Konditionenpolitik

Prophylaktische Negativzinsen

Kommunikative Nachbesserung der Volksbank Reutlingen Quelle: Volksbank Reutlingen

Die Diskussionen um die Konditionen im Retailbanking reißen nicht ab. Hatten in den vergangenen Monaten neue Entgelte für die Bargeldversorgung auch an den eigenen Geldautomaten von Banken und Sparkassen die Gemüter erregt, so waren es jetzt einmal mehr die Negativzinsen. Nach Berechnungen des Finanzportals Verivox nehmen mittlerweile 13 Kreditinstitute "Strafzinsen", reichen also die Negativzinsen an Privatkunden mit hohen Einlagen weiter. Seit Dezember 2016 sind demnach acht Institute hinzugekommen. In der Regel werden die Negativzinsen nur auf Einlagen ab mindestens 100 000 Euro erhoben, manchmal liegt die Grenze auch bei 500000 Euro.

Ganz vollständig ist die Liste von Verivox offenbar nicht. Denn zum Beispiel die Hamburger Volksbank taucht in dieser Liste nicht auf. Gerade die ist aber mit dem Thema besonders offen umgegangen, weil sie damit auf einen Sinneswandel ihrer Einlagekunden zielt (siehe Interview auf Seite 20).

Anders bei der Volksbank Reutlingen. Ihr Preisverzeichnis weist schon für Tagesgeldeinlagen ab 10 000 Euro einen Negativzinssatz von 0,5 Prozent aus, was durch die Pressemeldung von Verivox publik wurde und der Bank prompt eine Abmahnung seitens der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg einbrachte.

Die Bank selbst hat angesichts des öffentlichen Aufschreis dazu Stellung genommen: "Fakt ist, die Volksbank Reutlingen erhebt derzeit keine Negativzinsen von Normalsparern", heißt es da. "Wie andere Banken auch, führen wir mit einigen unserer vermögenden Kunden, Privat- und vor allem Firmenkunden, Gespräche über die Einführung von Verwahrentgelten für hohe Einlagenwerte über 500 000 Euro. Die Änderung im Preisaushang unserer Privatkonten und das Tagesgeldkonto betreffend, sind rein prophylaktischer Natur. Sie schaffen lediglich die formalen, rechtlichen Voraussetzung zum Beispiel für den Fall, dass ein Neukunde eine Million Euro bei uns anlegen will. Unsere Privatkunden, also der viel zitierte Normalsparer oder kleine Sparer, sind von den Negativzinsen nicht betroffen."

Die Verbraucherschützer hat diese Argumentation nicht überzeugt. Ob die Negativzinsen tatsächlich erhoben oder nur bekannt gegeben werden, ist ihrer Meinung nach für die Bewertung und als Grundlage der Prüfung unerheblich: Denn durch die Ankündigung im Preisaushang seien die Negativzinsen automatisch Vertragsbestandteil bestehender und künftiger Verträge. Und nach Einschätzung der Verbraucherschützer sind Negativzinsen für Einlagen privater Kunden nicht zulässig.

Ob das so stimmt, ist zumindest noch nicht abschließend gerichtlich geklärt. Das Vorgehen der Volksbank Reutlingen ist aber dennoch zumindest fragwürdig. Zweifellos ist es nachvollziehbar, wenn sich die Bank prophylaktisch die Möglichkeit schaffen will, Negativzinsen zu berechnen. Trotzdem hinkt die Argumentation.

Wenn die Maßnahme tatsächlich primär darauf zielt, die "vagabundierenden" Vermögen abzuwehren, von denen derzeit im Markt so viel die Rede ist, dann bleibt die Frage, weshalb die Grenze mit 10 000 Euro so niedrig angesetzt wurde. Schließlich ist das doch eine Größenordnung, die eher auf den eigenem Bekunden zufolge ausdrücklich ausgenommenen Klein- oder Normalsparer zutrifft. Hier drängt sich eher der Verdacht auf, dass man - im Falle, dass es wirtschaftlich notwendig erscheinen sollte - die Möglichkeit haben möchte, quasi über Nacht und ohne die übliche Ankündigungszeit von mindestens zwei Monaten doch auch den Durchschnittssparer in die Negativzinsen einbeziehen zu können, weil es ja so im Preisverzeichnis schon steht.

Transparent ist das skizzierte Vorgehen der Bank jedenfalls nicht: Was nutzt dem Kunden das Preisverzeichnis der Bank, wenn er gar nicht weiß, welche der dort ausgewiesenen Konditionen tatsächlich gelten und welche nicht? Kommunikativ haben die Reutlinger hier bestimmt einen Fehler gemacht. Und auch juristisch könnten sie womöglich auf wackligen Füßen stehen. Wenn nämlich das Preisverzeichnis einen Negativzinssatz ausweist, der über einen gewissen Zeitraum gar nicht berechnet wird, den die Bank aber dann irgendwann doch in Anspruch nehmen möchte, dann werden sich die Kunden möglicherweise auf eine Art Gewohnheitsrecht berufen können, wenn dieser Sinneswandel nicht doch mit der zweimonatigen Vorlauffrist angekündigt wird. Die prophylaktische Maßnahme hätte dann gar nichts genutzt.

Offenbar hat man das in Reutlingen mittlerweile auch so gesehen. In einem offenen Brief des Vorstands an die Kunden weist die Bank inzwischen auf eine Überarbeitung des Preisaushangs hin, der keine negativen Zinsen mehr vorsieht. Lediglich bei Großkunden behalte man sich individuelle Vereinbarungen in dieser Hinsicht vor. Mit Blick auf "Normalsparer“ gebe es keine Pläne, Negativzinsen einzuführen, sie könnten aber nicht kategorisch ausgeschlossen werden. In der Breite werde man Negativzinsen jedoch nicht einführen, ohne dies rechtzeitig und deutlich mitzuteilen. Red.

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