Portale

Alle Marktteilnehmer müssen dieselben Regeln erfüllen

Michael H. Heinz, Präsident, Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) e.V., Bonn

Quelle: BVK

Angesichts der wachsenden Bedeutung der Vergleichsportale darf der Verbraucherschutz nicht auf der Strecke bleiben. Und es muss gleiches Recht für alle gelten. Dies hat der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute in einem Musterprozess gegen Check 24 vor dem OLG München erstritten. Soweit Portale als Versicherungsmakler fungieren, so das Urteil, müssen sie die Nutzer sichtbar darauf hinweisen. Und auch Online-Versicherungsmakler, so das Urteil, müssen die üblichen Beratungspflichten in vollem Umfang erfüllen. Noch ist unklar, ob das Thema beim BGH landen wird. Dennoch sieht Michael H. Heinz einen Sieg für den Verbraucherschutz. Das gelte allein schon deshalb, weil die Öffentlichkeit nun sensibilisiert ist. Red.

Der größte Versicherungsvermittlerverband Deutschlands, der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) verklagte im September 2015 das Internetvergleichsportal Check 24. Das Klagemotiv des BVK ist dabei das Prinzip gleicher Rechte für alle. Denn nach Auffassung des Verbandes - und inzwischen auch zweier gerichtlichen Instanzen - müssen Internetvergleichsportale dieselben strengen Anforderungen erfüllen wie stationäre Versicherungsvermittler. Schließlich sind Kunden im Internet aufgrund des fehlenden persönlichen Kontakts besonders schutzwürdig.

Musterverfahren gegen Check 24

In diesem Musterverfahren sollte geklärt werden, ob Internetportale sowohl zur pro-aktiven Einhaltung der Informationspflicht nach § 11 Versicherungsvermittlungsverordnung als auch zur individuellen Befragung und Beratung auf einer individuellen Grundlage verpflichtet sind. Denn bei der Versicherungsvermittlung im Internet sollten keine anderen Regeln gelten als beim Vermittlerbesuch zu Hause. Das gebietet das vom deutschen Versicherungsvermittlerrecht gewünschte hohe Verbraucherschutzniveau in Deutschland. In dem Verfahren ging es um folgende Fragen:

1. Muss Check 24 nach § 11 Abs. 1 Vers-VermV (Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung) die sogenannte Erstinformation aktiv beim ersten Geschäftskontakt mitteilen und damit auch seine Versicherungsmaklereigenschaft offenbaren?

2. Müssen Online-Versicherungsmakler, wie es Check 24 ist, die Befragungs- und Beratungspflichten des § 61 Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) einhalten?

3. Wenn ja, gelten im Online-Bereich andere Maßstäbe als im "Offline-Bereich"?

4. Befragt und berät Check 24 seine Kunden bei Versicherungsprodukten ausreichend?

In der ersten Instanz hat das Landgericht München I am 13. Juli 2016 geurteilt, im Berufungsverfahren das Oberlandesgericht München am 6. April dieses Jahres. Beide Gerichte haben diese Fragen für die deutschen Versicherungsnehmer und für den BVK sehr zufriedenstellend beantwortet, allerdings steht die Urteilsbegründung im Berufungsverfahren noch aus.

Mitteilungspflicht: Ein Link genügt nicht

Auf der Website von Check 24 befindet sich lediglich am unteren Ende ein unscheinbarer Link "Erstinformation". Nur wenn der Versicherungsnehmer diesen Link gefunden und aktiv angeklickt hat, erhält er die nach § 11 Abs. 1 VersVermV obligatorischen Informationen. Der BVK hat hier die Auffassung vertreten, dass damit die gesetzlichen Verpflichtungen aus § 11 Abs. 1 VersVermV nicht erfüllt seien. Er hat damit vor beiden gerichtlichen Instanzen Recht bekommen: Die Richter machten deutlich, dass die erforderlichen Informationen dem Versicherungsnehmer in Textform mitgeteilt werden müssen. Ein Mitteilen ist aber gerade von einem bloßen Bereithalten eines Links zu unterscheiden. Daher sind Portale in Zukunft verpflichtet, sicherzustellen, dass jeder Versicherungsnehmer auf den Versicherungsseiten die erforderlichen Informationen tatsächlich pro-aktiv übermittelt bekommt. Zu diesen Informationen nach § 11 Abs. 1 VersVermV gehört auch, wenn es sich bei dem Portal um einen Versicherungsmakler handelt, der mit der erforderlichen Erlaubnis bei der zuständigen Behörde gemeldet ist.

Online-Versicherungsmakler mit allen Beratungspflichten

Ferner ging es um die Frage, ob Online-Versicherungsmakler nach dem Gesetz verpflichtet seien, die ansonsten für Versicherungsmakler verpflichtenden Befragungs- und Beratungspflichten nach § 61 VVG einzuhalten. Check 24 stützte sich darauf, dass Versicherer beim Direktvertrieb von Versicherungen im Internet ja auch nach dem Gesetz keine Befragungs- und Beratungspflichten einzuhalten haben. Die Richter erteilten auch dieser Rechtsauffassung eine deutliche Absage.

Denn anders als beim Direktvertrieb von Versicherungen durch Versicherer im Internet, gibt es für Online-Versicherungsmakler im Gesetz keine Ausnahme von den Befragungs- und Beratungspflichten. Versicherungsmakler - egal ob online oder offline tätig - zeichneten sich auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gerade dadurch aus, dass sie die Versicherungsnehmer befragen und beraten, bevor sie ein bestimmtes Versicherungsprodukt empfehlen und vermitteln. Der Versicherungsnehmer ist gegenüber Versicherungsmaklern auch schutzbedürftiger, da er hier schließlich eine Befragung und Beratung in jedem Fall erwartet. Selbst wenn man Befragungs- und Beratungspflichten von Online-Maklern grundsätzlich annimmt, stellt sich die Frage, ob diese jedenfalls im Vergleich zu den Pflichten von "Offline-Maklern" herabgesetzt seien. Der BVK hat stets hiergegen argumentiert. Es ist nicht ersichtlich, warum Befragungs- und Beratungspflichten im Internet in geringerem Umfang gelten sollten. Schließlich erwarten auch Versicherungsnehmer im Internet, ordentlich befragt und beraten zu werden. Zudem sieht das Gesetz keine geringeren Pflichten im Online-Bereich vor.

Auch das Argument, dass das Stellen von vielen Fragen und das Mitteilen von umfassenden Informationen online einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde, konnte nicht überzeugen. Die Richter haben hier zu Recht genau das Gegenteil angenommen: Im Online-Bereich ist es mit geringem Aufwand möglich, dem Versicherungsnehmer eine sehr große Zahl von Fragen zu stellen und Informationen mit zuteilen. Hierzu muss lediglich das elektronische Buchungsformular einmalig abgeändert werden, welches dann von unzähligen Versicherungsnehmern genutzt werden kann. Außerdem können individuelle Videoberatungen und Chats durchgeführt werden. Online-Maklern ist es daher durchaus zumutbar, die Versicherungsnehmer eingehend zu befragen und zu beraten.

Der BVK hat in dem Prozess, unter anderem anhand konkreter Beispiele, den Buchungsprozess von Check 24 gerügt. In Bezug auf diesen Teil der Klage haben die Richter dem BVK vollumfänglich Recht gegeben und in allen Punkten eine Verletzung der Befragungs- und Beratungspflichten bejaht.

- Daher müssen in Zukunft etwa Versicherungsnehmer, die nach den eingegebenen Informationen mit hoher Wahrscheinlichkeit Studenten sind, bei der Hausratversicherung auf die Möglichkeit des Versicherungsschutzes durch die Hausratversicherung der Eltern und damit auf das Risiko der Doppelversicherung hingewiesen werden.

- Bei Haftpflichtversicherungen sind die Versicherungsnehmer in Bezug auf gefährliche Hobbies sowie ehrenamtliches Engagement zu befragen und zu beraten, damit diesen nicht ein Versicherungsprodukt verkauft wird, welches die Versicherungsnehmer nicht angemessen schützt.

- Ferner muss beim Abschluss einer Kfz-Versicherung darauf hingewiesen werden, dass bei geleasten Fahrzeugen ein Konflikt mit der Werkstattbindung des Leasinggebers (Fachwerkstätten) auftreten kann, wenn nach den Bedingungen der Kfz-Versicherung eine abweichende Werkstattbindung (freie Werkstätten) besteht.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Check 24 kann noch dagegen vorgehen. Aber das Oberlandesgericht setzte dafür die Hürde relativ hoch, weil es eine Revision nicht zugelassen hat. Jetzt besteht nur noch die juristische Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH. Juristen halten die Erfolgsaussichten von Nichtzulassungsbeschwerden jedoch für gering.

Sieg für den Verbraucherschutz

Zurzeit kann also keiner sagen, ob und wann der BGH eine Entscheidung fällt. Durch die breite Rezeption der Urteilssprüche in der Öffentlichkeit und die wohlwollende Berichterstattung in der Presse hat jedoch der BVK so oder so einen Sieg für den Verbraucherschutz errungen. Viele sind für gleiche Marktbedingungen online wie offline sensibilisiert worden. Vielen Nutzern von Vergleichsportalen ist durch die Presseberichte klar geworden, dass diese Portale keine Verbraucherschutzportale sind.

Wieviel Provisionen Check 24 von den Versicherungsunternehmen jährlich einstreicht, wird geflissentlich nicht gesagt. Es kursieren jedoch Angaben, dass sich allein die Vermittlung von Kfz-Verträgen im Jahr auf eine mittlere sechsstellige Zahl beläuft. Bei marktüblichen Provisionen von 80 Euro könnte hier ein erklecklicher Betrag zusammenkommen. Daher sieht sich der BVK in seinem Bemühen umso mehr bestärkt: Bei so viel Masse darf der Verbraucherschutz nicht auf der Strecke bleiben und alle Marktteilnehmer müssen dieselben Regeln erfüllen.

Zum Autor Michael H. Heinz, Präsident, Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) e.V., Bonn

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