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Digitalisierung: Der Anfang ist gemacht

Michael Moschner, Geschäftsführer, der Süd-West-Kreditbank Finanzierung GmbH, Bingen

Noch steckt die Digitalisierung in deutschen Banken in den Kinderschuhen, so Michael Moschner. Am Beispiel Ratenkredit zeigt er aber, wo die Reise hingehen kann. Schon heute können Kunden mit dem medienbruchfreien Kreditabschluss fünf Werktage einsparen. Künftig lässt sich ein Kredit auch "auf Vorrat" buchen, um ihn bei Bedarf in Anspruch nehmen zu können. Moschner warnt aber auch vor überzogenen Erwartungen. Denn die Akzeptanz neuer Verfahren stellt sich nicht von heute auf morgen ein. Deshalb gilt es, die Balance zwischen Innovation und Konstanz zu wahren. Red.

Die Digitalisierung in deutschen Banken steckt noch in den Kinderschuhen. Bankmanager müssen schon heute die Weichen stellen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Viele Institute erkennen jetzt die Zeichen der Zeit.

In allen Bereichen der Wirtschaft und im Privatleben wird von der Digitalisierung gesprochen. Dies reicht von ausgeklügelten Beschaffungsketten, Produktionsprozessen über Verwaltungsabläufe bis hin zu Lösungen von "Smart-Home", dezentralen Energieversorgungssystemen und Unterhaltungsmedien. Die Digitalisierung in den Kreditinstituten konzentriert sich noch weitgehend auf die Abwicklung von internen Verwaltungsvorgängen im Wertpapierhandel und Kreditgeschäft sowie im Zahlungsverkehr. Dies sind aber meist bekannte und alt hergebrachte Vorgänge, deren Bearbeitung mithilfe der Digitalisierung lediglich verbessert oder beschleunigt wird.

Der völlig digitale Kredit

Ein echter Meilenstein auf dem Weg der Prozessoptimierung ist mit dem ersten vollständigen medienbruchfreien Ratenkredit der SWK Bank im Januar 2017 erreicht worden. "Medienbruchfrei" heißt in diesem Zusammenhang, dass der Kunde von jedem internetfähigen Endgerät mit Videokamera einen Ratenkredit in Anspruch nehmen kann. Und zwar in nur einer Session und völlig ohne Papier.

- Im ersten Schritt werden die Zugangsdaten des Online-Banking bei der Hausbank des Kunden abgefragt. Nach erfolgreicher Überprüfung der eingegebenen Zugangsdaten, wird eine Verbindung zum Online-Banking aufgebaut.

- Die Datenlieferung (Kontobewegungsdaten) der Hausbank wird dann in den institutseigenen IT-Systemen verarbeitet.

- Es erfolgt anschließend eine Klassifizierung der Lebenshaltungskosten des Kunden und die Überprüfung dieser Daten auf negative Merkmale.

- Nach dem vollständigen Scoring wird die finale Kreditentscheidung an den Antragsteller übermittelt.

- Wurde der Kredit gewährt, muss sich der Kunde im nächsten Schritt legitimieren. Dies erfolgt online im Institut über einen Operator. Dabei werden die Ausweisdaten des Kunden sowie die Sicherheitsmerkmale des Ausweisdokuments geprüft.

Im nächsten Schritt wird der Kunde in ein Trustcenter zur elektronischen Vertragssignatur weitergeleitet. Dort hat er die Möglichkeit, den Kreditvertrag nach Bestätigung der Checkboxen mit einer Signatur-PIN, die er per SMS auf sein Handy erhält, elektronisch zu unterzeichnen. Nach Abschluss des Prozesses erhält die Bank automatisiert den signierten Datensatz und archiviert diesen in dem System. Damit der Kunde innerhalb eines Bankarbeitstages die Gutschrift erhält, wird die Auszahlung automatisiert angestoßen. Der Kunde kann sich zusätzlich den digital unterzeichneten Kreditvertrag direkt downloaden und ausdrucken.

Fünf Arbeitstage gespart

Im Vergleich zu einem konventionellen Antragsprozess spart der Kunde beim medienbruchfreien Ratenkredit enorm viel Zeit und Aufwand. Der Gang zur Post für das Postident-Verfahren entfällt ebenso wie Ausdruck, Unterschrift und Versand der Vertragsunterlagen. Im Schnitt spart der Kreditnehmer so etwa fünf Arbeitstage. Dieser vollständig automatisierte und papierlose Prozess ist Maßstab für die Bank: 100 Prozent digital.

Diese Prozessstrecke ist nicht auf das Eigengeschäft der Bank beschränkt. Sie steht damit auch Partnern als White-Label-Lösung zu Verfügung. Hier können die Partnerinstitute, mit einer schlanken Anbindung, sehr schnell von den Vorteilen des digitalen Antrags- und Entscheidungsprozesses profitieren (Time-to-market).

Neue Geschäftsfelder

Der Begriff der Digitalisierung umfasst viel mehr als die Optimierung bekannter Prozessketten. Die Branche kann sich heute kaum vorstellen, wie sich das Bankgeschäft im Retailbanking in der Zukunft entwickeln wird. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig.

- Ein wesentlicher Faktor ist, dass der Gesetzgeber mit der PSD2-Richtlinie einen Standard geschaffen hat, mit dem die unterschiedlichsten Dienstleister auf die Zahlungsverkehrsdaten der kontoführenden Banken zugreifen und diese im Kundenauftrag nutzen dürfen.

- Ein zweiter Grund für die weitere Digitalisierung ist, dass sowohl der stationäre als auch der Online-Handel nach Systemen suchen, die die Zahlungsvorgänge sicherer, schneller und billiger machen. Andere Länder machen es schon vor. Bargeld ist in vielen Regionen der Welt oft nur noch die Währung von Touristen. Einheimische bezahlen bereits mit Handy oder einfachen Codes, die zum Einzug des Kaufpreises berechtigen. Inwieweit diese Systeme denen des europäischen Standards entsprechen, bleibt dabei weitgehend im Dunkeln. Aber sie geben durchaus die Richtung möglicher Entwicklungen vor.

Das bedeutet zum einen, dass die klassischen Trennungen von Aktiv-/Passivgeschäft und Zahlungsverkehr immer weiter verschwinden beziehungsweise immer weiter zusammenrücken werden. Zum anderen werden ganz neue Geschäftsfelder für Banken und Nichtbanken entstehen, die ihren Ursprung in der Nutzung der Kundenkontendaten haben.

Zukunft der Digitalisierung

Auf dem Weg der fortschreitenden Digitalisierung gilt es, drei Bereiche genau zu prüfen und zu beachten. Es sind zunächst die Regeln der Aufsichtsorgane und -behörden genauestens einzuhalten. Sie sollen dafür sorgen, dass die Sicherheit des Bankensystems und aller Marktteilnehmer zu jedem Zeitpunkt gewährleistet ist. Allein an diesen Voraussetzungen scheitern viele Ideen aus der Fintech- und Bankenbranche oft schon im Ansatz - und das meist zu Recht. Denn das Vertrauen in das Bankensystem und deren Prozesse darf nicht durch fehlgeleitete Digitalisierungsbemühungen strapaziert werden.

Der zweite Bereich betrifft die Soft- und Hardware. Speichermedien werden immer größer und billiger, sodass Analysen, Auswertungen, Datenspeicherungen und elektronische Dokumentenablagen im Massengeschäft keine Herausforderungen mehr darstellen. Um dagegen den Ansprüchen der Kunden an möglichst schlanke Abwicklung der Bankgeschäfte genügen zu können, benötigt man flexible Systeme und schnelle Entwicklungsphasen, um den Kunden den höchsten technischen Standard anzubieten, der heute gefordert wird. Release-Zyklen von mehreren Monaten sind dann nicht mehr akzeptabel.

Der dritte Bereich ist die Akzeptanz der neuen Prozesse und Produkte, die die fortschreitende Digitalisierung für die Retail- und Business-Kunden bringen werden. Erfahrungsgemäß kann Akzeptanz nicht im Hauruckverfahren geschaffen werden. Daher ist es wichtig, immer die bestehenden und vom Kunden gelernten Systeme weiterhin anzubieten.

Zwei Beispiele machen dies deutlich. Mit der Einführung der Online-Legitimation rechneten manche damit, dass das Postident-Verfahren zur Legitimation eher bald in den Hintergrund rücken wird. Weit gefehlt, nach wie vor nutzen sehr viele Kunden dieses Verfahren. Der Anteil der Nutzer der Online-Legitimation steigt über die Zeit und mit weiteren Verschlankungsprozessen stetig an. Gleiches gilt für den medienbruchfreien Ratenkredit. Trotz dieser sehr komfortablen Antragsstrecke nutzen Kunden nach wie vor die "klassische" Antragsstrecke.

Akzeptanz von neuen Verfahren braucht Zeit

Im Ergebnis heißt dies, dass Anbieter von neuen und innovativen Prozessen die Akzeptanz ganz genau testen und beobachten müssen. Es muss immer die Balance, aus Innovationen, die dem Kunden weiteren Nutzen bringen und Konstanz, von bewährten und gelernten Prozessen und Abläufen, gehalten werden. Daher bietet die SWK Bank stets die Prozesse für die Kunden, in denen sie sich am besten aufgehoben fühlen.

Um hier die Entwicklung der Kundenwünsche immer wieder zu überprüfen und anzupassen, müssen die Kunden stetig über verschieden Kanäle und Anlässe hinweg zu ihren Bedürfnissen und Erwartungen befragt beziehungsweise muss deren Nutzerverhalten analysiert werden. Wenn das gut gelingt, kann in einem an sich gesättigten Ratenkreditmarkt eine Direktbank dynamisches Wachstum erzielen.

Kredit auf Vorrat

Die weitere Digitalisierung rückt den günstigen Ratenkredit und den Zeitpunkt des Produktkaufs im Retailbanking noch enger zusammen. Wenn entsprechendes Geldvermögen fehlt, werden heute hochwertigere Konsumgüter meist über einen teuren Kontokorrentkredit der Hausbank finanziert. Dann wird entweder mit Bargeld, Cashcard oder Kreditkarte bezahlt und dem Konto belastet. Kann der Kontokorrentkredit nicht oder verzögert ausgeglichen werden, wird dieser oft mit einem günstigeren Ratenkredit abgelöst.

Die Überlegung ist nun, ob dieser zeitliche Versatz geschlossen werden kann. Es geht! Schon im nächsten Jahr wird die SWK Bank diesen Vorgang dramatisch verkürzen und verändern. Kunden können dann über Geld aus einem sogenannten Ratenkredit auf Vorrat verfügen. Idealerweise scannt dann der Käufer zum Beispiel den Barcode des Produkts, für das er sich entschieden hat, mit dem Smartphone ab und "bucht" nachfolgend von seinem Kreditspeicher den entsprechenden Betrag ab. Anschließend löst der Kunde mit seinem Handy am PoS die Zahlung für den Händler aus und nimmt das Produkt sofort mit nach Hause. Damit rücken Ratenkredit und Produkt ganz eng zusammen.

Die Vorteile für den Kunden und Händler liegen auf der Hand.

- Der Käufer kann das Produkt sofort erwerben, spart Zinsen und muss keinen neuen Ratenkredit beantragen.

- Der Händler erspart sich Transaktions- und Risikokosten, da die Zahlung garantiert ist.

Diese Systeme kann eine Bank nicht alleine aufbauen. Hier sind enge Kooperationen mit starken Fintech-Partnern notwendig. Ein gutes Beispiel dafür, wie sich Banken und Fintech-Unternehmen gegenseitig ergänzen können.

Der stationäre Einzelhandel ist ständig auf der Suche nach Systemen, die die Bezahlung an den Kassen schneller, komfortabler, kostengünstiger und sicherer machen. Davon profitieren die Kunden wie Händler gleichermaßen.

Schnelligkeit siegt

Bereits heute sind bargeldlose Bezahlsysteme im Markt, die keine aufwendigen Erfassungen und Transport von Transaktionsdaten oder die Weitergabe von Bankdaten erfordern. Der Einkauf wird am PoS lediglich mit dem Scan eines einmalig gültigen Codes (One-Time-Pad) vom Smartphone legitimiert. Die Zahlung wird dann zwischen der Hausbank des Käufers und dem Händler durch einen zwischengeschalteten Dienstleister abgewickelt.

Die Sicherheit für die Nutzer dieser Verfahren ist extrem hoch, zumal die Anzahl der möglichen Transaktionen in Zeit und Höhe beschränkt ist. Das Risiko, dass Zahlungen mangels Deckung der Kundenkonten nicht oder verzögert erfolgen, liegt - wie bei anderen Verfahren auch - in der Natur der Sache. Auch hier arbeitet die SWK Bank daran, ihre langjährige Erfahrung einzubringen.

Bessere Vertriebskommunikation mit neuen Algorithmen

Die PSD2-Richtlinie eröffnet Banken und Nichtbanken fast ungeahnte Möglichkeiten, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und zu nutzen. Über eine einheitliche Schnittstelle können so zum Beispiel Kontoinformationen, sprich Zahlungsdaten, ausgelesen oder Bezahlmethoden angestoßen werden. Die Informationen über die Kontobewegungen können, wenn sie richtig und intelligent genutzt werden, ein wahrer Schatz für unterschiedlichste Vertriebsansätze sein. Aus ihnen lassen sich vielfältige Kaufsignale ableiten. So können Kunden ganz gezielt mit den richtigen Produkten und zu den richtigen Zeitpunkten angesprochen werden.

Auf den ersten Blick erscheinen damit die Möglichkeiten erschöpft zu sein. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Kunden reagieren häufig mit Ablehnung, wenn sie immer wieder mit Werbebotschaften, zumal zu nicht aktuellen Themen, persönlich angesprochen werden. Es gilt also auch, persönliche Werbebotschaften zu vermeiden, wenn das Angebot in Qualität, Preis oder Zeitpunkt nicht attraktiv ist.

Zum Beispiel sollte ein Preisvergleich zu Autoversicherungen vermieden werden, wenn die Zielperson bereits bei der billigsten oder auch besten Versicherung ist. Gleiches gilt natürlich auch für Kredit- und alle anderen Angebote.

Ziel muss also sein, Algorithmen zu entwickeln, um die Vertriebskommunikation mit den Kunden auf ein professionelleres Niveau zu heben. Sie können eine Art Lotsenfunktion im Dschungel der Angebote sein. Diese Lotsenfunktion sollte zukünftig nicht nur für die Bank zur Verfügung stehen. Mit entsprechenden Anpassungen der Score-Karten können auch andere Partner von diesen Algorithmen profitieren.

Zum Autor Michael Moschner, Geschäftsführer, der Süd-West-Kreditbank Finanzierung GmbH, Bingen

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