Verbraucherschutz

Negativzinsen bei Geldanlagen - die Sicht des Verbraucherschutzes

Niels Nauhauser, Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken und Kredite, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V., Stuttgart

Negativzinsen auf Geldanlagen für Privatkonten sind der neueste "Versuchsballon" von Banken und Sparkassen im Bemühen immer neue Entgelte einzuführen oder höhere Preise durchzusetzen, sagt Niels Nauhauser. Mit Blick auf die Ertragslage ist das seiner Einschätzung nach nicht nachvollziehbar. Die Begründung der Negativzinsen scheint ihm aber auch rechtlich fragwürdig, und das nicht nur, weil sie dem gesetzlichen Grundgedanken zum Thema Zins zuwiderlaufen. Darüber hinaus gefährden Negativzinsen bei Geldanlagen auch den Vertragszweck. Red.

Immer wieder ist zu lesen, dass die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank die Ertragslage der Kreditinstitute wegbrechen ließe und das Geschäftsmodell der Banken bedrohe. Diese These soll dabei auch als Rechtfertigung für Preissteigerungen oder die Einführung neuer Preise sowie Negativzinsen dienen.

Diese Argumentation ist aber mit Blick auf die aktuelle Ertragslage der Finanzinstitute nicht nachvollziehbar. So verkündet etwa der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken ein Ergebnis für 2016 in Höhe von 8,3 Milliarden Euro vor Steuern, was "weiterhin auf hohem Ertragsniveau" liege. Und die Sparkassen ließen mitteilen, dass es gelungen sei, das Ergebnis 2016 vor Steuern mit 4,8 Milliarden Euro stabil zu halten. Tatsache ist, dass die Ergebnisse seit Jahren relativ konstant geblieben sind.

Unabhängig von der Frage der Ergebniswirkung: Die Beschwerden von Verbrauchern über das Verhalten von Banken und Bausparkassen in der Niedrigzinsphase sind in den letzten Jahren zu einem Schwerpunkt in der Beratung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geworden.

Geldanlage ist keine "Verwahrung"

Der neueste Versuchsballon sind negative Zinsen auf Geldanlagen für Privatkonten. Die Volksbank Reutlingen ließ mittels Preisaushang ihre Kunden wissen, dass für bestimmte Angebote künftig negative Zinsen fällig würden. Sie begründete ihr Verhalten wie folgt: "Dies geschieht, um die mittlerweile anfallenden Kosten für die Annahme und Verwahrung großer Guthaben nicht auf alle Kunden umzulegen." Minuszinsen würden beim Tagesgeld bereits ab 10 000 Euro und bei Termin- und Kündigungsgeld ab 25 000 Euro fällig werden.

Beworben wurde das sogenannte VR-Flexgeld zielgerichtet zur Geldanlage, wobei die Volksbank den Verbraucher umfangreich darüber informierte, dass er bei diesem Konto für seine Kapitalerträge, um eine entsprechende Steuerbefreiung zu erhalten, einen Freistellungsauftrag erteilen müsse, da ansonsten automatisch Abgeltungssteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer an das Finanzamt abgeführt werde. Auch eine entsprechende Erläuterung zur Kirchensteuer erfolgte. Das Angebot wurde also nach eigener Ausschreibung und Definition der Volksbank zur Geldanlage und nicht zur Verwahrung angeboten.

Auch bei Riester-Banksparplänen

Doch auch vor langfristigen Verträgen, die der Altersvorsorge dienen, machen Minuszinsen offenbar keinen Halt. Die Kreissparkasse Tübingen nennt bereits seit dem 1. November 2016 bei ihrem Riester-Banksparplan variable Grundzinsen in Höhe von minus 0,5 Prozent pro Jahr - und dies, obwohl diese Einlagen der Bank sehr langfristig zur Verfügung stehen.

Die Sparkasse weist die Kritik der Verbraucherzentrale zurück, indem sie darauf hinweist, dass sie ihren Kunden weder in der Vergangenheit noch aktuell negative Zinsen berechnet habe. Der Fehler der Verbraucherzentrale liege darin, dass sie isoliert eine reine Rechenposition zitiere, den Grundzinssatz. Der den Kunden zu zahlende Gesamtzins berechne sich aber aus der Summe der vereinbarten Grundzinsen und zuzüglich eines festen Bonuszinssatzes.

Die Argumentation der Sparkasse ist für die Verbraucherzentrale dagegen nicht nachvollziehbar. Denn wenn der Verbraucher vertraglich einen Anspruch darauf hat, dass aufgelaufene Zinsen zum Schluss des Geschäftsjahres "gutgeschrieben" werden, und er zusätzlich Bonuszinsen erhält, hat er vertraglich vereinbart einen Anspruch auf die dort ausgewiesenen Bonuszinsen. Wenn diese zusätzlich gezahlt werden müssen und weniger beim Verbraucher ankommt, muss die Sparkasse denklogisch vorab wohl einen eigenen Entgeltanspruch innehaben und durch Aufrechnung abziehen.

Rechtlich nicht überzeugend

Die Argumentation zur Rechtfertigung von "Negativzinsen" für Geldanlagen überzeugt Verbraucherschützer aber auch rechtlich nicht.

- Schon der Begriff ist rechtlich nicht darstellbar. Zinsen sind vom Schuldner zu zahlen und berechtigen ihn nicht nach einer Umbenennung in Negativzinsen oder Minuszinsen vom Gläubiger ein Entgelt einzuverlangen. Denn nach § 488 BGB wird (nur) der Darlehensnehmer verpflichtet, den geschuldeten Zins zu zahlen. Verbraucher sind in diesem Fall Darlehensgeber und können nicht verpflichtet werden, Zinsen zu zahlen. Die von der Bank im Preisverzeichnis verwendete Klausel benachteiligt nach § 307 BGB Verbraucher unangemessen, weil sie im Widerspruch zum Grundgedanken der gesetzlichen Regelung steht.

- Überdies gefährdet ein Negativzins auch den Vertragszweck bei solchen Verträgen, die zur Geldanlage oder Altersvorsorge beworben werden. Dieser besteht darin, den Geldbetrag zu erhalten oder zu vermehren.

Höchstrichterlich noch ungeklärt

Die Frage, ob und unter welchen Umständen Kreditinstitute von Verbrauchern "Negativzinsen" verlangen können, ist höchstrichterlich noch ungeklärt.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat deshalb Klage gegen die Volksbank Reutlingen und die Kreissparkasse Tübingen eingereicht (Az. 4 O 187/17, 4 O 220/17). Sie lässt damit das Verhalten der Institute im Interesse der Verbraucher gerichtlich überprüfen. Zwar zog die Volksbank Reutlingen ihren Preisaushang und damit den Negativzins zurück, nachdem sich die Verbraucherzentrale eingeschaltet hatte. Doch eine Wiederholungsgefahr kann damit nicht wirksam ausgeschlossen werden. Die notwendige Rechtssicherheit kann nur mit einer Unterlassungserklärung oder einem Urteil hergestellt werden.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geht davon aus, dass sich aus den anstehenden Verfahren Grundsätze ableiten lassen, die auf andere Sachverhalte übertragbar sind. Sie wird das Verhalten der Kreditinstitute daher weiterhin kritisch beobachten.

Zum Autor Niels Nauhauser, Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken und Kredite, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V., Stuttgart
Niels Nauhauser , Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken, Kredite , Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V.

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