Fintechs

Fintechs und Banken - Glaubenskrieg oder große Chance ?

Bild 17

Der große Hype um die Fintechs ist erst einmal vorbei, meint Ralf Ohlhausen. Aus den Allmachtsphantasien ist ein langer, harter Konsolidierungsprozess geworden, in dem die Fintechs praxisrelevante Lösungen liefern müssen, die mehr als nur eine kleine Gruppe von "Smartphone-Junkies" ansprechen. Das heißt nicht, dass Banken sich entspannt zurücklehnen können. Es bieten sich ihnen aber auch Chancen, sich neu zu positionieren - als Inkubatoren, Partner oder Dienstleister der Fintechs. Red.

Aus dem großen Hype um die schöne neue Fintech-Welt ist erst einmal die Luft heraus. Schließlich hat der Fintech-Bereich bislang kaum praxisrelevante Lösungen hervorgebracht, die bei einer breiten Masse Akzeptanz finden würden. Zum Beispiel Blockchains - die Technologie an sich könnte in vielen Bereichen hervorragende Möglichkeiten für Innovationen schaffen, relevante Lösungen jedoch sucht man bislang vergebens. Der große Traum einer umfassenden Bitcoin-Revolution wird wohl schon innerhalb der eingeschworenen Nerd-Gemeinschaft zu Grabe getragen werden müssen.

Fakt ist: Nicht jedes Fintech-Unternehmen wird dieses, geschweige denn die nächsten Jahre überstehen. Aktuell kämpfen beispielsweise rund 2 000 Unternehmen darum, sich im Bereich der Online-Kreditvergabe zu behaupten.1) Das sind natürlich viel zu viele, um den Markt unter sich aufzuteilen.

Ernüchterung statt Hype

Statt einer allumfassenden Übernahme des Finanzsektors in Windeseile werden sich Fintechs auf eine zähe Übergangs-, wenn nicht gar Über lebensphase einstellen müssen. Einige der Unternehmen werden überleben, andere untergehen. Viele der restlichen werden sich in unterschiedlichen Ausprägungen zusammenschließen oder von anderen Unternehmen aufgekauft werden. Eine Marktkonsolidierung wird und muss es auch geben. Nur auf diese Weise kann sich die Fintech-Branche weiterentwickeln.

Auch die Politik hat mittlerweile - tatsächlich und endlich - das Thema Fintech für sich entdeckt. Böse Zungen munkeln, damit habe sich der Hype nun endgültig erledigt. Die Bundesregierung hat mittlerweile mit CDU-Politiker Jens Spahn ihren eigenen Fintech-Beauftragten, der für die Förderung innovativer Technologieunternehmen in der Finanzbranche zuständig ist. In der hessischen Landesregierung spricht man über ein Fintech-Zentrum zur Stärkung der Banken-Hochburg Frankfurt, und auch die Bafin baut aktuell ihre eigene Fintech-Abteilung auf.

Selbst wenn der große Hype einer gewissen Ernüchterung gewichen ist und auch wenn in den USA 2015 ein kleiner Rückgang der Summe der Investitionen in Fintech-Unternehmen auszumachen war 2) - insgesamt wurde noch nie zuvor so viel in die Fintech-Branche investiert wie im vergangenen Jahr. Noch hält man fest am Vertrauensvorschuss, den man so begeistert in die Fintech-Verheißungen mit all ihren spektakulären neuen Ideen und Technologien investiert hat.

Jetzt müssen praxisrelevante Lösungen kommen

Und doch: jetzt werden aus dem Bereich praxisrelevante Lösungen kommen müssen, die mehr Menschen als eine Minderheit technikversessener Smartphone-Junkies ansprechen. Denn niemandem nützt die x-te Direct-Pay-App, wenn sie nur von hundert Menschen eingesetzt wird. Dafür geht es um zu viel: Um zu viel Geld, zu viel Potenzial, zu viel Vertrauen. 2016 ist das Jahr, in dem Fintechs erwachsen werden müssen. Das Jahr, in dem aber auch um die Vorherrschaft der Finanztechnologie gerungen wird und damit ein gutes Stück auch über den Finanzsektor an sich. Jedem ist mittlerweile klar: Um das Thema Fintech kommt man längst nicht mehr herum. Selbst die Großen der Branche räumen dies ein. John Cryan von der Deutschen Bank beispielsweise, prognostizierte kürzlich, dass es in zehn Jahren seiner Einschätzung nach kein Bargeld mehr geben wird. Wie aber will man in einem solchen Szenario bezahlen ohne passende Technik? Und auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos stand das Thema Fintech weit oben auf der Agenda. Dabei mäanderten die Glaubensbekenntnisse der Finanzbranche irgendwo zwischen Lobgesängen auf die wunderbaren Innovationen und Technologien und dem Wunsch nach stärkeren Regulierungen für Fintechs.

Erste Annäherungen

Diese Spaltung zeigt vor allem eines auf: Welche Konzepte und Technologien sich schlussendlich auch immer durchsetzen werden, die Finanzbranche wird sich auf jeden Fall drastisch, unaufhaltsam und nachhaltig verändern - auch wenn heute noch niemand vorherzusagen weiß, wie die Finanzlandschaft im Endergebnis dann aussehen wird. Fest steht, dass die Branche aktuell in einer Art Übergangsphase ist. Studien zufolge könnten sich die neuen Marktteilnehmer immerhin bis zu 150 Milliarden US-Dollar aus dem Geldtopf der Finanzdienstleistungsbranche abschöpfen.3) Diese reale Bedrohung für das eigene Geschäft können Banken nicht ignorieren. Denn auch, wenn die Veränderungen langsamer als erwartet stattfinden - wenn sie sich einmal durchsetzen werden, dann umso durchschlagender und nachhaltiger. Banken dürfen die Langsamkeit der Veränderungen nicht als Parameter heranziehen, die neuen Finanzdienstleister zu unterschätzen. Doch Fintechs stellen für das traditionelle Bankwesen nicht nur eine "Gefahr", sondern auch interessante Möglichkeiten dar.

Generell lassen sich zwei starke Tendenzen ausmachen bezüglich der Reaktionen und Strategien von Banken gegenüber Fintech-Unternehmen.

- Zum einen eine defensiv-abwartende Verteidigungshaltung. Diese Haltung nehmen zumeist große, branchenführende Banken ein - getreu dem Motto "Uns hat es schon immer gegeben, uns wird es immer geben". Hingegen betrachten vor allem viele kleinere, unabhängige Banken eine Kooperation mit Fintech-Unternehmen viel eher als Chance.

- Auf der anderen Seite realisieren Fintechs mittlerweile: Auch mit den besten Ideen und dem großartigsten Konzept zur Kundenbindung braucht man irgendwie einen direkten Zugang zum Finanzmarkt. Dann muss man sich entweder um eine Finanzlizenz bemühen und selbst zu einem bankähnlichen Unternehmen werden oder aber man tut sich mit einer Bank zusammen. Vor allem kleinere Banken, aber auch bereits die ein oder andere große, gehen deshalb mittlerweile offener auf Fintechs zu. Denn beide Seiten haben erkannt, dass es ohne die andere nicht mehr geht. Banken bieten Fintechs letztlich all das, was diese brauchen, um selbst zur Bank zu werden. Dabei halten sich die Banken nicht selten komplett im Hintergrund und verkaufen ihre Services white-labeled.

Banken als Inkubatoren

Für Banken sind Fintech-Unternehmen nämlich durchaus interessante Großkunden, die mitunter auch als Multiplikatoren dienen: Fintechs haben selbst wiederum Firmenkunden und damit deren große Transaktions-Volumina. Doch der Goldtopf Fintech besitzt auch eine Kehrseite für Banken: die Einhaltung von Compliance kann zur schwierigen Herausforderung werden. Nicht selten stellen Fintech-Kunden für Banken hierdurch ein - eingebildetes oder reelles - Risiko dar.

Doch nicht nur als finanzkräftige Kunden können Fintechs für traditionelle Banken interessant sein. Die Branche wird sich massiv verändern. Will eine Bank langfristig ihre Marktstellung beibehalten, dann muss sie auf jegliche mögliche Veränderung vorbereitet sein. Egal, ob sie nun eine defensive oder eine offensive Strategie einschlagen: In beiden Fällen ist es dringend ratsam, dass Banken die Entwicklungen innerhalb des Fintech-Bereichs sehr genau im Auge behalten - die neuen Technologien, das Know-how, die innovativen Ideen.

Am besten gelingt ihnen dies natürlich, wenn sie aktiv daran beteiligt sind, sprich, als Inkubatoren in Erscheinung treten, in vielversprechende Fintech-Technologien investieren, sich in innovative Start-ups einkaufen, Fintech-ähnliche Innovationsabteilungen oder Fintech Funds gründen. All dies bietet großartige Möglichkeiten, sich mit dem Markt zu verändern, mit ihm zu wachsen. Banken, denen die damit verbundenen Risiken zu hoch sind, sollten sich mit anderen Banken zusammentun, um die Investitionskosten und damit auch das Risiko geringer zu halten. Ist das unmittelbare Konkurrenzdenken vorerst abgelegt, gibt es keinen Grund, warum sich interessierte Banken nicht mit anderen Banken zusammen das weite Feld der Fintech-Innovationen erarbeiten könnten.

Dass für eine notwendige Veränderung und Weiterentwicklung des Finanzmarkts auf dem neuesten Stand des technisch Möglichen eine Zusammenarbeit von alten und neuen Playern grundlegend ist, belegen auch einschlägige Studien, etwa wenn es um die Etablierung von Fintech-Standorten geht.4) Als man sich beispielsweise in den Niederlanden die Frage stellte, was denn genau nötig sei, um als Alternative zu London einen eigenen Fintech-Hub zu etablieren, wurden zwei wesentliche Faktoren aufgezeigt: Zum einen müssen überholte Prozesse der Regulierung erneuert werden, zum anderen aber muss die Zusammenarbeit von Fintech-Start-ups und etablierten Finanzunternehmen deutlich verbessert werden.

Fußnoten

1 www.wsj.com/articles/has-fintech-boom-peaked-1453458781

2 www.wsj.com/articles/has-fintech-boom-peaked-1453458781

3 www.oliverwyman.de/content/dam/oliver-wyman/global/en/2016/jan/OliverWyman_ModularFS_final.pdf

4) www.finextra.com/news/fullstory.aspx?newsitemid =28369

Zum Autor

Ralf Ohlhausen, Business Development Director, PPRO Financial Ltd., London

Noch keine Bewertungen vorhanden


X