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Handytarif für VR-Banken: Rückeroberung des Zahlungsverkehrs

Thomas Sickinger, Geschäftsführer, EnoCom GmbH, Karlsruhe

Schon vor Jahren ist darüber diskutiert worden, ob Sparkassen oder Genossenschaftsbanken eigene Handytarife anbieten sollten. Die Fintechs haben hier offenbar einen Sinneswandel bewirkt: Der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband hat gemeinsam mit einem Karlsruher Dienstleister ein entsprechendes Konzept entwickelt. Im Vordergrund steht dabei aus Bankensicht nicht das Zusatzgeschäft in Form des Verkaufs von Handys oder Mobilfunkverträgen. Sondern das Augenmerk richtet sich auf das Mobile Payment. Hier sieht man in "Genofon" die Möglichkeit, das Vordringen von Angeboten der großen Wettbewerber wie Apple oder Google einzudämmen. Red.

"Ich Genofoniere! Sie auch?" Mit diesem Slogan werben seit kurzem zwei beliebte Stars für das neue Mobilfunkkonzept der Volks- und Raiffeisenbanken. Tennisspielerin Laura Siegemund und Schauspieler Ralf Bauer begrüßen die Kunden als Fotoaufsteller in Lebensgröße bundesweit in den Filialen der Genossenschaftsbanken.

Seit September 2016 ist bei Volks- und Raiffeisenbanken Mobilfunk Banksache. "Genofon" hat in den ersten Monaten bereits 150 Volks- und Raiffeisenbanken überzeugt, die es sukzessive in ihr Angebotsportfolio aufnehmen - und die Kunden sprechen äußerst positiv auf das Spezialangebot an. Die VR-Banken bieten ihren Kunden individuelle Angebote für Tarife und mobile Geräte zu exklusiven Konditionen. Mitglieder profitieren damit nicht nur von besonders günstigen Mobilfunktarifen und Datenflats, sondern können auch ihre Bankgeschäfte bequem und sicher vom Handy aus erledigten.

Zahlungsverkehr der Zukunft sichern

"Sollen wir jetzt auch noch Handyverträge abschließen?" Nicht jedem Mitarbeiter der rund 1 000 Volks- und Raiffeisenbanken war gleich klar, welchen Vorteil ein bankeigener Mobilfunktarif nicht nur den Kunden, sondern vor allem der Bank bieten soll. Der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband (BWGV) sieht in dem Konzept dagegen in der Tat großes Potenzial, vor allem für das Mobile Banking. Mit Genofon können die Genossenschaftsbanken einen Lösungsansatz anbieten, der den Zahlungsverkehr der Zukunft in einem wichtigen Segment absichert. So bleiben die Zahlungsverkehrserträge im Hause und die Banken können sich im Wettbewerb mit Nicht-Banken, die ganz gezielt mit dem Medium des Smartphones in Bankgeschäfte der Zukunft einsteigen, behaupten.

Neben der Sicherung des Zahlungsverkehrs profitieren die VR-Banken auch durch die Umsatzbeteiligung am Handyverkauf und sind auch an zukünftigen Innovationen im Zusammenhang mit dem Handy beteiligt - sowohl auf wirtschaftlicher Ebene als auch auf der Ebene der unmittelbaren Kommunikation mit dem Kunden.

Bei mehr als 200 Banken wurde das vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) unterstütze Konzept bisher vorgestellt, bei deutschlandweit rund 25 Banken ist es bereits integriert. Der Karlsruher Dienstleister Enocom, ein Tochterunternehmen der ZG Raiffeisen-Gruppe, hat "Genofon" gemeinsam mit dem Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (BWGV) entwickelt.

Mobile Banking drängt Online-Banking zurück

Die Mobilfunkverträge schließt der Kunde aufgrund der strengen Regularien der Bundesnetzagentur für Mobilfunkprovider mit Enocom ab. Das Unternehmen betreut auch die Kundenhotline und steht allen Banken mit Marketingmaterial, Mitarbeiterschulungen, Aktionstagen und kontinuierlicher Weiterentwicklung durch innovative Ideen zur Seite. Genofon-Kunden nutzen das Mobilfunknetz von Telefónica Deutschland (O2, E-Plus), größter deutscher Mobilfunknetzbetreiber mit über 40 Millionen Kunden. Knapp 1500 Mobilfunkkunden konnte Enocom bereits gewinnen, jeden Monat kommen nun deutschlandweit neue Kunden aus dem Genossenschaftswesen dazu.

Die Rückmeldungen sind positiv, bietet doch der Vertrag eine neue Möglichkeit der Kundenbindung und entwickelt sich zu einem wichtigen Kommunikationsinstrument mit den Bankkunden. Laut Umfragen der Unternehmensberatung Bain & Company unter rund 115 000 Privatkunden in 17 Ländern, darunter 9 800 in Deutschland, verzeichnet das mobile Banking rasante Wachstumszahlen, während das Online-Banking zurückgeht. In Deutschland setzen inzwischen mehr als 60 Prozent der 18- bis 24-Jährigen auf Mobile Banking. Doch auch bei den Älteren erfreut es sich immer größerer Beliebtheit, Bankgeschäfte mobil zu tätigen.

Und doch war die Einführung kein Selbstläufer. Der Handy Markt hat bereits eine rasante Entwicklung hinter sich und inzwischen ist fast jeder Bankkunde auch bereits mit einem Handyvertrag ausgestattet. Da profitiert der Bankberater von seiner Nähe zum Kunden, um den richtigen Moment für eine Neuanschaffung abzupassen und eine Laufzeitverkürzung von bestehenden Verträgen abzuklären.

Vertrauen schaffen durch Kundennähe

Da der Mobilfunkmarkt ein hart umkämpftes Geschäft ist, liegt der Vorteil für die Bank weniger in der Masse der Handys, die verkauft werden, und auch nicht in den reinen Vertragsvorteilen des Mobilfunktarifs. Sondern die Volks- und Raiffeisenbanken setzen vielmehr auf den Mehrwert der Nähe zum Kunden und die Sicherung des Zahlungsverkehrs, der mit dem Boom des mobilen Payments in Richtung der großen Mitbewerber wie Apple, Ebay, Google und Samsung abzuwandern droht.

Die VR Bank Hessenland war bei der Entwicklung des Konzepts mit dabei und hat erste positive Erfahrungen in ihrem Haus gesammelt. Sie setzt das Thema Genofon in der Beratung zur Mitgliederbindung ein. Dabei geht es nicht darum, Smartphones oder Handyverträge zu verkaufen, sondern darum, die Zahlungsverkehrsprovision der Zukunft zu sichern.

Banking-Apps bereits vorinstalliert

Mobiles Payment ist die Zukunft. Die Nutzer profitieren von der Community-Flat unter allen Kunden der VR-Banken, telefonieren deutschland- und europaweit zu einheitlichen Tarifen und können Gespräche außerhalb Europas zum Inlandtarif führen. Außerdem passt Genofon aktiv auch während der Vertragslaufzeit die Tarife an. Damit ist das Angebot fair und mit den speziellen Banking-Features besonders sicher. Denn beim Kauf eines Endgerätes sind die Banking-Apps bereits vorins talliert und ein besonderer Diebstahlschutz und eine Virenschutzsoftware von G-Data installiert.

Die Kunden sollen bei uns bleiben, weil sie von den Leistungen überzeugt sind und nicht, weil sie im Vertrag festhängen. Deshalb beträgt die Kündigungsfrist nur ein Monat.

Soziale Werte im Mobilfunk verankert

Auch unter sozialen Aspekten kann der Tarif punkten: Genofon spendet jeden Monat für jeden Vertrag automatisch zehn Cent an die Initiative der Deutschen Knochenmarkspender (DKMS). Darüber hinaus haben die Kunden zusätzlich die Möglichkeit, freiwillig einen monatlichen Beitrag von 1, 2 oder 3 Euro an die DKMS zu spenden. Der Grund: Gesellschaftlich verantwortliches Handeln ist den Genossenschaftsbanken sozusagen ins Stammbuch geschrieben. Das drückt sich durch faire Produkte und den umsichtigen und nachhaltigen Umgang mit dem aus, was uns anvertraut ist. Aber die Genossenschaftsbanken wollen auch andere animieren, selber mitzuwirken und bieten den Kunden an, sich mit einem Eigenanteil an den Spenden zu beteiligen. So ist es nicht nur ein Automatismus der Bank.

Zu den Autoren Dr. Peter Müller, Abteilungsleiter Bereich Beratung Genossenschaftsbanken, Baden-Württembergischer Genossenschaftsverband e.V. (BWGV), Stuttgart, Thomas Sickinger, Geschäftsführer, EnoCom GmbH, Karlsruhe

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