Fintechs

Banken und Startups: Miteinander ist fruchtbarer als Gegeneinander

Felix Lemmer, Business Development Manager, crossinx GmbH, Frankfurt am Main

Die Zusammenarbeit von Banken und mit Fintechs kann für beide Seiten sehr fruchtbar sein. Doch um von den Stärken des anderen zu profitieren, müssen noch einige Hemmnisse beseitigt werden. Wichtigste Hürde ist nach Einschätzung des Autors das immer noch bestehende Konkurrenzdenken auf beiden Seiten, das es abzubauen gilt. Kreditinstitute sollten dazu den Fintech-Partnern Einblick in ihre Kundendaten gewähren. Die Fintechs ihrerseits müssen zeigen, dass sie, obschon jung, doch vertrauenswürdig sind. Red.

Fintechs galten lange als Bedrohung für Banken. Doch jetzt zeichnet sich mehr und mehr der Trend ab, dass die ungleichen Finanzdienstleister miteinander kooperieren.

So nutzen zum Beispiel Volksbanken und Sparkassen Fintechs, um neue Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln, aber auch um ihre eigene Digitalisierung voranzutreiben. Auch Deutsche Bank und Commerzbank setzen auf die Ideen der Finanzmarktneulinge. Sie unterstützen Fintechs finanziell und sehen sie als Investition. Sie haben erkannt, dass eine Zusammenarbeit profitabler sein kann, als die von der Digitalen Transformation geforderten Kompetenzen selbst aufzubauen. Allerdings gestaltet sich eine Zusammenarbeit der beiden Parteien schwieriger als gemeinhin angenommen: Es stehen einige Probleme und Hemmnisse im Weg, wie beispielsweise das Konkurrenzdenken, die es zunächst zu beseitigen gilt. Fintechs und Banken müssen lernen, in einer Symbiose neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die der Markt verlangt. Doch zunächst muss beiden bewusst werden, dass eine Kooperation nicht nur Zwang sein muss, sondern eigene Schwächen ausgleichen kann - durch die Stärken des anderen.

Banklizenz, aber mangelnde Digitalisierung

Ein großer Vorteil, den Banken und Sparkassen genießen, ist ohne Zweifel die Banklizenz. Einer großen Mehrheit der Fintechs fehlt dieses Privileg. In ihren Geschäftsmodellen tauchen jedoch regelmäßig Elemente auf, für die eine Banklizenz notwendig ist: der Betrieb von Konten und Depots, die Durchführung von Zahlungen, der An- und Verkauf von Wertpapieren, die Vergabe von Krediten oder die Verwaltung von Geldern. Nur mit dieser Lizenz ist es in Deutschland möglich, Bankgeschäfte oder bankenähnliche Geschäfte zu betreiben. Um die von der BaFin regulierte Banklizenz zu erhalten, müssen Unternehmen eine große Anzahl an Konditionen erfüllen - was nur die wenigsten Fintechs können.

Zudem bringen einige Kunden Fintechs weniger Vertrauen - meist in Bezug auf die Zahlungsfähigkeit - entgegen. Gerade Startups müssen beweisen, dass sie nicht binnen kürzester Zeit insolvent oder aufgekauft sind. Um ihr Geschäft trotzdem durchführen zu können, sind die meisten Finanztechnologieanbieter also gezwungen, mit Banken zu kooperieren. Aber die Zusammenarbeit ist keineswegs einseitig. Denn alteingesessene Finanzinstitute profitieren vor allem von den neuen Ideen und dem digitalen Ansatz der Fintechs.

Denn gerade in der deutschen Bankenbranche ist die mangelnde Digitalisierung eine weit verbreitete Schwachstelle. Zwar haben die meisten Banken die Bedeutung des digitalen Wandels erkannt, doch die Umsetzung fällt einigen noch immer schwer. Zu diesem Ergebnis kommt die Benchmark-Studie "Digitale Transformation von Banken" von Fintech Cube in Zusammenarbeit mit der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft.

Die erste Hürde stellt oft die veraltete Infrastruktur dar, die bei den Finanzinstituten vorherrscht. Denn in so gut wie keiner Bank gibt es ein IT-System aus einem Guss. Um mit Fintechs in Sachen Infrastruktur Schritt halten zu können, müssen Finanzinstitute also zunächst eine beträchtliche Summe in eine neue IT-Infrastruktur investieren und sich so von Grund auf neu aufstellen. Denn hier liegt eine der großen Stärken der Finanztechnologieanbieter: Die meisten von ihnen sind nicht länger als zehn Jahre auf dem Markt und haben eine moderne, meist dezentrale und damit agile IT-Infrastruktur, die nicht über die Jahre zusammengestückelt wurde.

Kundendaten der Banken versus Innovationskraft der Fintechs

Denn wenn Banken die Digitalisierung ihrer Prozesse nicht in den Griff bekommen - was nützen ihnen dann die Berge an Kundendaten, auf denen sie sitzen, aber die sie nicht richtig zu nutzen wissen? Zahlungsdaten, Bonität, Kaufverhalten - all das sind Daten, die als Basis für innovative Geschäftsmodelle dienen können. Banken und Sparkassen behindern sich selbst bei der Weiterentwicklung, wenn sie das Potenzial der Digitalisierung an vielen Stellen nicht richtig ausschöpfen. Durch die Zusammenarbeit mit Fintechs kann diese Schwachstelle überwunden werden.

Denn Fintechs mangelt es nicht an Innovationskraft, sie profitieren aber wiederum von den Kundendaten der Banken. Sie kennen sich mit der Digitalisierung ebenso aus wie mit den neuen Ansprüchen der Kunden. Ihre Produkte und Dienstleistungen spiegeln die veränderten Erwartungen der Verbraucher und Unternehmen in einer zunehmend digitalisierten Welt wider - und bedienen die Bedürfnisse und Nutzungsgewohnheiten häufig perfekt. Außerdem sind sie flexibler und anpassungsfähiger als traditionelle Bankhäuser, unterliegen weniger rechtlichen Vorgaben oder eingefahrenen Prozessen und können sich somit agiler am Markt bewegen. Meist fokussieren sie sich auf einzelne, spezielle Aspekte im Bereich der Finanzdienstleistungen und optimieren diese.

Genau aus diesem Grund holen sich Banken Fintechs ins Boot - sie bringen neue Ideen, frischen Wind und die benötigte Expertise in Sachen Digitalisierung mit. Diese Kompetenzen selbst aufzubauen, würde für Banken und Sparkassen viel zu lange dauern - der Wettbewerb wäre längst auf und davon. Allerdings haben längst nicht alle Institute das Potenzial einer Zusammenarbeit erkannt.

So gut sich die ungleichen Finanzdienstleister auch ergänzen - die Beziehung bleibt kompliziert. Zwar ist die Zusammenarbeit längst kein Gedankenexperiment mehr, Hemmnisse gibt es aber dennoch. Damit beide Seiten von den Stärken des anderen profitieren können, müssen vor allem Banken noch Ängste beseitigen und folgende Hürden angehen.

Konkurrenzverhalten überwinden

Trotz ihrer Kompatibilität sehen viele etablierte Finanzinstitute Fintechs noch immer als Konkurrenten. Auch wenn sie nicht mehr fürchten, ihre Kunden an die Finanz-Startups zu verlieren, sind viele nicht bereit, ihre Daten mit ihnen zu teilen. Das zeigen die verhaltenen Reaktionen der Banken auf die zweite europäische Zahlungsdienste-Richtlinie (PSD2): Während alternative Zahlungsdienstleister von der neuen Regelung profitieren, verlieren Banken ihr bisheriges Zugriffsmonopol auf die Kundendaten. Einige geben sogar offen zu, lieber Modelle von Fintechs zu kopieren als mit ihnen zusammenzuarbeiten. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist Paydirekt, das Online-Bezahlsystem deutscher Banken und Sparkassen. Allerdings kam das Projekt nur schleppend voran und brachte einige Schwierigkeiten mit sich.

Anstatt von Konkurrenz getrieben zu sein, sollten sich beide Seiten ins Gedächtnis rufen, dass keiner auf lange Sicht ohne die Unterstützung des anderen wettbewerbsfähig bleiben kann. Erst wenn Finanzinstitute sich voll auf die Kooperation einlassen und Fintechs einen umfassenden Einblick in ihre Geschäftsprozesse ermöglichen, können sie das volle Potenzial der Zusammenarbeit ausschöpfen.

Digitalisierung als Chance erkennen

Banken müssen sich darüber bewusst werden, dass Digitalisierung eine ungenutzte Chance ist: Sie sollten sich Schritt für Schritt digitalisieren, um das gesamte Bereitstellungsspektrum ihrer Services zu optimieren. Bisher erfolgt die Umstellung - wenn überhaupt - viel zu zögerlich. Finanzinstitute sollten sich unter anderem Fragen stellen wie: Wo liegen die Probleme? Warum verharren wir in einer abwartenden Haltung und werden nur zögerlich aktiv?

Derzeit sind vor allem Datenschutzbedenken, veraltete IT-Infrastrukturen und fehlende Innovationskraft Hinderungsgründe dafür, es den Fintechs gleichzutun und moderne, auf den Kunden zugeschnittene Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Zudem mangelt es an einer übergeordneten Strategie. Banken und Sparkassen sollten aber nicht nur theoretisch mitdenken, sondern die Digitalisierung von Finanzprozessen mithilfe von Fintechs direkt in die Praxis umsetzen.

Auch Fintechs sollten ihren Beitrag dazu leisten, die Zusammenarbeit zu fördern. Indem sie vertrauensvoll auftreten und unter Beweis stellen, dass sie zwar jung, aber trotzdem vertrauenswürdig und zuverlässig sind, können sie den Banken womöglich ihre Bedenken nehmen. Können sie sich trotz ihres schnelllebigen und dynamischen Umfelds mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Geschäftsmodellen auf dem Markt behaupten, gewinnen sie das Vertrauen der Banken und Sparkassen. Sie ebnen damit den Weg für einen gemeinsamen Dialog auf Augenhöhe.

Gelingt es Banken, Sparkassen und Fintechs alle Hemmnisse zu beseitigen, steht die Basis für eine fruchtbare Zusammenarbeit. Ein erfolgreiches Beispiel ist die Volksbank Kraichgau: Seit letztem Jahr arbeitet die Volksbank mit dem Frankfurter Fintech Crossinx bei der Verarbeitung von elektronischen Rechnungen zusammen. Mit der Partnerschaft digitalisiert die Volksbank sowohl Empfang als auch Verarbeitung und Versand der Rechnungen. Nach eigenen Berechnungen kann die Volksbank Kraichgau dadurch pro Jahr einen fünfstelligen Betrag einsparen. Neben den wirtschaftlichen Vorteilen verzeichnet sie auch einen starken Imagegewinn: Durch die Digitalisierung der Rechnungsprozesse leistet das Finanzinstitut einen positiven Beitrag zur Umweltbilanz, da die interne und externe Finanzabwicklung verschlankt und beschleunigt werden konnte.

Ein weiteres Positiv-Beispiel für eine gelungene Digitalisierung der Rechnungsprozesse ist die Taunus Sparkasse. Auch sie holte sich für die Digitalisierung Fintech-Expertise ins Haus. Mit der Zusammenarbeit will das Finanzinstitut das Produktportfolio entlang des Zahlungsverkehrsprozesses für seine Firmenkunden erweitern. Auf der einen Seite profitiert die Sparkasse so von einer größeren, stabileren Kundenbindung, denn die Digitalisierung und Automatisierung von Zahlungsflüssen eröffnet Firmenkunden neue Möglichkeiten, ihre Finanzprozesse zu optimieren. Andererseits kann sie ihr Ertragspotenzial steigern.

Beide Beispiele zeigen: Die Digitalisierung spart Zeit und Kosten. Und noch mehr sparen Banken und Sparkassen, wenn sie die Umstellung nicht alleine angehen. Anstatt die Kompetenzen selbst inhouse aufzubauen, lässt sich die Digitale Transformation der Bankenbranche zusammen mit den digital Natives - den Fintechs - besser meistern. Es wird Zeit, die Vorteile zu erkennen und die Hemmnisse für eine Kooperation zu beseitigen. Denn ein Miteinander ist fruchtbarer als ein Gegeneinander.

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