Altersvorsorge

Die Deutschland-Rente stärkt das Vertrauen in die Altersvorsorge

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Mit dem "Festschrauben" des derzeitigen Rentenniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung lässt sich das demografische Problem nicht lösen, so Thomas Schäfer. Zusätzliche Vorsorge tut also not, ist aber in Deutschland bisher kein Erfolgsmodell, weil sich viele durch Komplexität und Kosten bisheriger Lösungen abschrecken lassen. Diese Bevölkerungsgruppen soll die Deutschland-Rente als staatlich organisierte Alternative ohne Gewinnabsichten erreichen. Indem sie stärker als bisherige Produkte auf Aktien setzt, soll zugleich eine höhere Rendite erwirtschaftet werden. Red.

Betriebliche und private Altersvorsorge sind in Deutschland unterentwickelt. Der Staat muss hier stärker in die Verantwortung gehen, ansonsten droht zukünftige Altersarmut. Deshalb habe ich zusammen mit Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und Sozialminister Stefan Grüttner die Deutschland-Rente entwickelt. Sie ist ein einfaches, kostengünstiges Standardprodukt für jedermann. Sie wird zum Selbstkostenpreis von einem zentralen Rentenfonds verwaltet, damit das Geld, das Bürger für ihre zusätzliche Altersvorsorge beiseitelegen, sicher vor überteuerten Angeboten ist. Die Deutschland-Rente sorgt für Orientierung in einem unübersichtlichen Markt, schafft Vertrauen und hilft vor allem, der Altersarmut vorzubeugen. Der Staat organisiert sie und steht dafür mit seinem guten Namen: Daher nennen wir sie die Deutschland-Rente.

In wenigen Jahren gehen die Babyboomer in Rente und der massive Einbruch der Geburtenzahlen nach 1965 wird in Deutschland deutlich spürbar. Gleichzeitig steigt seit vielen Jahren die Lebenserwartung der Menschen. Das führt zwangsläufig zu großen Belastungen für das umlagefinanzierte Rentensystem. Die Folge: Durch den demografischen Wandel wird der Lebensstandard im Alter in den nächsten Jahrzehnten bei vielen Menschen in Deutschland deutlich sinken und Altersarmut erheblich zunehmen.

Zusätzliche Altersvorsorge ist in Deutschland bislang kein Erfolgsmodell

Der Gesetzgeber hat wegen des demografischen Wandels bereits damit begonnen, das Standard-Rentenniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung abzusenken. Um auch zukünftig ein vergleichbares Versorgungsniveau wie heute zu erreichen, muss die Lücke aus der geringeren gesetzlichen Rente durch betriebliche und private Altersvorsorge geschlossen werden. Hierfür gibt es seit dem Jahr 2001 eine verstärkte staatliche Förderung zum Beispiel durch Zulagen für die Riesterrente oder die begünstigte Entgeltumwandlung in der betrieblichen Altersvorsorge.

Dennoch ist der Verbreitungsgrad der zusätzlichen Altersvorsorge völlig unzureichend. In Deutschland hat nur etwa die Hälfte der Beschäftigten eine Anwartschaft auf betriebliche Altersvorsorge erworben, in kleinen Betriebsstätten sogar nur jeder Vierte. Auch private Riester-Produkte nimmt noch nicht einmal die Hälfte der Berechtigten in Anspruch, bei Beziehern geringer Einkommen ist dieser Anteil noch einmal deutlich kleiner. Zudem werden die Zulagen häufig nicht voll ausgeschöpft.

Bei diesen Zahlen ist klar: Zusätzliche Altersvorsorge ist in Deutschland bislang kein Erfolgsmodell. Andere Länder sind deutlich besser aufgestellt und erreichen in der betrieblichen Altersvorsorge einen Verbreitungsgrad von etwa 90 Prozent.

Viele Gründe für das Zögern

Komplexität und hohe Kosten vieler Produkte der betrieblichen und privaten Altersvorsorge schrecken vor allem kleine Unternehmen und Arbeitnehmer ab. Die berechtigte öffentliche Kritik an den zum Teil völlig überteuerten Riester-Produkten hat viele mittlerweile stark verunsichert. Gerade junge Menschen halten sich daher bei dem Thema zusätzliche Altersvorsorge sehr zurück. Zudem sind Altersvorsorgeverträge für Personen mit geringerem Einkommen häufig verhältnismäßig teuer, da diese in der Regel nur kleinere Beträge ansparen können und die Gesamtkosten im Verhältnis zu den eingezahlten Beträgen tendenziell höher ausfallen.

Im Übrigen zeigen auch die Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie, dass selbst geringer Aufwand Menschen davon abhält, Entscheidungen zu treffen. Die Folge: Durch die starken Verharrungskräfte im Status quo betreiben viel zu viele Menschen überhaupt keine zusätzliche Altersvorsorge.

Ausweitung der staatlichen Förderung reicht nicht

Es ist nicht ausreichend, die bestehende staatliche Förderung einfach auszuweiten. Bei einer Familie mit zwei nach 2008 geborenen Kindern und entsprechendem Einkommen zahlt der Staat schon heute bis zu 93 Prozent des Beitrags. Zudem werden Freibeträge und Zulagen vielfach nicht voll ausgeschöpft. Ursache ist also nicht eine zu geringe staatliche Förderung.

Auch die Tarifparteien konnten in der Vergangenheit keinen Durchbruch für die betriebliche Altersvorsorge erzielen. Zudem sind tarifvertragliche Lösungen gerade für die besonders betroffenen kleinen Unternehmen und deren Beschäftigte, die häufig nicht tarifgebunden sind, wenig zielführend.

Demografische Probleme lassen sich mit der gesetzlichen Rente nicht lösen

Schließlich macht es auch keinen Sinn, die bereits Anfang 2000 beschlossene Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus einfach zu stoppen. Von 2016 bis 2022 bleibt das Sicherungsniveau vor Steuern nach dem Rentenversicherungsbericht 2016 auf dem heutigen Niveau noch weitgehend stabil und steigt kurzfristig sogar. In diesem Zeitraum gibt es also überhaupt nichts zu "stoppen".

Die anschließende Absenkung ab dem Jahr 2022 bis 2030 von voraussichtlich 47,7 auf 44,5 Prozent geht mit gleichzeitig voraussichtlich deutlich steigenden Beitragssätzen von 18,9 Prozent auf 21,8 Prozent einher. Diese Tendenz setzt sich danach fort: Im Jahr 2045 liegen die Beitragssätze nach den jüngsten Prognosen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bei 23,6 Prozent und das Rentenniveau bei 41,7 Prozent.

Selbst wenn es zu einzelnen Korrekturen in der gesetzlichen Rentenversicherung kommen sollte, lässt sich das Grundproblem des demografischen Wandels mit einem "Festschrauben" des heutigen gesetzlichen Rentenniveaus von 48 Prozent nicht lösen. Die Folge wäre selbst unter Annahme der (aktuell sehr guten) wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Rahmenbedingungen laut den Prognosen ein noch stärkerer Anstieg der Beitragssätze auf 26,9 Prozent im Jahr 2045. Bei solch hohen Beitragssätzen drohen aber mittel- und langfristig volkswirtschaftlich erhebliche schädliche Auswirkungen.

Das wäre auch unverantwortlich und schlichtweg Verrat an der jüngeren Generation. Denn die heute jüngere Generation zahlt dann über die höheren Beiträge für einen kurzfristigen Aufschub der Rentensenkung, hat aber am Ende selbst nichts mehr davon.

Wir müssen daher über neue Wege nachdenken. Der Staat muss gerade den kleinen Unternehmen und Arbeitnehmern, die sich in dieser Materie nicht gut auskennen, die heute weit verbreitete Angst vor Komplexität und hohen Kosten der zusätzlichen Altersvorsorge nehmen.

Deutschland-Rente als Alternative

Hierfür brauchen wir für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sich bei der Auswahl eines privaten Riester-Produktes schwer tun, ein einfaches, kostengünstiges und transparentes Standardprodukt, das der Staat organisiert.

In der Praxis könnte das wie folgt funktionieren:

- Arbeitgeber führen die Beiträge für das Standardprodukt an den eigenständigen und unabhängigen Deutschlandfonds ab.

- Der Deutschlandfonds arbeitet ohne eigenes Gewinninteresse auf Selbstkostenbasis.

- Jeder Einzahlende erwirbt für seine eingezahlten Beiträge quasi einen Anteil an dem Fondsvermögen des Deutschlandfonds.

- Für das Standardprodukt der Deutschlandrente gibt es - wie bei anderen Riester-Produkten - die Zulagenförderung und einen ergänzenden Sonderausgabenabzug.

- Wie bei entsprechenden Fondsvermögen privater Anbieter sind auch die Mittel in dem Deutschlandfonds durch Artikel 14 des Grundgesetzes vor staatlichem Zugriff automatisch geschützt. Denn es handelt sich hier - anders als etwa bei den Rückstellungen für die Beamten oder einigen ausländischen Pensionsreservefonds - nicht um ein Sondervermögen des Staates.

- Für Personen mit geringerem Einkommen wird das Standardprodukt so ausgestaltet, dass Kostennachteile nicht entstehen, auch wenn die Anlagebeträge verhältnismäßig niedrig sind.

Das Standardprodukt soll im Ergebnis einer reinen Beitragszusage entsprechen ("pay and forget"). Die Arbeitgeber müssen dann nicht mehr nach vielen Jahrzehnten mit Haftungsrisiken rechnen. Daneben entstehen bei einem Wechsel des Arbeitgebers keine Komplikationen. In der Auszahlungsphase wird eine lebenslange Rente gewährt.

Mit der "technischen" Einzahlung über den Arbeitgeber reduzieren sich im Vergleich zu Einzahlungen durch den Arbeitnehmer die Verwaltungskosten. Zugleich fallen aufgrund der einfachen und transparenten Ausgestaltung des Standardproduktes Komplexität und hohe Verwaltungskosten vor allem für kleine Unternehmen weg. Auch können Arbeitnehmer bei dem zentralen Rentenfonds darauf vertrauen, dass sie keinen überteuerten Angeboten aufsitzen werden. Natürlich verbleibt den Unternehmen sowie Arbeitnehmern die freie Entscheidung, ob sie betriebliche oder private Altersvorsorge über den Deutschlandfonds oder über andere Anbieter durchführen wollen.

Opt-in statt Opt-out

Gleichzeitig sollte das bisherige "Opt-in" durch ein "Opt-out" ersetzt werden. Das heißt Arbeitnehmer betreiben zusätzliche Altersvorsorge, sofern sie gegenüber dem Arbeitgeber nicht aktiv widersprechen. Damit haben auch junge Beschäftigte quasi automatisch einen frühzeitigen und einfachen Zugang zur zusätzlichen Altersvorsorge. Andere Länder erreichen mit dem "Opt-out" einen Verbreitungsgrad von etwa 90 Prozent. Auch in Deutschland können wir auf diesen "sanften" Zwang nicht verzichten, wenn wir ernsthaft Altersarmut bekämpfen wollen.

Im Einzelnen könnte das "Opt-out" in Anlehnung an die jüngsten Reformen in Großbritannien wie folgt ausgestaltet werden: Der Arbeitgeber zahlt für den Arbeitnehmer einen gesetzlich festgelegten Pflichtbeitrag vom "Nettolohn" (zum Beispiel Mindesteigenbeitrag für Riester-Produkte) in den Deutschlandfonds oder ein privatwirtschaftliches Produkt (Wahlpflicht), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht schon in ein Altersvorsorgesystem einbezogen hat und der Arbeitnehmer nicht widerspricht (zum Beispiel, weil er bereits über andere Anbieter privat vorsorgt).

Dabei sind verbindliche Regelungen zur betrieblichen Altersvorsorge, beispielsweise über Tarifverträge, von der Möglichkeit des "Opt-out" nicht betroffen.

Höherer Aktienanteil als derzeitige Altersvorsorgeprodukte

Der zentrale Rentenfonds setzt auf ein breit gestreutes Anlageportfolio mit einem höheren Aktienanteil als viele derzeitige Altersvorsorgeprodukte. Aktien spielen in der kapitalgedeckten Altersvorsorge in Deutschland heute leider nur eine geringe Rolle. Das Sparkapital wird vielmehr ganz überwiegend in festverzinsliche Wertpapiere gesteckt. Beschäftigte in Deutschland profitieren daher kaum von der langfristig deutlich höheren Rendite des Produktivvermögens. Das sah vor gut 100 Jahren noch ganz anders aus, als in Deutschland sogar ein höherer Anteil des Bruttonationalprodukts in Aktien angelegt war als in den USA.

Um die Beteiligten an der volkswirtschaftlichen Entlohnung des Produktionsfaktors Kapital stärker zu beteiligen, sollte nicht nur der Deutschlandfonds, sondern auch die kapitalgedeckte Altersvorsorge insgesamt deutlich stärker auf Aktien setzen. Die kurzfristig hohe Volatilität der Börsenwerte stellt bei der langfristig ausgerichteten Altersvorsorge kein Problem dar. Ab einem Anlagehorizont von rund 20 Jahren erzielten Aktienanlagen beispielsweise auf den Dax in der Vergangenheit eine durchschnittliche positive Rendite von mindestens fünf Prozent und im Mittel rund neun Prozent. Durch einen höheren Aktienanteil könnte gleichzeitig mehr Kapital für den Aktienmarkt und Börsengänge junger Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um Wachstum und Innovationen zu finanzieren.

Mit diesem Maßnahmenpaket wird das Vertrauen in die zusätzliche Altersvorsorge gestärkt, ein sinnvoller Wettbewerb für einfache und kostengünstige Altersvorsorgeprodukte geschaffen und im Ergebnis ein wichtiger Beitrag gegen eine massive Zunahme von Altersarmut in Deutschland geleistet.

Zum Autor Dr. Thomas Schäfer, MdL, Hessischer Staatsminister der Finanzen, Wiesbaden
Dr. Thomas Schäfer , Hessischer Minister der Finanzen, Wiesbaden
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