Digitalisierung

Digitale Banking-Services: Elfmeter für die Etablierten

Dr. Christian Kastner, Geschäftsführer, Star Finanz GmbH, Hamburg

Trotz zunehmender Konkurrenz von Fintechs und Tech-Giganten wie Google, Facebook oder Amazon ist die Bindung der Privatkunden an ihre Hausbanken in Deutschland nach wie vor stark. Ein Ausruhen auf diesem Status quo ist zwar gefährlich. Dennoch müssen Kreditinstitute keine Angst vor den Newcomern haben, meint Christian Kastner. Vielmehr überwiegen die Chancen für die Etablierten. Das erfordert freilich nicht nur die Entwicklung neuer digitaler Services mit einem Mehrwert für die Kunden. Sondern diese müssen auch richtig kommuniziert werden. Vor allem bei der Kommunikation sieht der Autor jedoch noch Luft nach oben. Sowohl die interne Kommunikation als auch die Vermarktung neuer Angebote sind noch verbesserungswürdig. Red.

Das Thema ist bekannt, und treibt Sparkassen und Banken dennoch um wie wenige zuvor. Sie wissen: Um die eigenen Kunden zu halten und neue Zielgruppen anzusprechen, müssen sie sich strecken. Denn ob Online-Banken, Fintechs oder in Kürze eventuell auch Global Player wie Google oder Apple - das Konkurrenzumfeld für Sparkassen und Banken in Deutschland wächst und stellt diese zunehmend vor Herausforderungen.

Fakt ist einerseits: Die Kunden sind durch das Internet viel selbstbestimmter geworden. Die Abwicklung alltäglicher Banking-Geschäfte findet heute fast nur noch digital statt. Laut einer Studie von Mastercard ist zwar nur eine Minderheit bereits Kunde einer Digitalbank, doch mit 79 Prozent nutzt die überwiegende Mehrheit bereits Online- oder Mobile-Banking.

Kommunikation mit Bankkunden bald nur noch über mobile Geräte

Fakt ist aber auch, dass die meisten Sparkassen und Banken in Deutschland über ansprechende digitale Services verfügen. Ginge es alleine nach den Innovationswünschen der Kunden, gäbe es laut einer Studie der Comdirect für die Banken kaum Handlungsbedarf. So gaben 77 Prozent der Befragten an, dass sie mit dem Innovationsgrad zufrieden sind; und 97 Prozent sind mit ihrer Hausbank "eher" bis "sehr zufrieden".

Die Zahlen zeigen, dass in Deutschland die Bindung der Kunden an ihre Hausbanken nach wie vor stark ist. Doch dasselbe können auch Technologieriesen wie Google oder Facebook behaupten: Per Smartphone oder Tablet, Apps und sozialen Netzwerken sind sie tief im Leben der Nutzer verwurzelt. Schon bald, so die Befürchtung, könnten Banken den direkten Kontakt zu ihren Kunden verlieren.

Bislang sind Google, Amazon, Facebook und Apple mit wenigen Finanzdienstleistungen aktiv, meist beschränkt auf einzelne Länder. So können Nutzer von Google-Mail per E-Mail Geld verschicken, Amazon hat mit Amazon Pay ein eigenes Bezahlsystem und vergibt Kredite. Auch über den Facebook-Messenger kann in manchen Ländern Geld verschickt werden, Apple ist außerhalb Deutschlands mit seinem Bezahlsystem Apple Pay aktiv.

Banking-Markt in Bewegung

Die neusten Entwicklungen zeigen: Der Banking-Markt ist in Bewegung. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Fähigkeit der Finanzinstitute, innovative digitale Services erfolgreich zu lancieren, dramatisch an Bedeutung. Sparkassen und Banken stehen hier heute insbesondere vor der Herausforderung, mobile Anwendungen zu entwickeln und zu vermarkten, um in wenigen Jahren überhaupt noch mit ihren Kunden in Kontakt treten zu können. Denn, daran besteht kaum Zweifel, in absehbarer Zeit wird der überwiegende Teil der Kunden weitestgehend nur noch über mobile Devices mit Sparkassen und Banken kommunizieren.

Keine Angst vor den Newcomern: Chancen für Finanzinstitute überwiegen

Vor dieser Entwicklung müssten sich Sparkassen und Banken eigentlich nicht fürchten. Stellen sie es richtig an, ist die Digitalisierung und "Mobilisierung" der Finanzdienstleistungen für die etablierten Player vor allem mit Chancen verbunden.

Die Finanzinstitute haben eine Reihe von Trümpfen in den Händen, die sie gegenüber Facebook, Google und Fintechs ausspielen können. Dazu gehören

- das hohe Vertrauen der Kunden,

- die oft langjährige Beziehung der Banken und Sparkassen zu ihnen sowie daraus hervorgehend

- detaillierte Daten über das Verhalten und die Wünsche der Kundengruppen.

Noch scheuen sich Sparkassen und Banken allzu oft, diese Möglichkeiten für ihre Zwecke einzusetzen, oder sie be fassen sich noch zu wenig damit. Ein Umdenken an dieser Stelle ist jedoch zu erwarten, denn ab 2018 werden mit der neuen EU-Richtlinie PSD2 verstärkt Drittanbieter in mögliche Lücken vorstoßen.

Gut ist, was Mehrwert schafft

Im Fokus der Drittanbieter steht die traditionelle Wertschöpfungskette der Sparkassen und Banken. Denn ob Girokonto, Kredite, Payment oder Factoring - bis heute ziehen die Finanzinstitute aus jedem der einzelnen Bestandteile des Bankings Margen. Das Erfolgsmodell der Fintechs basiert im Prinzip darauf, einzelne, profitable Dienstleistungen herauszupicken und dafür eigene Lösungen zu entwickeln.

Die Fintechs spezialisieren sich dabei fast immer auf möglichst einfache, nutzerzentrierte Lösungen. Dabei machen sie sich zunutze, dass die Trends der kommenden Jahre einem Stichwort untergeordnet werden: Einfachheit. Das, was den Kunden bedarfsgerecht berät, wird sich durchsetzen. Anwendungen, die Komplexität verringern und nicht nur Banking, sondern auch weitere Services unter einem Dach vereinen, werden Erfolg haben. Gut ist, was Mehrwert schafft.

Banking-Angebote auf Grundlage personenbezogener Datenauswertungen

Hier können Sparkassen und Banken perfekt auf ihrem Datenschatz aufbauen. Die langjährigen Kundenbeziehungen machen es möglich. Aufgrund der digitalen Datenströme sind Sparkassen und Banken heute in der Lage wie nie zuvor, jederzeit genau zu wissen, was der Kunde gerade will oder wonach er sucht. Anlässe wie der erste Mietvertrag können sie heute auf Basis von Nutzerdaten im Internet erkennen.

Die Finanzinstitute können solche Anlässe dann nutzen, um Kunden ganz gezielt mit passenden, anlassbezogenen Services anzusprechen. Unterzeichnet also ein Kunde seinen ersten Mietvertrag, kann die Sparkasse oder Bank beispielsweise mit einem Kreditangebot für den Möbelkauf auf ihn zugehen. Eine solche Analyse der Daten und die darauf aufbauende Generierung von Services ist für Kreditinstitute sehr attraktiv.

Die etablierten Institute können sich hier viel von der unbedingten Nutzerorientierung der neuen Player abschauen, die bei ihren Lösungen den User ohne Kompromisse in den Fokus rücken wollen. Die Fintechs haben hier den Vorteil, dass sie insgesamt freier in der Gestaltung neuer Services sind. Im Gegensatz zu klassischen Finanzinstituten müssen sie weniger Rücksicht auf die Bedürfnisse und Gewohnheiten langjähriger Bestandskunden nehmen.

Eine Frage der Unternehmenskultur

Doch das soll keine Ausrede sein, auch Sparkassen und Banken haben erkannt, dass es essenziell ist, sich bei der Weiterentwicklung der digitalen Services an den Prämissen Einfachheit und Nutzerzentrierung zu orientieren.

Die Entwicklung entsprechender Angebote ist auch eine Frage der Unternehmenskultur. Grundsätzlich liegen der Verbesserung von User Experience und Usability mutige Entscheidungen zugrunde. In den USA sind Mentalität und Kultur hinsichtlich der Entwicklung neuer, kundenorientierter Services grundverschieden zur deutschen oder europäischen Herangehensweise. Verschiedene Dinge ausprobieren und das Scheitern als wertvollen Teil kreativer Schöpfung zu akzeptieren sind dort wesentliche Bestandteile der unternehmerischen DNA.

Kooperationen bieten Mehrwerte für beide Seiten

Fintechs setzen den Fokus auf den Nutzer und machen jegliche Entwicklung von ihm und seinen Bedürfnissen abhängig, Sie sind agil und entwickeln rasch in eine bestimmte Richtung. Es ist daher die Herangehensweise, die die Quelle der Inspiration für etablierte Finanzinstitute ist.

Die Erfahrung zeigt, dass aus Kooperationen zwischen Sparkassen und Banken mit Fintechs Mehrwerte für beide Seiten entstehen. Institute können viel von der Vorgehensweise der Fintechs lernen, und die jungen Unternehmen profitieren ihrerseits von der Expertise und dem Kundenstamm der etablierten Häuser. Genau hier liegt für eben diese eine Chance. Im Rahmen von Kooperationen mit den Fintechs entwickeln sie gemeinsam Lösungen für eigene Kundengruppen. Mit neuen Programmierschnittstellen öffnen sich die Finanzinstitute der Innovationskraft der Fintechs und schaffen gemeinsam mit diesen die Grundlage für eine neue Wertschöpfung.

Interne Kommunikation als Schlüsselfaktor

In den letzten Jahren und Monaten haben fast alle Sparkassen und Banken in Deutschland entsprechende digitale Projekte vorangetrieben. Nach unserer Erfahrung ist es aber genauso entscheidend, dass die Finanzinstitute intern von Anfang an Transparenz darüber schaffen, was innerhalb ihrer Organisation passiert.

Bei der Kommunikation digitaler Services haben Sparkassen und Banken durchaus noch Luft nach oben. Auch die innovativsten Apps bringen nichts, wenn die Kunden sie nicht kennen und nutzen. Um auch die "uninformierten" Verbraucher abzuholen und die eigenen digitalen Services bekannt zu machen, müssen die Finanzinstitute ganz maßgeblich bei der internen Kommunikation den eigenen Mitarbeitern gegenüber ansetzen. Denn nur wenn diese die digitalen Angebote verstehen und möglichst selbst anwenden, sind sie effektiv in der Lage, diese den Kunden weiterzuempfehlen. Sparkassen und Banken, welche die interne Kommunikation als Schlüsselfaktor ihrer Digitalisierungsstrategie verstehen, erzielen hier die besten Resultate.

Vermarktung auf digitalen Kanälen

Bei der Kommunikation der digitalen Services nach außen sind die etablierten Finanzinstitute durch ihre Marktpräsenz und Bekanntheit in einer starken Position. Doch auch hier ist ein Umdenken Voraussetzung, um die Kanäle, über die die Sparkassen und Banken ihre Kunden erreichen, optimal zu bespielen.

Apps, die mit Papiermailings beworben werden, gehören der Vergangenheit an. Stattdessen bieten sich Sparkassen und Banken durch die Ausgestaltung und Umsetzung zielgerichteter Online- und Direkt-Marketing-Kampagnen neue Chancen. Ein Beispiel ist die bei den Sparkassen im vergangenen Jahr lancierte P2P-Payment-Funktion "Kwitt". Die neue Lösung ist in die Sparkassen-App integriert und wurde im Rahmen einer stark zielgruppengerichteten Kampagne konsequent auf den digitalen Kanälen beworben. Die Anzahl der Downloads in den App-Stores sowie die Transaktionen in der App geben schnell Aufschluss über den Erfolg einzelner Werbemaßnahmen.

Präsenz auf dem Smartphone zahlt sich aus

Nicht zu vernachlässigen sind zudem Marketingeffekte, die sich durch Bankanwendungen auf den Smartphones der Nutzer ergeben. So erzielen einige Apps zwar unmittelbar keine Erlöse, bringen die Bank aber durch die schiere Präsenz auf dem Handy, dem Device, auf das Nutzer am meisten schauen, stündlich ins Bewusstsein der Kunden. Die Banken profitieren alleine, indem ihr Logo auf dem Display zu sehen ist und eine weitere Ansprachen über die App erfolgen können. Digitale und mobile Banking-Services setzen sich durch, wenn sie Probleme für den Nutzer lösen oder wenn sie bessere Lösungen für bestehende Probleme anbieten. Wenn sie für Zeitersparnis stehen, einfacher und günstiger sind oder schlicht mehr Spaß in der Anwendung machen. Der Mehrwert für den Nutzer muss klar ersichtlich sein.

Die Bedürfnisse und Ziele der Anwender sind ausschlaggebend: Wer dort ansetzt, hat Erfolg. Die etablierten Sparkassen und Banken in Deutschland sind in einer guten Ausgangslage. Schaffen sie es, ihre inhärenten Stärken zu nutzen, auf Basis personenbezogener Daten passende Services zu entwickeln und individuell zu vermarkten, haben sie die Chance, Bestandskunden zu halten und mit nutzerzentrierten Lösungen langfristig auch neue Kundengruppen an das Institut zu binden.

Zum Autor Dr. Christian Kastner, Geschäftsführer, Star Finanz GmbH, Hamburg
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