Digitalisierung

Neue Störungskultur?

Quelle: Commerzbank

Die Commerzbank hat sich den Umbau zur Digitalbank auf die Fahnen geschrieben. Tatsächlich kommen die Neuerungen in dichter Folge, zuletzt Ende Juli die digitale Baufinanzierung auf dem Smartphone und am 29. August eine neue Mobile-Banking-App mit integrierter Chat-Funktion. Sie ermöglicht es, wochentags von 7 bis 22 Uhr und am Wochenende von 8 bis 20 Uhr direkt in der Banking-App ohne vorherige Terminabsprache mit der Bank zu chatten (Text, Audio oder Video) und dabei in Verbindung mit einer Photo-TAN auch Produktabschlüsse vorzunehmen.

Das alles ist natürlich mit stetig steigenden Anforderungen an die IT verbunden. Und es hat den Anschein, als ob die der schönen neuen Welt nicht immer gewachsen ist. Das gilt zwar auch für andere Kreditinstitute. Die Commerzbank macht aber häufiger mit technischen Störungen Schlagzeilen als der Wettbewerb.

Am 18. Juli 2016 hatte die Commerzbank nach Wartungsarbeiten in der Nacht ein Datenleck, bei dem am Morgen etlichen Kunden nach dem Login nicht ihr eigenes Konto, sondern ein fremdes angezeigt wurde. Einige Tausend Konten wurden damals nach Angaben der Bank auf diese Weise fremden Blicken preisgegeben.

Verglichen damit sind die Pannen der letzten Monate moderat, handelt es sich hier doch "nur" um Funktionsstörungen. So führten Wartungsarbeiten Ende Juni dieses Jahres zwei Mal binnen weniger Tage zu Störungen beim Einsatz der Girocard sowie beim Online-Banking. Auch Ende August häuften sich die Fehlermeldungen. Am 5. September schließlich fiel das Online-und Mobile-Banking für rund eine Stunde komplett aus. Von diesen Pannen waren jeweils Kunden der Commerzbank wie auch ihrer Tochter Comdirect betroffen.

Die Vorfälle sind an und für sich nicht dramatisch und die wenigsten Kunden werden deswegen die Bank wechseln. Dennoch tun die immer neuen Meldungen dem Image der Bank gewiss nicht gut. Und sie zeigen ganz allgemein die Anfälligkeit der Systeme für Störungen. Das ist wie beim Fahrzeug: Je mehr Funktionen über die Elektronik gesteuert werden, umso größer die Folgen, wenn diese ausfällt. Das ist eine der Schattenseiten der Digitalisierung - und dagegen können Banken auch relativ wenig tun. Selbst dort, wo die IT auf dem neuesten Stand ist, werden sich Störungen niemals völlig ausschließen lassen.

In gewissem Sinn lässt sich die Häufigkeit solcher Vorfälle vielleicht sogar als Gradmesser für den Digitalisierungsgrad einer Bank heranziehen - getreu dem Motto "wer viel arbeitet, macht viele Fehler". Vermutlich werden sich die Kunden in Zukunft daran gewöhnen müssen, dass es ab und an Funktionseinschränkungen geben wird. Das hat auch mit der immer wieder geforderten Agilität zu tun: Wer erwartet, dass die Funktionen immer wieder angepasst werden, der kann auch nicht erwarten, dass alles im Vorfeld so wasserdicht getestet wird, dass Eingriffe im System nicht auch einmal zu Ausfällen führen können. Vor allem gilt: Jede Neuerung ist mit einem solchen Eingriff verbunden. Der alte Grundsatz "Never touch a running system" kommt aber nicht von ungefähr. Red.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X