Regulierung

Crowdinvesting mit eigener Plattformregulierung?

Swantje Benkelberg

Für die Crowdinvesting-Branche war es kein schönes Nikolausgeschenk: Am 6. Dezember 2017 haben die Marktwächter Finanzen der Verbraucherzentrale Hessen eine Untersuchung darüber vorgelegt, wie gut oder schlecht die Plattformen Verbraucher in Vermögensanlage-In formationsblättern und Verträgen informieren. Die dabei herausgekommen Mängelliste ist lang - teilweise auch, weil die Stichprobe vor den im August 2017 in Kraft getretenen gesetzlichen Änderungen gezogen wurde. Der Bundesverband Crowdinvesting sieht die Branche deshalb zu Unrecht an den Pranger gestellt. Doch es geht nicht nur um unzureichende Informationsblätter, sondern auch um den deutlicher werdenden Interessenkonflikt durch die fließenden Provisionen, der die Plattformen genauso betrifft wie die Banken.

Die Zulassung von Crowdinvesting-Plattformen durch die Gewerbeämter genügt nicht. Sondern sie müssen der laufenden Aufsicht der BaFin unterstellt werden. Das fordert Dorothea Mohn, Teamleiterin Finanzen des Verbraucherzentrale Bundesverbands als Fazit einer Untersuchung, die die Marktwächter Finanzen in der Verbraucherzentale Hessen bei Crowdinvesting-Plattformen durchgeführt hat. Bei 33 Internetplattformen wurden dabei Verträge und Verbraucherinformationsblätter (VIB) von insgesamt 83 Crowdinvesting-Projekten im Hinblick darauf geprüft, ob die Unterlagen die für Verbraucher wichtigen Informationen enthielten und ob diese in beiden Dokumenten übereinstimmten.

Das ernüchternde Ergebnis lautet: Die Angaben zu einzelnen Projekten sind häufig unpräzise, die Ausführungen zu Laufzeit und Kündigungsmöglichkeiten unklar oder widersprüchlich formuliert. Außerdem ist es Verbrauchern nur schwer möglich, die Kosten zu vergleichen.

Zukunftsszenario Widerrufsjoker?

Weil der Verbraucher im Anschluss an seine Investitionsentscheidung noch nicht weiß, ob das Funding überhaupt zustande kommt, sollte er Kenntnis darüber haben, wie lange die Fundingphase inklusive möglicher Verlängerungen dauern wird. Diese Information fehlte in 22 von 83 untersuchten Verträgen.

Ein Abgleich mit den entsprechenden Angaben im Vertrag ergab, dass nur in 29 Fällen der Beginn der Laufzeit in den VIBs entsprechend den vertraglichen Regelungen korrekt wiedergegeben wurde. In den übrigen 54 Fällen waren die Angaben zum Laufzeitbeginn missverständlich oder unvollständig - ein Tatbestand, der im Kreditgeschäft von Banken regelmäßig zum "Widerrufsjoker" führen würde beziehungsweise führt. Möglicherweise wird man in einigen Jahren eine ähnliche Entwicklung auch im Bereich des Crowdinvestings sehen, wenn sich Investoren, deren Anlage sich nicht wie erhofft entwickelt, auf unzureichende Informationen berufen, um den Schaden möglichst gering zu halten beziehungsweise die Anlageentscheidung rückgängig zu machen. Denn warum sollte, was bei der Immobilienfinanzierung funktionierte und bei der Kfz-Finanzierung erfolgreich praktiziert wird, nicht auch auf das Crowdinvesting übertragbar sein?

Auch bei der Gestaltung der Laufzeiten gibt es zahlreiche Möglichkeiten: In den geprüften Verträgen wurde in 63 Fällen ein Zeitraum oder ein Datum vorgegeben, mit dem die Vermögensanlage enden sollte. In 18 Fällen war die Laufzeit prinzipiell unbefristet und eine Kündigung Voraussetzung für die Beendigung. In den übrigen zwei Fällen war das Laufzeitende nicht bestimmbar.

Unabhängig von dieser grundsätzlichen Laufzeitvereinbarung wurde in 29 Fällen dem Emittenten ein vorzeitiges Kündigungsrecht eingeräumt, ohne dass dem Anleger gleichermaßen ein vorzeitiges Kündigungsrecht zustand. Auch an dieser Stelle könnte es in Analogie zu Rechtstreitigkeiten um Banken-AGBs möglicherweise zu juristischen Auseinandersetzungen darüber kommen, ob dies eine unangemessene Benachteiligung des Anlegers darstellt. Insgesamt 27 Verträge sahen die Möglichkeit eines Exits - also das Aufkaufen des Unternehmens durch einen Investor oder ein Börsengang - vor, wodurch der Emittent die Vermögensanlage ebenfalls vorzeitig beenden kann.

Vermögensanlage-Informationsblätter oft unvollständig

Ein Abgleich zwischen Verträgen und VIBs im Hinblick auf das Laufzeitende ergab, dass die Angaben lediglich in 44 von 83 Fällen übereinstimmten. In 39 Fällen, in denen dies nicht der Fall war, waren vertraglich oftmals mehr Möglichkeiten zur Kündigung vorgesehen als im VIB angegeben.

Bei den Angaben zur Laufzeit und Kündigungsmöglichkeiten hat sich somit gezeigt, dass das VIB die vertraglichen Regelungen oftmals nicht korrekt widerspiegelt und damit seiner eigentlichen Funktion, den Anleger über das Finanzprodukt zu informieren und aufzuklären, nicht gerecht wird.

Wenig Kostentransparenz

Kosten und Provisionen wurden im Rahmen der Datenauswertung in die Kategorien einmalige Kosten, laufende Kosten sowie Erfolgsvergütungen unterteilt. Von den 83 untersuchten VIBs waren in 21 Fällen einmalige Kosten in Höhe von ein Prozent bis unter sechs Prozent der Darlehenssumme und in 50 Fällen in Höhe von sechs Prozent bis 10,5 Prozent der Darlehenssumme angegeben. Damit wird ein erheblicher Anteil der eingeworbenen Gelder für die mit der Emission verbundenen Kosten verwendet und fließt nicht unmittelbar in das zu finanzierende Projekt. Mit anderen Worten: Das Crowdinvesting kann eine recht teure Angelegenheit sein.

Die laufenden Kosten lagen in 48 Fällen bei 0,3 Prozent bis unter zwei Prozent pro Jahr und in sechs Fällen bei zwei Prozent bis fünf Prozent pro Jahr. In 18 Fällen waren zusätzliche Erfolgsvergütungen an die Plattform vorgesehen, welche bei Erzielung einer Rendite vom Anleger zu tragen waren.

Generell fiel auf, dass die einzelnen Plattformen die Darstellung der Kosten und Provisionen in den VIBs ganz unterschiedlich handhaben, sodass Verbrauchern ein Vergleich nur schwer möglich ist. Die Verbraucherschützer plädieren deshalb dafür, eine Gesamtkostenquote, vergleichbar zu AIFs und Fonds, auszuweisen. Angaben zu den Gesamtkosten gab es in der Stichprobe nur in drei VIBs sowie zwei Verträgen.

Verbraucher zum Kaufen der "Katze im Sack" verleitet

Im VIB müssen sich nach § 13 Abs. 2 VermAnlG-Alt Angaben zum Anlageobjekt finden. Dieses Kriterium wurde lediglich in den VIBs geprüft. In 51 von 83 Fällen wurden die Angaben in den Informationsblättern zum Anlageobjekt als nicht hinreichend konkret bewertet. So wurden in vielen Fällen Allgemeinplätze beziehungsweise Standardformulierungen verwendet, die nicht auf das konkrete Crowdinvesting-Projekt zugeschnitten waren, sondern in identischem Wortlaut bei verschiedenen Projekten zum Einsatz kamen.

Wenn aber Verbraucher anhand der vorgeschrieben Unterlagen nicht erfahren, in was investiert wird, so die Kritik der Verbraucherschützer, dann kaufen sie "die Katze im Sack". Tatsächlich fanden sich in der Stichprobe sogar Projekte mit "Blind-Pool-Charakter", bei denen nicht feststand, wofür das eingesammelte Kapital eingesetzt werden soll. Insgesamt, so das Fazit der Untersuchung, enthält eine Vielzahl der untersuchten VIBs und Verträge unklare beziehungsweise widersprüchliche Angaben. Auch inhaltsgleiche Standardformulierungen in den VIBs, die einige Plattformen für verschiedene Projekte benutzen, reduzieren den Informationsgehalt. Viele beim Crowdinvesting verwendete Emissionsunterlagen sind damit qualitativ mangelhaft und machen es aus Verbrauchersicht schwer, eine fundierte Anlageentscheidung zu treffen.

Verbesserungsbedarf bei der Information über Risiken

Das ist auch deshalb kritikwürdig, weil es durch unklare und widersprüchliche Angaben bei möglichen späteren Rechtsstreitigkeiten mit dem Emittenten zu Problemen für Verbraucher kommt. Darauf weist die Untersuchung zum Beispiel im Zusammenhang mit Informationen hin, die nur in der nicht dauerhaft zugänglichen Projektbeschreibung auf der Plattform genannt werden, nicht aber im VIB sowie dem Vertrag.

Zentraler Gegenstand der Untersuchung waren aus nachvollziehbaren Gründen die Informationen über die Risiken der Anlage. Geprüft wurde die Benennung von Totalverlustrisiko, einfachem und qualifiziertem Nachrang sowie Geschäftsrisiko, auf die aus Verbraucherschutzsicht mindestens hingewiesen werden muss. Dabei fiel positiv auf, dass in 75 von 83 Fällen im VIB das Totalverlustrisiko, der Nachrang der Forderung sowie das spezifische Geschäftsrisiko angegeben und erläutert wurden. Es zeigte sich aber auch, dass in 8 Fällen (das entspricht 9,6 Prozent) im Informationsblatt mindestens eine Risikodarstellung fehlte.

Zudem fiel auf, dass auch die Angaben zum Risiko für die unterschiedlichen Projekte einer Plattform zum Teil wortgleich formuliert wurden. Solche identischen Formulierungen fanden sich bei 13 verschiedenen Plattformen. Hier mahnen die Verbraucherschützer sicher zu Recht eine stärker produktbezogene Darstellung an, damit Anleger einschätzen können, auf was sie sich einlassen.

Stichprobe nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Dokumente

Nicht alle der Kritikpunkte, die die Verbraucherzentrale Hessen in der Untersuchung anführt, würde man heute immer noch so finden. Das liegt am Zeitpunkt der Stichprobe in den ersten Monaten 2017. Zwischenzeitliche gesetzliche Änderungen sind deshalb nicht berücksichtigt, worauf auch in der Studie selbst hingewiesen wird.

So ergaben sich durch das am 21. Juli 2017 verkündete Gesetz zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie mit Wirkung zum 21. August 2017 Änderungen im Vermögensanlagegesetz, die auch die Schwarmfinanzierungen betreffen und mehr Transparenz schaffen sollen. Insbesondere sind dabei neue Mindestangaben sowie eine zwingend festgelegte Reihenfolge der Angaben im Vermögensanlage-Informationsblatt vorgesehen, um die Vergleichbarkeit verschiedener Produkte untereinander zu verbessern.

Eben diesen Umstand betont auch der Bundesverband Crowdinvesting. Die aktuell eingesetzten VIBs haben sich seit der Stichprobe des Marktwächters deutlich weiterentwickelt, heißt es in einer Stellungnahme. Sowohl die Reform des Kleinanlegerschutzgesetzes im Mai 2017 als auch der Dialog zwischen BaFin und den Plattformen hätten dazu geführt, dass die Stichprobe des Marktwächters vom Februar 2017 nicht mehr dem aktuellen Stand der Dokumente entspricht.

"Markt ist schneller als die Marktwächter"

Bei der letztjährigen KASG-Evaluation sowie intern hat sich der Verband eigenen Angaben zufolge dafür eingesetzt, dass das VIB standardisiert wird, damit die Vergleichbarkeit der Angebote für die Anleger weiter verbessert wird. Mit einer aktuelleren Stichprobe nach Inkrafttreten des Gesetzes hätte der Marktwächter zeigen können, dass die Plattformen die Vorgaben des Gesetzgebers umgesetzt haben, so Vorstandsmitglied Tamo Zwinge. "Der Markt entwickelt und verbessert sich mit einer hohen Dynamik, schneller als vom Marktwächter antizipiert", heißt es in der Stellungnahme weiter.

In gewisser Weise wird die Crowdinvesting-Branche insofern tatsächlich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Doch es liegt nun einmal in der Natur solcher Studien, dass zwischen Erhebung und Auswertung ein gewisser Zeitraum liegt. Und bei dem hohen Regulierungstempo im Bereich der Finanzdienstleistungen kann es da schon einmal dazu kommen, dass manches sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung einer solchen Untersuchung anders darstellt als im Moment der Bestandsaufnahme.

Unter dem Damoklesschwert der Regulierung

Dennoch ist die Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse im Dezember nicht obsolet, auch wenn die neuen VIBs zu diesem Zeitpunkt nicht mehr dem Stand entsprachen, wie sie zum Zeitpunkt der Erhebung aussahen. Denn die Untersuchungsergebnisse zeigen auch an, dass tatsächlich Handlungsbedarf bestand und eine Regulierung auch solcher Plattformen offenbar notwendig war und vermutlich weiter sein wird.

Unbestreitbar bemüht sich der Bundesverband Crowdinvesting um den Verbraucherschutz und hat zum Beispiel freiwillige Reporting-Pflichten auf den Plattformen der Mitglieder eingeführt - all das freilich immer unter dem Damoklesschwert einer drohenden Regulierung. Das muss die Ernsthaftigkeit solcher Bemühungen nicht infrage stellen. Ob sie allerdings genauso intensiv vorangetrieben würden, wenn anderenfalls keinerlei Eingriffe des Gesetzgebers zu erwarten wären, darf immerhin hinterfragt werden. Auch der Autofahrer hält sich bekanntlich besonders häufig dort an Geschwindigkeitsvorgaben, wo deren Einhaltung bekanntermaßen kontrolliert wird. Der "vorauseilende Gehorsam" der Finanzbranche an jenen Stellen, wo der Regulator droht, ist deshalb nicht unbedingt schlechter. Aber drohende Eingriffe durch Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden sind dafür doch eine Art Voraussetzung.

Wenn der Branchenverband eine aktuellere Stichprobe fordert, um die erzielten Fortschritte belegen zu können, so wird diese Forderung gewiss erhört werden. Gerade weil sich der Markt so schnell entwickelt und dynamisch wächst, ist wohl kaum davon auszugehen, dass die Verbraucherschützer das Thema so schnell wieder ad acta legen werden. Wenn dann eine neuerliche Untersuchung zeigt, dass in Sachen Anlegerschutz alles zum Besten steht - umso besser!

Dass die Marktwächter beim nächsten Mal wunschlos glücklich sein werden, ist aber wohl nicht zu erwarten - nicht nur, weil Verbraucherschützer fast immer ein Haar in der Suppe finden, sondern gerade der schnellen Marktentwicklung wegen nicht.

Neben den fehlenden Standards im Informationsblatt haben sie jetzt auch den im Bankvertrieb von Anlageprodukten und Versicherungen schon lange kritisierten Interessenkonflikt der Plattformen - bedingt durch die dort fließenden Provisionen - ins Visier genommen und fordern, den Verbraucher auch hier davor zu schützen. Dafür plädieren sie nicht nur für die Unterstellung unter die Aufsicht der BaFin, sondern explizit für eine eigene Plattformregulierung.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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