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Demografie - ein unerkanntes Problem der Kreditwirtschaft?

Dr. Thomas Metzner, Dozent BWL, Internationale Berufsakademie, F + U Unternehmensgruppe gGmbH, Heidelberg

Quelle: privat

Angesichts der vielfältigen Herausforderungen, die aktuell zu meistern sind, hat die Kreditwirtschaft das Thema Demografie eher vernachlässigt - zu Unrecht, meint Thomas Metzner. Denn wenn perspektivisch die Zahl der Bankkunden und damit das Geschäftspotenzial abnimmt, gewinnt das Segment der älteren Kunden an Bedeutung. Für die Personalpolitik bedeutet das, stärker auf die lebenslange Weiterbildung als auf eine zu starke Verjüngung der Belegschaft zu setzen. Doch auch Produktpalette und Infrastruktur gilt es an die Bedürfnisse der Älteren anzupassen. Red.

Die Kreditwirtschaft sieht sich gegenwärtig mit einer Fülle sich ändernder Rahmenbedingungen konfrontiert. Zu nennen sind hier insbesondere Digitalisierung, Globalisierung, das Eindringen neuer Wettbewerber in den Bankenmarkt (Fintech), neue regulatorische Rahmenbedingungen, das anhaltende Niedrigzinsumfeld und der demografische Wandel. Der Veränderungsdruck auf Banken ist so groß wie nie zuvor. Doch werden sie diesen Veränderungen gerecht? Verfehlen sie es womöglich im Sinne ihrer Kundschaft innovativ zu werden? Innovativ dem Gedankengut Joseph Schumpeters folgend, als schöpferische Zerstörung, die Neues schafft. Im Folgenden sollen ausgewählte Herausforderungen und Handlungsfelder - auch in Bezug auf Innovationsfreudigkeit - in der Kreditwirtschaft im Kontext des demografischen Wandels und der Generation 60 plus beleuchtet werden.

Der demografische Wandel ist einer der großen Megatrends unserer Zeit. Von Vorteil ist dabei sicherlich, dass wir in Deutschland von diesem Wandel nicht allein, aber doch vergleichsweise stark betroffen sind. Ein Wandel von internationaler Dimension, ohne eine vergleichbare nationale historische Parallele.

Das Statistische Bundesamt rechnet für Deutschland - je nach Annahme - bis 2060 mit einer Abnahme der Bevölkerung von derzeit zirka 80 Millionen auf zirka 68 bis 73 Millionen. Während der Anteil der über 60-Jährigen an der Gesamtbevölkerung gegenwärtig etwa 28 Prozent beträgt, wird ihr Anteil bis 2060 auf etwa 40 Prozent steigen. Der Anteil der Personen im Erwerbs alter (20 bis 64 Jahre) wird von 49,2 Millionen 2013 auf 38 Millionen 2060 zurückgehen. Dieser Rückgang an Arbeitskräften hat weitreichende Auswirkungen bis hin zu einer Abnahme des Bruttoinlandsprodukts oder der steigenden Belastung des Faktors Arbeit mit Sozialabgaben.

Nachfragerückgang nach Finanzdienstleistungen

Werden diese Erkenntnisse auf die Kreditwirtschaft übertragen, so sind zwei Punkte hervorzuheben:

1. Zweifelsohne ist ein Nachfragerückgang an Finanzdienstleistungen im Zeitverlauf bedingt durch die schrumpfende Bevölkerung zu erwarten. So rechnen Berlemann/ Oestmann/Thum (2010) von 2010 bis 2030 für Ostdeutschland mit einem prozentualen Rückgang der Bankkunden um 10 Prozent bis 20 Prozent, für Westdeutschland im niedrigen einstelligen Prozentbereich.

2. Zudem wird ein Potenzial von etwa 23,1 Millionen Kunden, der Generation 60 plus erwartet, das immer stärker wird.

Veränderungen sind gestaltbar

Die Ausführungen haben bereits verdeutlichen können, dass der Wandel durchaus bekannt ist und dieser sich auch über viele Jahre hinweg als konstant - im Sinne eines sicher eintretenden Ereignisses - abgezeichnet hat. Das heißt Veränderungen - ausgelöst durch die Demografie - sollten durchaus gestaltbar sein; wer in zehn Jahren der Generation 60 plus angehört, ist heute schon geboren!

Interessant zu diskutieren ist die Frage, inwieweit die Auswirkungen des Wandels durch Unternehmen der Kreditwirtschaft zu beeinflussen sind - im Sinne von kontrollierbar beziehungsweise nicht kontrollierbar.

Diese weitgehenden Veränderungen sollten Kreditinstitute nutzen, sich intensiv mit der aktuellen Ausgestaltung ihrer Produktportfolios und deren Zukunftsfähigkeit auseinanderzusetzen. Dabei kann ein vertiefendes Auseinandersetzen mit der Generation 60 plus ein Baustein in der Suche nach (neuen) dauerhaften Ertragsquellen sein. Denn die Generation 60 plus zeichnet sich eben nicht durch eine hohe Risikoneigung aus, bei der sich eine profitable Neu- beziehungsweise Restrukturierung des Vermögens anbietet.

Personalrekrutierung absehbar schwieriger

Die Herausforderungen, denen die Kreditinstitute gegenüberstehen, können weiter differenziert werden - beispielsweise in interne und externe Herausforderungen. So kann die Anforderung des Marktes - Generation 60 plus - als externe Herausforderung verstanden werden, während die Personalentwicklung eher intern zu werten ist.

Der Vorteil einer solchen Differenzierung könnte unter anderem in der strukturierten Übertragung institutsspezifischer Empfehlungen in Matrixdarstellung gesehen werden.

Ein genereller Mangel an Arbeitskräften über alle Alterskohorten und Anforderungsprofile wird trotz des massiven Imageverlustes der Branche und des skizzierten demografischen Wandels auf absehbare Zeit noch nicht eintreten. Durch die Reduzierung der physischen Bankeninfrastruktur, namentlich den massiven Abbau von Filialen, kommt es zunächst sogar zu einem erheblichen Personalabbau, wie aus Abbildung 1 ersichtlich ist.

Dennoch werden Kreditinstitute zunehmend Schwierigkeiten haben, Stellen mit hohem Anforderungsprofil mit jüngeren, hoch qualifizierten Bewerbern zu besetzen. Bereits in einer 2012 veröffentlichten Studie der Organomics GmbH klagten 87 Prozent der Banken über Nachwuchsmangel. Ausbildungs- und Traineeplätze bleiben zunehmend unbesetzt, da es an geeigneten Bewerbern fehlt. Dies spiegelt sich auch in der Ausbildungsquote wider, die unter anderem im privaten Bankengewerbe in den letzten Jahren kontinuierlich sank.

Die Innovationskraft leidet

Unter dem Mangel an qualifizierten Nachwuchskräften könnte auch die Innovationskraft der Banken leiden, die gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Konkurrenz durch Fintechs dringender denn je benötigt wird. Zeigt doch die Betrachtung des Produktportfolios unterschiedlicher Banken lediglich marginale Unterschiede in deren Ausgestaltung. Eine Erneuerung mit neuen Köpfen und modernen Ideen kommt vermeintlich zum Erliegen vor dem Hintergrund einer historisch geprägten konservativen Grundeinstellung, mit der es eben schon immer so gemacht wurde, wie es gemacht wird.

Ein erkennbarer Zusammenhang zeigt sich auch zwischen Demografie, Landflucht und der Personalrekrutierung. Immer mehr (vor allem junge, gut ausgebildete Menschen/Familien) siedeln von ländlichen Regionen in urbane Zentren. Eine Auswirkung, die gerade kleinere ländlich gelegene Banken trifft. Abbildung 2 verdeutlicht die Urbanisierung, die gleichbedeutend ist mit der Ausdünnung und dem Verfall der Infrastruktur in den betreffenden Regionen, und nach Höll insbesondere in Ostdeutschland vorzufinden ist.

Noch sinkt das Belegschaftsalter

Doch welche Lösungsansätze bieten sich an? In einem ersten Schritt sind sicherlich Infrastrukturplaner gefragt, denen es möglich ist, Stadt und Land wieder zu verbinden. Ganz wesentlich ist hier die Digitalisierung ländlicher Gebiete anzuführen, die es der Kreditwirtschaft unter anderem ermöglicht, Heimarbeitsplätze anzubieten und folglich auch ein klares Bekenntnis für intakte Strukturen setzt.

Das stetig steigende Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung wird auch zu einem steigenden Altersdurchschnitt der Belegschaften führen. Gemäß der Studie der Organomics GmbH befürchteten 61 Prozent der befragten Banken eine Überalterung der Belegschaft. Die Realität zeigt allerdings, dass der Altersdurchschnitt der Belegschaften in Kreditinstituten in der Vergangenheit kontinuierlich zurückgegangen ist. Ältere Beschäftigte wurden durch Vorruhestands- und Abfindungsregelungen systematisch abgebaut, ab 40 bestand kaum mehr eine Chance, eingestellt zu werden. Ist dies lediglich dem niedrigen Zinsniveau geschuldet, das die Europäische Zentralbank vorgibt, und den gesunkenen Erträgen, die unter anderem (Personal-)Kostensenkungen nach sich ziehen?

Bereits im Jahr 2013 haben Schöning/ Nölte auf die deutlich sinkende Anzahl an Mitarbeitern in der Altersgruppe über 50 Jahre aufmerksam gemacht. Eine solche, auf junge Mitarbeiter ausgerichtete Personalstrategie birgt allerdings auch Gefahren in der Bewältigung der Herausforderungen des demografischen Wandels. Wird es den jungen Beratern der Generationen X und Y möglich sein, die Segmente der frühen Babyboomer zielgerichtet anzusprechen?

Letztendlich gilt es, gut ausgebildete Beschäftigte länger als bisher an das Unternehmen zu binden - es deutet sich folglich ein enger Zusammenhang zur Personalentwicklung an. Nur so besteht die Möglichkeit, dem Verlust an Human-Kapital und Reputation, der durch das (vorzeitige) Ausscheiden älterer Beschäftigter entsteht, entgegenzuwirken. Darüber hinaus gilt es, Anreize zu setzen, um die Mobilität - auch vor dem Hintergrund der aufgezeigten Urbanisierung - und Flexibilität von Beschäftigten zu erhöhen.

Den Fokus auf kontinuierliche Weiterbildung legen

Die beschriebenen Engpässe bei der Rekrutierung von Berufseinsteigern beziehungsweise jüngeren Arbeitnehmern und dem Abbau an älteren Mitarbeitern haben zur Folge, dass nur bedingt externes Human-Kapital in die Kreditwirtschaft hineingetragen wird. Dieses Problem wird noch dadurch verschärft, dass die Halbwertszeit des erworbenen Wissens immer geringer wird.

Kreditinstitute werden daher zunehmend den Fokus auf die kontinuierliche Weiterbildung im Sinne von lebenslangem Lernen ihrer Belegschaften richten müssen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass beispielsweise viele Spezialisten mit dem Fokus der Regulatorik im Finanzsektor noch gar nicht in ausreichendem Ausmaß vorhanden sind.

Mit der zunehmenden Alterung der Mitarbeiterschaft sollte die Notwendigkeit, die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter aufrechtzuerhalten und zu fördern, tendenziell steigen. Das betriebliche Gesundheitsmanagement sei lediglich ein Stichwort hierzu - ein Instrument, das sicher als interne Handlungsalternative und als kontrollierbar charakterisiert werden kann. Die Verantwortung hierfür liegt sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Mitarbeitern selbst.

Kontinuierliche Qualifizierungs- und Fördermaßnahmen müssen von den Unternehmen angeboten und von den Mitarbeitern angenommen werden. Mitarbeiter müssen ihr Fachwissen auf dem neuesten Stand halten und auf technologische, organisatorische und sonstige Veränderungen flexibel reagieren können.

Umdenken bei Weiterbildung für Ältere

Viele Unternehmen scheuen sich auch heutzutage meist noch, Ressourcen in die Weiterbildung von älteren Beschäftigten zu investieren, mit dem Argument, dass diese dem Unternehmen nicht mehr lange genug angehören und größere Investitionen in Human-Kapital nicht mehr gerechtfertigt sind. Doch aufseiten der älteren Beschäftigten herrscht vielfach die Einstellung, dass aufgrund ihrer Berufserfahrung Weiterbildungsmaßnahmen nicht mehr notwendig sind. Hier wird in der Zukunft sowohl vonseiten der Unternehmen als auch der Arbeitnehmer ein Umdenken einsetzen müssen.

Lösungen können unterschiedlicher Art sein. Zum einen gilt es, einer altersbedingten Lernentwöhnung durch das Aufzeigen von Perspektiven entgegenzuwirken oder auch altersgerechte Lernformen anzubieten. Dies bedeutet nicht nur die altersgerechte Didaktik, sondern auch die Verzahnung mit dem Berufsverlauf, um die Identifizierung zu erreichen. Selbstorganisiertes Lernen in Teams kann eine Möglichkeit sein, den möglichen "Gesichtsverlust" zu vermeiden, wenn ein über Jahre erworbenes Expertenwissen durch obligatorische Weiterbildungsmaßnahmen auf Anfängerniveau zurückgestuft wird.

Verändertes Anlageverhalten bei älteren Kunden

Belegt ist, dass Senioren ein verändertes Anlageverhalten aufweisen - sie haben beispielsweise eine geringere Sparquote als jüngere Menschen. Eine Befürchtung von Kreditinstituten, die über unterschiedliche Argumente hergeleitet werden kann, ist, dass die immer älter werdenden Kunden ihre Ersparnisse in risikoärmere, ertragsschwächere Anlagen umschichten oder sogar die Kassenhaltung - Asset-Meltdown - vorziehen.

Dieses Abschmelzen wird zudem dadurch begünstigt, dass vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfeldes und des Rentenniveaus ein steigender Teil der Pensionäre künftig gezwungen sein wird, auf Ersparnisse und sogar Immobilienvermögen zurückzugreifen. Losgelöst davon wird dieses Abschmelzen auch durch die Zunahme der Bedeutung der privaten Altersvorsorge begünstigt.

Dennoch stellt gerade diese Kohorte der frühen Babyboomer eine interessante Zielgruppe dar, verfügt sie doch über ein höheres Pro-Kopf-Einkommen/Vermögen als beispielsweise Familien mit Kindern. Nach Naegele verfügt die Altersgruppe 55 plus über knapp die Hälfte des Vermögens in Deutschland - dieser Wert soll bis zur Jahrhundertmitte auf zwei Drittel ansteigen. Das höhere Pro-Kopf-Einkommen/Vermögen wird nicht ausreichen, um die rückläufigen Gewinne der Branche bedingt durch die schrumpfende Bevölkerung zu kompensieren.

Bankgeschäft stärker an Bedürfnissen älterer Kunden ausrichten

In einem als realistisch angesehenen Szenario erwarten Berlemann/Oestmann/ Thum bis 2025 für westdeutsche Einlagenbanken einen leichten, für ostdeutsche Einlagenbanken einen dramatischen Gewinnrückgang von etwa 18 Prozent.

Die Verschiebung der Kundenstruktur hin zu den älteren Alterskohorten unterstreicht, auch vor dem Fokus der Finanzstärke dieses Segmentes, die Notwendigkeit einer stärkeren Ausrichtung des Bankgeschäfts an die Bedürfnisstruktur älterer Kunden. Diese Ausrichtung betrifft gleich mehrere Facetten. Zum einen das Produktportfolio selbst, zum anderen aber auch die Servicequalität in Verbindung mit einer altersgerechten Infrastruktur. Abbildung 1 zeigt deutlich, dass diesem Aspekt zumindest auf die Präsenz vor Ort bezogen nicht beziehungsweise nur bedingt Rechnung getragen wird.

Nicht nur die Sparneigung sinkt mit zunehmendem Lebensalter, gleichzeitig verändert sich die Nachfrage nach Geschäfts-, Konsumenten- oder Immobilienkrediten. Gerade Entsparprodukte gewinnen durch die Alterung bei gleichzeitiger Ausdünnung der jüngeren Alterskohorten an Bedeutung, belasten doch die Auswirkungen der nicht mehr existenten "Alterspyramide" die sozialen Sicherungssysteme zunehmend.

Damit gewinnen Produkte einer privaten Altersvorsorge im weitesten Sinn immer mehr an Bedeutung, um Lücken der gesetzlichen Rentenversicherung bestmöglich zu schließen. Bereits 2013 haben Schöning/Nolte von Banken mehr Produktinnovationen gefordert, um der gestiegenen Nachfrage nachzukommen. Eine vertane Chance für Banken liegt in Entsparprodukten wie etwa der "umgekehrten Hypothek". Auch wenn die umgekehrte Hypothek in Opposition zum Wortlaut der europäischen Wohnimmobilienkreditrichtlinie aus dem Jahre 2016 stand und eher stiefmütterlich gehandelt wird, stellt diese eine interessante und im angloamerikanischen Raum weit verbreitete Methode der Altersvorsorge dar.

Regulierung, ob im engeren oder weiteren Sinn sollte Innovationen nicht bremsen, sondern sie vielmehr fördern, auch vor dem Hintergrund, dass die Eigentümerquote der über 65-Jährigen bei nahezu 50 Prozent liegt. Es hat den Anschein, als vermitteln die vorherrschenden Anlagemodelle die Hilflosigkeit der Produktentwickler.

Personalpolitik neu ausrichten?

Losgelöst vom Produkt, weisen Schöning/ Nolte darauf hin, dass ältere Bankkunden oft erfahrene Berater gleichen Alters mit langjähriger Erfahrung jüngeren Mitarbeitern vorziehen. Es wird davon ausgegangen, dass ältere Mitarbeiter besser auf die Bedürfnisse der älteren Kundschaft eingehen können. Zudem wünschen sich gerade ältere Kunden personelle Kontinuität der Beratung, die bei der bisherigen Praxis, kontinuierlich ältere (noch erwerbsfähige) durch jüngere Mitarbeiter zu ersetzen, nicht gewährleistet ist. Banken verlieren dem zufolge die Fähigkeit, ein höchst solventes Kundensegment erfolgreich anzusprechen.

Weiterhin legen ältere Bankkunden besonderen Wert auf "Sekundärtugenden" wie Verlässlichkeit, Sicherheit, Verbindlichkeit, gute Umgangsformen, ein gepflegtes Äußeres der Bankmitarbeiter. Dies deutet darauf hin, dass der Fokus auf einer möglichst jungen Belegschaft einer Neuausrichtung bedarf. Die Ausführungen unterstreichen den Einfluss einer möglicher Weise verfehlten Personalpolitik auf die Kunden der Generation 60 plus.

Hinsichtlich der physischen Infrastruktur sollte ein stärkerer Fokus auf einer altersgerechten Ausgestaltung liegen, wie beispielsweise Barrierefreiheit, gut lesbaren Formularen oder einer altersgerechten Bedienung des Multifunktionsterminals. Welche Default-Einstellung sollte für die Rückgabe der Bankkarte am Multifunktionsdrucker vorliegen, um ein Vergessen der Karte zu verhindern? Oder welche Möglichkeiten des Einsatzes von künstlicher Intelligenz gibt es, um Kunden - gerade mit den uns bekannten geriatrischen Leiden - in der Bewältigung ihrer Bankgeschäfte zu unterstützen?

Physische Bankeninfrastruktur anpassen

Ein weiterer Problemkomplex besteht darin, dass ältere Menschen vergleichsweise eher in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Dies in Verbindung mit der zunehmenden Ausdünnung der physischen Infrastruktur ist daher von Nachteil. Gerade diese Kundengruppe wird sich daher in vielen Regionen künftig auf längere Fahrwege zur nächsten Filiale einstellen müssen. Verhaltensökonomik und Geriatrie sind die hier die beherrschenden Themen.

Darüber hinaus zeigt sich die Generation 60 plus im Durchschnitt weniger technikaffin als jüngere Menschen - so sind die Kunden der Generation Z bereits von Geburt an mit der digitalen Welt vertraut - und schätzen (noch) die persönlichen Dienstleistungen in der Filiale, auch wenn die Nutzung von digitalen, nicht ortsgebundenen Dienstleistungen wie Videotelefonie oder Online-Banking auch in dieser Altersgruppe auf dem Vormarsch sind.

Losgelöst von den unterschiedlichen Annahmen zur Bevölkerungsvorausrechnung deutet alles darauf hin, dass die Anzahl der Bankkunden künftig sinkt und das durchschnittliche Kundenalter weiter steigen wird. Innovationen, wie die digitale Transformation oder auch neue Technologien werden der Generation 60 plus nur einen bedingten Nutzen stiften.

Der Nutzen von sogenannten Community-Banking-Konzepten ist für dieses Segment überschaubar, vielmehr geht es um die Erfüllung des spezifischen Kundenwunsches - der Verzahnung einer Omnikanalwelt unter Beachtung von relevanten Zukunftsthemen dieser Zielgruppen. Innovationen oder die Ausrichtung an den Bedürfnissen erleichtern das Bestehen im Wettbewerbsumfeld. Sie können als notwendige und nicht nur hinreichende Bedingung verstanden werden, will man dauerhaft im Markt bestehen.

An der Schnittstelle zum Kunden vermittelt das Festhalten an Althergebrachtem fast den Anschein einer gewissen Hilflosigkeit innovativ zu sein. Innovationen gerade in Bezug auf die Generation 60 plus sollten Hochkonjunktur haben, sieht man sich doch auf der einen Seite noch immer mit eingetrübten Geschäftsaussichten durch das vorliegende Zinsniveau konfrontiert.

Auf der anderen Seite bietet sich eine durchaus solvente und ertragbringende Zielgruppe an. Die Ausführungen zeigen, dass die bestehende Ausrichtung des Kreditgewerbes nur partiell Lösungen anzubieten hat und durchaus Potenzial in dem Segment der Generation 60 plus zu finden ist.

Chancen nutzen

Ein Verjüngen von Mitarbeitern aus dem Marktbereich darf nicht dazu führen, dass der Generation 60 plus plötzlich "gleichwertige" Ansprechpartner fehlen. Vielmehr macht es das steigende Durchschnittsalter der Belegschaften notwendig, gerade in ältere Beschäftigte zu investieren. Das Stichwort hier ist "lebenslanges Lernen", um Qualifikationsrückstände oder auch Lernentwöhnung zu vermeiden.

Noch besteht die Möglichkeit, die Zukunft aktiv zu gestalten und sich nicht durch die Wucht der Umsetzung beziehungsweise der wahr gewordenen Realität treffen zu lassen, wie dies vor wenigen Jahren durch das Aufkommen der Fintechs oder digitaler Währungen erfolgte. Selbst die Politik hat zwischenzeitlich das Einflusspotenzial einer steigenden Zahl älterer Menschen erkannt. Eine Realität, die von vielen anderen Branchen - Pharma-/Reise- oder Versicherungsbranche - bereits nicht nur marketingtechnisch erkannt, sondern zudem auch produkttechnisch umgesetzt wurde.

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Zum Autor Dr. Thomas Metzner, Dozent für BWL, Internationale Berufsakademie der F + U Unternehmensgruppe GmbH, Heidelberg

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