Girokonto

Die kontoführende Bank rückt in den Hintergrund

Christopher Kampshoff, Geschäftsführer, Lendstar GmbH, Starnberg

Im Zahlungsverkehr wird sich durch die Digitalisierung sowie die PSD2 vieles ändern. Das Konto als "Abwicklungsplattform" wird zwar seinen Stellenwert behalten. Doch die Möglichkeiten des Kontozugriffs vervielfachen sich, immer mehr Dienstleistungen und Anbieter kommen hinzu. Die kontoführende Bank rückt dabei in den Hintergrund und damit drohen Kreditinstitute den Kontakt zum Kunden zu verlieren. Die Zusammenarbeit mit Fintechs ist aus Sicht der Autoren deshalb alternativlos. Red.

Das Girokonto bildet den Grundpfeiler des Zahlungsverkehrs. Wir nutzen es, um Gehalt zu empfangen, Miete zu bezahlen, Einkäufe zu tätigen oder um von ihm Bargeld abzuheben. Bereits seit vielen Jahrzehnten ist das Konto fest in der Gesellschaft verankert und nicht mehr wegzudenken. Doch wie war es früher? Und vor allem: Wie wird es in Zukunft sein? Wird sich der Zahlungsverkehr auch in den nächsten Jahrzehnten um das Girokonto drehen?

Bereits im Mittelalter nutzten die Menschen in Europa Konten, um Gut- oder Lastschriften zu tätigen oder Überweisungen vorzunehmen. Dennoch setzte sich erst zum Ende der fünfziger Jahre das moderne Girokonto flächendeckend in Deutschland durch. Bis dahin wurden Löhne und Gehälter in den meisten Fällen in Lohntüten ausgezahlt, laufende Kosten wie Mieten beglich man in der Regel in bar. Mit dem beginnenden Trend, Arbeitsprozesse mit Hilfe von Computern zu automatisieren, setzte sich das Girokonto immer mehr durch.

Die Digitalisierung führte in den folgenden Jahren zum Anstieg des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, steigender Nutzung von Debit- und Kreditkarten und vermehrtem Zugriff auf das eigene Konto per Online-Banking. Selbiges startete 1980 mit einem Bildschirmtext (BTX)-Feldversuch der Deutschen Bundespost mit fünf angeschlossenen externen Rechnern. Einer der damaligen Teilnehmer war die Verbraucherbank (heute Norisbank), die bereits vorher mit innovativen Angeboten für die Kunden Neuland betreten hatte. Der technische Leiter der Verbraucherbank, Alfred Richter, hatte bereits 1976 das PIN/TAN-Verfahren erfunden und eingeführt, ein Jahr später folgte die Installation des ersten Geldautomaten der Verbraucherbank. Dort konnten alle Kunden mit Kundenkarte und PIN Bargeld abheben. 1978 führte Alfred Richter schließlich electronic-cash ein und ging mit der Teilnahme am BTX-Feldversuch den nächsten visionären Weg. Das BTX-Verfahren erwies sich in den Folgejahren als äußerst erfolgreich und wurde offiziell erst 1999 beendet. Allerdings lief das unter Kunden sehr geschätzte System noch bis ins Jahr 2007 weiter und bis heute hat sich seit den frühen Tagen des Online-Bankings nicht viel geändert.

Wege des Kontozugriffs fächern sich weiter auf

Das Konto bildet weiterhin die Basis des Zahlungsverkehrs. Allerdings wird sich die Digitalisierung weiter ausfächern und dazu beitragen, dass sich die Wege des Zugriffes aufs Konto ändern und vervielfachen. In den kommenden Jahren wird es immer mehr Möglichkeiten geben, vor allem digital aufs Konto zuzugreifen. Bereits heute erledigt mehr als die Hälfte der Deutschen ihre Bankgeschäfte online (2014 waren es laut dem Bundesverband deutscher Banken 55 Prozent).

Allerdings fügt sich das klassische Online-Banking vom stationären Computer nicht besonders gut in den Alltag ein. Vor allem Millenials, also die jungen Generationen, wünschen sich digitale Produkte, die jederzeit und überall verfügbar sind, sich also mobil bedienen lassen. Sie wollen dabei nicht nur mobil shoppen, sondern auch zum Beispiel, wenn sie gerade in der U-Bahn unterwegs sind. Vor allem Transaktionen unter Privatpersonen (Peer-to-Peer, P2P) werden für die junge Generation, die mit digitalen Produkten und sozialen Netzwerken groß geworden ist, immer wich tiger. Freunden schnell, einfach und trotzdem sicher Geld senden zu können, gehört für sie zum Alltag. Mit P2P-Apps wie Lendstar lässt sich Geld an Freunde senden, so schnell und einfach wie eine SMS. Alles, was der Nutzer dazu braucht, ist die Telefonnummer des Freundes. Kein lästiges Eintippen von langen IBANs, kein Tauschen von Kontodaten. Selbst das Erinnern ans Zurückzahlen übernimmt die App für den Nutzer.

Aber nicht nur P2P-Apps, auch Anwendungen zum Managen mehrerer Konten wie Finanzblick kommen verstärkt zum Einsatz. Zwar bildet das Konto noch immer die Basis des Zahlungsverkehrs, aber über intelligente Apps wird es einfacher und bequemer darauf zuzugreifen, wodurch viele neue Anwendungsfälle entstehen. So bietet Lendstar neben dem Geld Senden, Sammeln und Teilen unter Freunden mittlerweile viele weitere Funktionen an. Über die App lassen sich zum Beispiel Rechnungen diverser Online-Shops zahlen, Beiträge an Spendenorganisationen transferieren sowie Handy-Guthaben aufladen. Das erspart Nutzern unter anderem den Weg an die Supermarktkasse, an der sie sonst ihre Prepaid-Aufladekarte fürs Handy erwerben müssten oder den Weg übers klassische Online-Banking, bei dem sie unkomfortabel lange IBANs eintippen müssen, um ihre Rechnungen zu bezahlen.

Vieles wird sich ändern

Lendstar und viele andere Anbieter vereinfachen Prozesse und geben den Nutzern mehr Zeit. In naher Zukunft werden im Finanzbereich immer mehr dieser Anbieter und Dienstleistungen hinzukommen: PSD2, die zweite, erweiterte Zahlungs-Richtlinie der Europäischen Union, wird im Januar 2018 in Kraft treten. Sie ermöglicht es Drittanbietern, auf das Girokonto zuzugreifen und den Nutzern damit weitere innovative Services anzubieten.

Es wird sich vieles ändern in diesem Bereich. Das bereits jetzt unter jungen Leuten beliebte Mobile Banking, das in Deutschland leider bisher ein Nischendasein fristet, wird an Popularität gewinnen. Die Vorbehalte bezüglich der Sicherheit werden sich in Zukunft nach und nach zerstreuen. Mobile Banking ist tatsächlich deutlich sicherer als Online-Banking am PC, da das Smartphone mehr Sicherheitsmerkmale aufweist. Bei Lendstar benötigt man zum Beispiel immer den selbstgewählten Lend star-Code oder seinen Fingerabdruck, um Zahlungen zu initiieren. Ein normaler Überweisungsträger ist dagegen schnell gefälscht.

Aber es bedarf natürlich Zeit, damit sich neue Verfahren durchsetzen können. Ein gutes Beispiel für gelungene Veränderungen ist das Thema Identitätsprüfung bei der Kontoeröffnung. So ist es heute möglich, innerhalb von wenigen Minuten ein Konto zu eröffnen und sich vollständig per Video-Ident zu legitimieren. Der zusätzliche Weg in eine Postfiliale, um das Post-Ident-Verfahren abzuschließen, wird damit unnötig.

Zeit ist kostbar, daher ist auch das Thema Instant Payment auf dem Vormarsch. Per Instant Payment sollen Überweisungen innerhalb weniger Sekunden ausgeführt werden und das Geld sofort beim Empfänger landen. So werden viele neue Anwendungsfälle von digitalem Geld möglich, zum Beispiel der Autokauf unter Privatleuten. Heute noch quasi immer mit Bargeld beglichen, kann das gebrauchte Auto demnächst dank Instant Payments per Überweisung bezahlt werden.

Ebenso wird die Sprachsteuerung ihren Weg in den Zahlungsverkehr finden. Schon heute macht es Amazons Sprachsteuerung Alexa möglich, Musik abzuspielen, E-Mails zu versenden, Produkte online zu kaufen und vieles mehr. Schon bald wird es möglich sein, Alexa zum Beispiel nach den eigenen offenen Rechnungen zu fragen und diese dann von ihr begleichen zu lassen. Auch Lendstar arbeitet an einer Integration, um zum Beispiel per Sprache Geld an einen Freund zu senden oder einen Betrag für das gemeinsame Geschenk ans Hochzeitspaar beizutragen.

Das eigentliche Konto tritt in den HIntergrund

Die Digitalisierung bahnt sich im Zahlungsverkehr weiter ihren Weg und es wird immer mehr Zugriffspunkte aufs Konto geben. Ein Punkt, den die Banken erkennen und akzeptieren müssen. Sie verlieren bereits jetzt immer mehr an Bedeutung, werden ersetzbarer. Drittanbieter werden, vor allem mit Inkrafttreten der PSD2-Richtlinie, mehr und mehr in den Vordergrund treten.

In den Hintergrund tritt dagegen der Fakt, wo ich mein Girokonto habe. Das birgt für die Banken natürlich die Gefahr, den Kundenkontakt zu verlieren. Das wird heute schon mit den jüngeren Generationen deutlich: Für die Banken ist es unglaublich schwierig, überhaupt noch einen Kanal für die Ansprache der 18- bis 30-Jährigen zu finden. Sie tun sich schwer, ihren jungen Kunden etwas zu bieten oder gar neue Kunden der jüngeren Generationen für sich zu gewinnen. Lendstar ist in der Lage, diesen Kanal zu den jungen Kunden zu öffnen und ihnen ein Produkt zu bieten, das sie überzeugt und sich in ihren Alltag integriert. Daher wird Lendstar auch als Co-Branding-Version für Banken angeboten.

Bereits 13 Banken nutzen Lendstar mittlerweile im eigenen Bankdesign und erreichen damit nicht nur Kundenbindung, sondern sind zudem in der Lage, neue Kunden zu gewinnen, etwas, das in Zukunft für die Banken immer schwieriger werden wird, weshalb eine Zusammenarbeit mit Fintech-Unternehmen und Drittanbietern nicht nur sehr sinnvoll, sondern sogar alternativlos ist. Wir sollten dem Konto, das stets seinen wichtigen Stellenwert behalten und das Fundament des Zahlungsverkehrs bilden wird, gemeinsam mehr Möglichkeiten geben. Das Konto ist das Zuhause des Geldes und wird es auch in Zukunft bleiben, nur mit deutlich mehr Haustüren als bisher.

Zu den Autoren Jennifer Fizia, Mitgründerin, und Christopher Kampshoff, Geschäftsführer, Lendstar GmbH, Starnberg
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