Digitalisierung

Fintech und Instinkt im Investmentprozess

Furio Pietribiasi, Managing Director Mediolanum Asset Management Limited, Dublin

Auch im Zeitalter von Digitalisierung und Algorithmen wird der Mensch im Investmentprozess nach Einschätzung des Autors nicht durch Technik ersetzt werden. Denn auch Algorithmen brauchen menschlichen Input und sie haben auch Grenzen. Allerdings kann die Technik das "Bauchgefühl" der Investmentmanager unterstützen. Durch Datenalyse und künstliche Intelligenz wird dann auch deren Leistungsbeständigkeit deutlich besser messbar als mit den traditionellen Benchmark-Vergleichen. Red.

Der Ausdruck "das Beste aus beiden Welten" kann eine übertriebene Phrase werden, aber es gibt Zeiten, wo genau das gilt. Das ist jetzt in der aktuellen Debatte über die richtige Rolle von Fintechs in Bezug auf den traditionellen Investmentmanager der Fall. Man kann sagen, dass extreme Positionen im Rahmen dieser Diskussion beobachtet werden können.

Für einige sollte die Beziehung der eines Benzinmotors zu einem Pferdewagen ähneln - Fintech sollte ganz einfach den menschlichen Manager ersetzen. Andere bestehen darauf, dass es die Intuition, der Intellekt und die Überzeugungsentscheidung des traditionellen Investmentmanagers ist, die überdurchschnittliche Renditen liefert und dass ein Fintech-Wettrüsten lediglich alle genauso gut oder wahrscheinlich schlechter abschneiden lässt.

Maschinelles Lernen unterstützt menschliches Verständnis

Die Realität ist vielschichtiger. Die Investmentbranche hat Fintech in den letzten zehn Jahren derart vereinnahmt, dass sie in nahezu jedem modernen Manager-Ansatz eine Rolle spielt. Es ist sinnvoll zu sagen, dass die neue Branchen-Benchmark ein "quantamentaler" Ansatz ist - eine Kombination aus einem fundamentalen und quantitativen, datengesteuerten Ansatz - zur Sicherheitsauswahl und Asset Allocation. Menschliches Verständnis unterstützt durch maschinelles Lernen.

Es gibt natürlich einen Spielraum für eine riesige Bandbreite innerhalb dieses breiten Ansatzes. Während es Manager gibt, die einem rein quantitativen Ansatz folgen, werden die stärker fundamental orientierten Manager selektive Daten und Technologien anwenden, um zu bestätigen, was ihre Intuition ihnen sagt und ihrerseits in ihren Entscheidungsprozess einfließen. Das ist aber keine exakte Wissenschaft.

Beginnen wir mit einem weithin anerkannten, wenn auch nicht so weit diskutierten Phänomen. Alle oder nahezu alle Manager haben einen Investmentansatz und eine Anlagephilosophie, die sie gegenüber potenziellen oder tatsächlichen Investoren kommunizieren. Diese können viele Formen annehmen (zum Beispiel fundamental oder rein quantitativ, topdown, bottom-up), aber nur sehr wenige Investitionsprozesse orientieren sich einfach an "dem folgen, was der Manager denkt".

Investoren schätzen einen disziplinierten, strukturierten Investitionsprozess, da dies die Grundlagen sind, auf denen kontinuierliche Renditen im Laufe der Zeit erzielt werden. Bei der Sicherung ihrer Ansprüche hinsichtlich überdurchschnittlicher Ergebnisse in Bezug auf Benchmark-Indizes oder vergleichbarer Kriterien produzieren Manager gerne eine Fülle von Daten, die diesen Ansatz unterstützen. Das Problem ist nicht, dass die Daten dies nicht leisten, aber dass ein genauer Blick häufig nicht belegt, dass diese Daten die Anwendung des vermeintlichen Investitionsprozesses widerspiegeln.

Sehr erfolgreiche Investitionsentscheidungen sind nicht notwendigerweise als Ergebnis des Prozesses hinter dem Management einer bestimmten Strategie, sondern haben mehr mit "Glück" und starken, überzeugten Entscheidungen außerhalb des Investitionsprozesses selbst zu tun. Solche Fälle können an den Wendepunkten des Marktes besonders wichtig sein, weshalb dieser Ansatz in der Investitionswelt immer seine Rolle spielen wird. Was er allerdings nicht kann, ist, im Lauf der Zeit nachhaltige und wiederholbare Renditen für Investoren zu liefern.

Der quantitative Ansatz hat Grenzen

Ebenso ist der rein quantitative Ansatz nur so gut wie der Algorithmus, auf dem er basiert. Während Investoren und Manager sich mehr an die Technologie gewöhnt haben, die ihre Investitionen steuert, gibt es Grenzen, was der quantitative Ansatz leisten kann.

Das letzte Jahrzehnt hat derart beispiellose Marktbedingungen geschaffen, dass es keine historischen Marktdaten gibt, die der Algorithmus anwenden könnte. Zum Beispiel passt das Quantitative Easing in keinen Marktzyklus, den der Algorithmus verfolgen soll.

Ohne menschlichen Input in diesem Prozess werden Investitionsentscheidungen nicht begleitet. Investoren brauchen daher oft den Komfort eines Managers, der den Prozess steuert. Nehmen wir das Beispiel fahrerlose Autos: Während die Technik eines Tages perfekt sein kann, werden wir instinktiv mehr auf einen Menschen hinter dem Steuer vertrauen.

Technologien wie Künstliche Intelligenz werden unweigerlich menschliche Rollen in äußerst anspruchsvollen Entscheidungsfindungsprozessen ersetzen. Viele erfolgreiche Hedgefondsmanager wie Two Sigma und Renaissance haben bereits bewiesen, wie erfolgreich das sein kann. Doch was viele vergessen: Der menschliche Input hat diese Technologie geschaffen. Daher wird menschlicher Input benötigt, um sie weiterzuentwickeln. Es besteht kein Zweifel daran, dass Technologie einige Tätigkeiten ersetzen wird. Aber wird sie in der Lage sein, anspruchsvolle Entscheidungsfindungsprozesse zu ersetzen? Langfristig bleibt das abzuwarten, aber kurzfristig wird sie die Irrtümer der menschlichen Entscheidungsfindung reduzieren.

Technische Unterstützung des Bauchgefühls

Wo liegt dann der ideale Ansatz im Bereich "quantamental"? Die Antwort liegt in einem Ansatz, der die menschliche Entscheidungsfindung mit anspruchsvoller Technologie und Daten ausgleicht. Die Debatte als Technologie versus Manager zusammenzufassen, ist irreführend. Die Frage, die wir uns stellen sollten, ist, wie Technologie und Daten verwendet werden sollten, um den Investmentmanager am besten zu unterstützen.

Mediolanum verfolgt zum Beispiel einen Ansatz im Investment-Management-Prozess, der "Med3" genannt wird. Dieser Prozess vereint große Daten aus der ganzen Branche - von firmenspezifischen Informationen wie Einnahmen bis hin zu Makro-Markt-Intelligenz - mit anspruchsvollen Analysen, die Faktoren wie Verhaltensmuster messen. Der Research-Prozess vereint intuitives Denken mit einer eingehenden Analyse umfangreicher Datenmengen. Das schafft Ideen, die nicht nur finanziell, sondern auch ökonomisch sinnvoll sind. Sie basieren auf einem kollaborativen Ansatz und stammen aus konventionellen Erkenntnissen und umfangreicher Forschung.

Der Asset Manager stellt zusammen, bereinigt und analysiert eine signifikante Anzahl von öffentlichen und eigenen Datensätzen, um die wirtschaftlichen und finanziellen (und in der Tat intuitive) Ideen zu testen und Modelle zu entwickeln, um diese zu testen. Die Ergebnisse dieser Modelle helfen, ihre Auswirkungen auf die Portfolios zu ermitteln und uns eine Schätzung des Mehrwerts zu verschaffen, den diese Modelle für die Renditen bringen können. Dann können die Ideen in Asset-Allocation-Strategien umgesetzt werden, um dabei zu helfen, Alpha zu erzielen.

Es ist wichtig hervorzuheben, dass es nicht das Ziel ist, dass die Daten den Manager führen. Vielmehr erlauben sie es dem Manager, den Marktzyklus so genau wie möglich abzubilden und sein Urteil zu bestätigen oder zu hinterfragen. Es ist die technische Unterstützung des Bauchgefühls.

Diese Mischung aus Kunst und Wissenschaft ist die nahe Zukunft des Portfoliomanagements für die Branche. Die Klischees des Star-Managers, der alleine durch seinen Verstand und sein Bauchgefühl agiert, könnte für die Branche noch ein romantisches Bild sein, aber die letzten zehn Jahre haben die Fehler - und die instabilen Renditen - in diesem Ansatz gezeigt.

Ein Beispiel dazu: Auch die erfahrensten Investmentprofis unterliegen Verhaltensmustern.

- Eines der häufigsten Verhaltensmuster ist der "Optimism Bias", bei dem das subjektive Vertrauen in die Entscheidungsfindung im Allgemeinen größer ist als ihre eigene objektive Genauigkeit. Mit anderen Worten, wir neigen dazu, nur 80 Prozent der Zeit richtig zu liegen, wenn wir zu 99 Prozent sicher sind.

- Darüber hinaus wiederholen Menschen nicht nur die gleichen voreingenommenen Investitionsverhalten immer wieder, sondern können dies bis zu dem Punkt tun, wo sie ihren eigenen Ansatz nicht mehr infrage stellen.

Das wäre zu jeder Zeit besorgniserregend. Aber Verhaltensmuster sind im aktuellen Klima der Marktvolatilität, der beispiellosen Zentralbank-Geldpolitiken und der politischen Unsicherheit noch häufiger geworden.

Das Med3-Verfahren nutzt Technologie, um solche Muster vor einem Marktereignis zu erkennen und den Investmentmanagern dabei zu helfen, die gleichen Verhaltensmuster auf unbestimmte Zeit zu wiederholen, wodurch ihre kognitive Entscheidungsfindung und damit die Ergebnisse dieser Entscheidungen verbessert werden. Im Großen und Ganzen können Datenanalytik und künstliche Intelligenz ein reicheres und breiteres Bild der Leistung eines Investmentmanagers liefern als nur die traditionelle Messung, ob sie eine bestimmte Benchmark übertreffen.

Leistungsbeständigkeit wird messbar

Die Leistungsbeständigkeit jedes Managers lässt sich messen, so wie "One-Hit-Wunder" ignoriert werden können, während man gleichzeitig ein Verständnis für den Zyklus der Alpha-Wertschöpfung gewinnt, die jeder Manager produziert.

Zum Beispiel lässt sich sagen, wie gut ein Manager in der Lage war, unerwartete Marktbewegungen vorherzusagen und darauf zu reagieren. Wir können auch messen, wie ein Investmentmanager kritische Marktzeitpunkte vorweggenommen hat. Der Einsatz von Technologie erlaubt, den Entscheidungsprozess zu optimieren. Es wurden Warnhinweise und Wächter implementiert, um Muster im Entscheidungsprozess zu identifizieren und zu adressieren und damit die Ex-ante- und Ex-post-Entscheidungsfindung zu optimieren.

Vor allem muss der effiziente Einsatz von Technologie Skalierbarkeit bieten. Das ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil, ansonsten bietet der Technologieeinsatz keinen Wert. Mit den richtigen Daten und der Technik und deren richtiger Anwendung können die Investmentmanager besser verstehen, wo sie falsch liegen - und was noch wichtiger ist, wo sie konsequenter auf dem richtigen Weg sind. Manager und Maschine arbeiten zusammen, um die besten Ergebnisse für Investoren zu produzieren - das ist Kunst und Wissenschaft.

Zum Autor Furio Pietribiasi, Managing Director Mediolanum Asset Management Limited, Dublin
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