beträgt die Wahrscheinlichkeit, beim bisherigen Anbieter zu bleiben, der Studie zufolge für die Generation Y lediglich 48,6 Prozent gegenüber 55,0 Prozent bei den übrigen Kunden. Die Technikaffinen sind mit 51,3 Prozent zwar etwas treuer, aber doch weniger loyal als die Nichttechnikaffinen (54,7 Prozent). Beide Kundengruppen können mit den neuen Kontaktpunkten besser erreicht werden als über die herkömmlichen Vertriebswege.

Die Studie bestätigt aber auch große Chancen für die traditionellen Anbieter: Vor allem Sicherheit und Betrugsschutz (45,9 Prozent), Markenwiedererkennung (43,7 Prozent) und die persönliche Interaktion (41,6 Prozent) gelten weiterhin als starke Domänen der klassischen Versicherungsunternehmen. Auch genießen sie mit 39,8 Prozent gegenüber 26,3 Prozent bei Insurtechs weiterhin größeres Vertrauen bei Verbrauchern. Sofern die Branche sich anpasst, ist die Ausgangslage also gut.

Die für die Studie befragten Teilnehmer aus der Assekuranz sind sich deshalb weitgehend einig, dass die komplementären Stärken der Versicherer und der Insurtechs einen stichhaltigen Grund für Zusammenarbeit darstellen.

- Eine große Mehrheit (75 Prozent) der über 100 interviewten Führungskräfte geht davon aus, dass sie mithilfe der Möglichkeiten der Insurtechs die Bedürfnisse ihrer Kunden besser bedienen können.

- Und mehr als die Hälfte (52,7 Prozent) gibt auch zu, bei der Entwicklung personalisierter Produkte von den Insurtech-Fähigkeiten zu profitieren.

Die Assekuranz hält mit

Es gibt auch schon eine ganze Reihe von Beispielen dafür, wie die Assekuranz den Wettbewerb annimmt und sich auf die Veränderungen einstellt. So haben die Versicherungsunternehmen HDI, LVM, Markel, Provinzial Nordwest und die Rheinland Versicherungsgruppe gemeinsam mit dem Beratungshaus EY Innovalue, dem Softwarehersteller SAP und V.E.R.S. Leipzig als Spin-off der Universität Leipzig den Innovationskatalysator "insurHUB" gegründet. Hier soll ein interdisziplinäres Team aus dreizehn "wilden" und kreativen Köpfen der teilnehmenden Unternehmen Ideen und Prototypen für die Versicherungswirtschaft entwickeln. Dabei geht es um den Versicherungsvertrieb der Zukunft, aber auch um neue Produkte für die digitalisierte Welt. Zu den ersten Fokusthemen zählt hier die Lebenswelt Wohnen, wo man daran arbeitet, die Entwicklung zum "Smart Home" mit innovativen Sachversicherungen zu begleiten.

Situative Versicherungen

Ein anderes Beispiel ist die SV Sparkassenversicherung, die als Partner bei den auf der IAA vorgestellten situativen Versicherungen dabei ist, die Porsche unter dem Namen "Porsche Shield" anbietet, um damit auf das aktuelle Bedürfnis des Versicherten einzugehen und auf Abruf Leistungen zu bieten, die durch herkömmliche Versicherungen nicht abgedeckt sind.

Dazu gehört etwa der zeitlich begrenzte Schutz für einen weiteren Fahrer, Auslandsschadensschutz für Urlaubsreisen, für private Probefahrten sowie für Zugfahrzeuge und Anhänger - alles Produkte, für die Laufzeiten ab einer Dauer von 24 Stunden flexibel bis zu 28 Tagen wählbar sind.

Die SV Sparkassen Versicherung deckt zum Start drei Bereiche ab.

- Bei "Porsche Moments" handelt es sich um einen Fremdfahrerschutz, der eintritt, wenn ein nicht im Vertrag angegebener Fahrer einen Schaden verursacht.

- "Porsche Escape" ist der Auslandsschadenschutz. Kommt es zu einem Verkehrsunfall im Ausland, kommt die Versicherung anstelle des ausländischen Schädigers für die Schäden auf.

- "Porsche Adventure" deckt Schäden zwischen ziehendem Fahrzeug und gezogenem Anhänger ab, zum Beispiel den Rangierschaden am Zugfahrzeug durch den Anhänger.

Ganz neu sind situative Versicherungen für die SV nicht. Seit Anfang 2017 bietet sie auch ihren eigenen Kfz-Kunden den Auslandsschaden- und den Fremdfahrerschutz an. Die Beispiele zeigen: Die Assekuranz hat die Entwicklung in Sachen Digitalisierung und den Wettbewerb gut angenommen. Durch Kooperationen mit Insurtechs nutzt sie neue Vertriebswege, um auch digital affine Zielgruppen erreichen zu können. Und mit neuen Produkten stellt sie sich auf die wachsende Mobilität und das veränderte Nutzerverhalten auch in Sachen Versicherungen ein.

Beim Thema Vertriebsweg haben Banken allen Grund, die Entwicklung wachsam zu beobachten. Für die Versicherer macht es letztlich keinen so großen Unterschied, ob das Geschäft von einer Bank vermittelt wird oder über ein Insurtech-Unternehmen kommt. In der GuV einer Bank oder Sparkasse kann es aber durchaus Spuren hinterlassen, wenn nun auch das Versicherungsgeschäft immer häufiger an den klassischen Vertriebswegen vorbeiläuft.

Am Geschäft von Plattformen partizipieren

Kooperationen mit Insurchtechs mögen insofern zwar den Bankvertrieb von Versicherungsprodukten ein Stück weit kannibalisieren und berauben die Banken der Möglichkeit, ihre Beratungskompetenz zu demonstrieren. Sie bieten aber zumindest eine Chance, am Geschäft von Plattformen zumindest zu partizipieren, wenn sie deren Angebote in ihr eigenes integrieren, wie es die anfangs genannten Anbieter bereits tun.

Die Veränderungen auf der Produktseite dagegen können auch dem Bankvertrieb zugutekommen. Neue Produkte wie situative Versicherungen oder Policen rund um Internetnutzung oder Schäden durch Cyberkriminalität können einen Zugang zu wenig versicherungsaffinen Zielgruppen bieten. Mancher junge Mensch würde vielleicht keine klassische Auslandsreisekrankenversicherung abschließen, wohl aber eine genau auf das benötigte Zeitfenster zugeschnittene Police. Und weil es auch ganz neue Versicherungspakete gibt, mit denen zum Beispiel denkbare Risiken beim Besuch einer Großveranstaltung abgesichert werden können, bietet sich hier echtes Neugeschäftspotenzial, das auch zum Cross-Selling bei Bestandskunden beitragen könnte.

Wenn solche Angebote in Finanz-Apps integriert werden, dann ist das ein echter Mehrwert für die Kunden und kann die Abwanderung zu Insurtechs mindestens eindämmen. Insofern ist das Beispiel der SV eines, das für den Bankvertrieb von Versicherungsprodukten Mut macht. Insgesamt wird das Geschäft damit mittelfristig wohl kleinteiliger werden. Auch das lässt sich aber sicher profitabel gestalten.

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