Zielgruppenmanagement

Kunden-Community - Dialog mit allen Zielgruppen

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Der Vertrauensverlust und die nachlassende Bindung von Kunden an ihre Bank zwingen Kreditinstitute dazu, ihre Kundenkommunikation grundlegend zu verändern, so die Autoren. Bei der Consorsbank hat sich die Einrichtung der Kunden-Community mit den drei Pfeilern Wissensaustausch, Ideensammlung und Feedbackmöglichkeit bereits ausgezahlt. Weil die Bank so mit allen Zielgruppen im Gespräch bleibt, sind Conversion Rate und Net Banking Income deutlich gestiegen, Volumen und Kosten des Kundensupports hingegen gesunken. Und die Co-Creation auf der Plattform ersetzt zumindest teilweise Marktforschung und Research. Red.

Studienergebnisse, die im Frühsommer durch die Fachpresse gingen, waren eine unangenehme Lektüre für Menschen, die in Banken in der Verantwortung stehen: Von "massiven Wahrnehmungsdiskrepanzen" war die Rede. Der Schluss lag nahe, dass zumindest weite Teile des Führungspersonals deutscher Banken unter Realitätsverlust leiden. Denn die Meinung, die hochrangige Bankangestellte von ihrem Institut haben, ist deutlich höher als die der Kunden. Die Werte klaffen geradezu auseinander: So schätzen, der Umfrage der Unternehmensberatung Investors Marketing zufolge, 61 Prozent der befragten Führungskräfte die Kompetenz der eigenen Bank höher ein als die der Konkurrenz - von ihren Kunden sehen das jedoch nur 36 Prozent so.

Illusionen über die emotionale Bindung zwischen Bank und Kunden

Vor allem aber machen sich viele Führungskräfte Illusionen im Hinblick auf die emotionale Bindung zwischen Kunden und Institut:

- Die befragten Banker denken, dass 77 Prozent ihrer Kunden dem persönlichen Berater in der Filiale vertrauen. Das trifft aber nur auf 35 Prozent der Kunden zu.

- 54 Prozent der Entscheider meinen, ihre Kunden hätten das Gefühl, ihrer Hausbank wichtig zu sein. Doch nur 29 Prozent der Kunden empfinden wirklich so.

- 36 Prozent der Führungskräfte gehen davon aus, dass sie ihren Kunden näher sind als die Konkurrenz - und dass die Kunden das auch so sehen. Leider stellen aber nur 26 Prozent der Kunden bei ihrer Bank eine "besondere Kundenorientierung" fest.

Kunden haben also durchschnittlich ein deutlich schlechteres Verhältnis zu ihrer Bank, als deren Führungspersonal glauben möchte.

Im Zentrum dieses Dilemmas stehen die von den Kunden wahrgenommene Wertschätzung der Kunden durch die Bank sowie die Kompetenz, die Kunden ihrer Bank zuschreiben - und damit letztlich das Vertrauen, das sie zu ihrem Finanzinstitut haben. Eine Bank jedoch, die so wenig Vertrauen bei ihren Kunden genießt, wie die zitierte Studie nahelegt, ist in einer unsicheren Position. Und der Vertrauensverlust ist auch kein neues Phänomen.

Im Zentrum der Neuerfindung der Bank steht die Kommunikation

Spätestens seit der Finanzkrise besorgniserregend, spitzt er sich seit Jahren zu. Daher ist es kein Wunder, dass die ersten deutschen Banken auf der Suche nach Möglichkeiten, das Vertrauen ihrer Kunden zurückzugewinnen, bereit sind, ihre Kommunikation mit Kunden und Interessenten grundlegend zu verändern - und sogar zu neuen Prozessen bei der Entwicklung ihrer Produkte und Services zu finden.

Mit anderen Worten: Banken fangen an, sich neu zu erfinden. Eines der eindrucksvollsten Beispiele dafür ist die Consorsbank. Die deutsche Tochter der französischen Großbank BNP Paribas hat nicht nur ihren Namen von Cortal Consors in Consorsbank geändert und den Markenauftritt überarbeitet. Sie hat sich entschieden, als digitale Vollbank aufzutreten, also das komplette Produktspektrum einer modernen Direktbank zu bieten. Sie hat sich das Ziel gesetzt, bis 2017 von derzeit 870 000 auf 1,1 Millionen Kunden zu wachsen. Und sie hat ins Zentrum dieser Veränderungen - als äußeres Zeichen ihrer neuen Identität ebenso wie als wichtige innere Triebfeder der Weiterentwicklung - eine Kunden-Community gestellt.

Die "Wissens-Community" wurde schon 2014 sukzessive online gestellt und entwickelte sich von Anfang an äußerst positiv. Mit dem Start der großen Marketingkampagne zur Umbenennung der Bank Anfang des laufenden Jahres erhielt sie noch einmal einen deutlichen Schub, aber die bisherigen sehr guten Kennzahlen sind bei weitem nicht nur auf die Kampagne zurückzuführen. Derzeit hat die Community knapp 18 500 Mitglieder, rund 8500 Posts wurden veröffentlicht. Das hohe Engagement der Mitglieder spiegelt sich auch in den sozialen Netzwerken außerhalb der Community wieder. Innerhalb eines Monats hatte die Consorsbank 400 neue Facebook-Fans. Schon im ersten Jahr gab es 2 000 Leads von Facebook-Posts zu Community-Artikeln, die Posts erreichten 12 000 Fans, die Zahl der Interaktionen innerhalb der Posts stieg bis auf 1082. Die Gesamtreichweite betrug 396000 Fans.

Der Erfolg der Community führte unmittelbar zu Geschäftserfolgen: Die Conversion Rate stieg um 30 Prozent - das bedeutet: 1 500 Neukunden pro Woche. Derzeit bewerten die Account-Inhaber die Produkte der Consorsbank durchschnittlich mit 4,2 von fünf Sternen. Die Zahl der Unique Visitors stieg um über 300 Prozent, 260 Bewertungen wurden abgegeben und über 80 Kommentare gepostet. Seit auf Online-Werbebannern die Kundenbewertungen angezeigt werden, stieg die Rate der angeklickten Banner (Click-Through-Rate) um 40 Prozent.

Austausch auf Augenhöhe

Was sind die Bausteine dieses Erfolges? Bei der Entwicklung der Vision zur Community ging es darum, eine Community aufzubauen, die nicht nur als vollwertiger Ersatz des persönlichen Kontaktes in der Filialbank fungiert, sondern darüber hinaus mehr Vertrauen in die Kompetenz und Kundenorientierung der Bank generiert als es das traditionelle Banking, einschließlich des normalen Online-Bankings, in den letzten Jahren schafft.

Die Voraussetzung ist genaue Kenntnis des modernen Konsumenten: Dieser ist zeitlich und örtlich hoch flexibel und über sein Smartphone allzeit vernetzt. Der Alltag der Verbraucher hat sich in den letzten Jahren durch die digitalen Technologien stark verändert. Auch ihr Selbstverständnis hat sich dadurch gewandelt - und damit ihre Erwartungen an Marken und Unternehmen.

Die Anforderung lautet: Austausch auf Augenhöhe. Das bedeutet, dass der Verbraucher selbst aktiv zur Kommunikation beitragen will oder zumindest die Möglichkeit dazu haben möchte. Zugleich braucht der heutige kritische und selbstbestimmte Konsument Informationen, denen er vertrauen kann, um darauf aufbauend seine Entscheidungen zu treffen. Und sein Vertrauen schenkt er weniger den Unternehmen, sondern vor allem den Informationen von anderen Verbrauchern, Kunden und Freunden - auch Freunden aus den sozialen Netzwerken.

Die Consorsbank wollte eine zeitgemäße Lösung aufbauen, um die hohen Erwartungen der Verbraucher an Transparenz und gleichberechtigte Kommunikation zu erfüllen und sich vom Wettbewerb zu differenzieren. Ziel war, einen digitalen Ort zu schaffen, der vertrauensvolle Kommunikation und Informationsaustausch auf Augenhöhe mit den Kunden ermöglicht, aber auch die Unterhaltung der Kunden miteinander fördert. Der mobile, vernetzte und eigenständige Kunde sollte dort die Instrumente für selbstbestimmte finanzielle Entscheidungen vorfinden. Das Finanzwissen, das auf der Plattform zur Verfügung steht, sollte jedoch nicht statisch sein - und nicht nur von der Bank zur Verfügung gestellt werden. Die Kunden sollten sich maßgeblich beteiligen.

In der Community sollten erfahrene Anleger ihr Wissen mit anderen teilen, die Kunden sich so gegenseitig unterstützen und in Investmentfragen beraten. Die ganze Bandbreite der Privatinvestoren - von Erstanlegern bis hin zu solchen mit langjähriger Erfahrung und hoher Expertise - sollte angesprochen werden. Die Bank wollte ihren Kunden ihre Wertschätzung aber auch zeigen, indem sie ihnen größeren Einfluss auf die Angebote der Bank gibt und sie in deren Entwicklung einbindet. Zugleich sollten Produktbewertungen, Feedback und Ideensammlungen die Entwicklung passgenauer Produkte und Services erleichtern.

Drei Pfeiler: Wissensaustausch, Ideensammlung, Feedbackmöglichkeit

In der Community, werden vor allem drei Arten von Aktivitäten gefördert: Wissen teilen, Ideen sammeln und Feedback beziehungsweise Bewertungen abgeben.

- Wissen teilen: Die Community bietet Kunden einen Ort, um Finanzmarktthemen zu diskutieren und Informationen auszutauschen. Eine Wissensdatenbank ist zentraler Bestandteil der Community, sie wird von den Community-Managern der Bank überwacht. Viele der erfahrenen Kunden haben detaillierte Kenntnisse der verschiedensten Finanzthemen. Die Community ermöglicht es ihnen, dieses Wissen zu teilen und anderen Kunden dadurch Hilfestellung und Unterstützung in Finanzfragen zu geben. So entsteht zugleich vertrauenswürdiger - und suchmaschinenfreundlicher - User Generated Content. In einem Blog stellen die Experten der Bank den Community-Mitgliedern darüber hinaus ihre professionellen Kenntnisse zur Verfügung.

- Ideen sammeln: Die Consorsbank bittet die Community-Mitglieder, die Bank der Zukunft mitzugestalten. Im Bereich "Ideen" können Anleger Wünsche und Vorschläge äußern, wie aus ihrer Sicht die Bank künftig aussehen soll. Um die Diskussion anzustoßen, stellen die Community-Manager regelmäßig neue Fragen. Zum Beispiel, wie der optimale Depotüberblick aussehen könnte. Oder wann und wie Notification verschickt werden sollten: bei ungewöhnlichen Kontobewegungen, beim Gehaltseingang, wenn Wertpapiere einen bestimmten Kurs erreichen? Zudem können die Mitglieder Bankprodukte bewerten, Preise und Services vergleichen und konkrete Ideen nennen, um die Bankprodukte noch transparenter oder nutzerfreundlicher zu machen. Die Mitglieder bringen auch selbst Themen ein, die für die Bank zum Teil sogar sehr überraschend sind - wie der Wunsch nach einer virtuellen Nachlassverwaltung. Die Ideen-Plattform hat bereits über 2 000 Ideen generiert, davon sind etwa 80 Prozent direkt relevant für die Entwicklungsprozesse der Bank - einige sind sogar sehr innovativ.

- Bewertungen und Feedback: Mit den Bewertungs- und Feedbackmöglichkeiten hat die Consorsbank sich ein klares Differenzierungsmerkmal geschaffen. Denn die Bewertungen der Produkte und Services und das detaillierte Feedback sind für alle Interessierten zugänglich. Was Transparenz zum Thema Kundenzufriedenheit betrifft, zählt die Consorsbank damit zu den Vorreitern unter den europäischen Banken.

Da es sich um eine SaaS-Lösung (Software as a Service) handelt, geschieht die Weiterentwicklung der Features automatisch - zumindest aus Sicht der Bank: Der Softwareanbieter greift die Anregungen der Bank - und ebenso die aller seiner Kunden weltweit - auf und bringt die Software kontinuierlich auf den neuesten Stand.

Wissens-Community zahlt sich aus

Offenbar hat die "Wissens-Community" den Zeitgeist getroffen. Nicht nur durch die deutlich höhere Conversion Rate wirkt sich die lebendige Community positiv auf die Geschäfte der Bank aus: Co-Creation auf der Plattform ersetzt zumindest teilweise Marktforschung und Research. Die Kundenloyalität und das Net Banking Income sind gestiegen, Volumen und Kosten des Kundensupports sind gesunken.

Mit ihrer Community wirkt die Consorsbank dem allgemeinen Verlust der emotionalen Bindung der Kunden an ihre Bank entgegen, den die eingangs erwähnte Studie konstatiert hat. Außerdem zeigt sie Kunden und Interessenten ganz konkret, dass sie gleichberechtigte Kommunikation wünscht, Transparenz schaffen will und die Beziehung zu ihren Kunden sowie deren Meinung wertschätzt.

Zu den Autoren

Clemens Eckstein, Senior Expert E-Business, Consorsbank, BNP Paribas S.A. Niederlassung Deutschland, Nürnberg; Bruno Teuber, SVP und General Manager EMEA, Lithium Technologies, München

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