Virtuelle Geldgeschäfte

Die neue Plattform - Ökonomie im Firmenkundengeschäft

Dr. Nico Peters, Co-CEO und Geschäftsführer COMPEON GmbH, Düsseldorf

Die Digitalisierung macht vor dem Firmenkundengeschäft nicht länger halt. Auch Unternehmen informieren sich immer stärker im Internet über Finanzdienstleistungen. Plattformen, wie sie im Privatkundengeschäft längst etabliert sind, gewinnen deshalb auch im Firmenkundengeschäft an Bedeutung. Sie helfen Banken bei der Neukundengewinnung. Gleichzeitig bietet eine strategische Zusammenarbeit ihnen die Möglichkeit, die Kundenbindung zu festigen, indem sie ihren Kunden auch dann eine Lösung offerieren können, wenn das eigene Produktportfolio nichts Passendes beinhaltet. Red.

Es gibt kaum eine der größeren Geschäftsbanken, die nicht in den letzten 12 Monaten verkündet hätte, im Firmenkundengeschäft wachsen zu wollen. Nach der Finanzkrise vor zehn Jahren sind die Zinsen peu à peu gesunken. Die Erträge aus dem Einlagengeschäft sind den Banken förmlich weggebrochen.

Das Firmenkundengeschäft als Chance

Diese Lücke versuchen die Banken einerseits durch Kosteneinsparungen zu kompensieren, zum Beispiel mithilfe der Schließung von Filialen. Auf der anderen Seite suchen sie nach zusätzlichen Erlösquellen. Das stabile und ertragsstarke Firmenkundengeschäft scheint vielen Kreditinstituten dabei eine hoffnungsvolle Perspektive zu bieten.

Wie groß das Interesse vor allem an der Finanzierung im Firmenkundengeschäft ist, zeigen gleich mehrere Beispiele:

- Die Commerzbank hat sogar ihre Geschäftssegmente umstrukturiert. Sie möchte mit der doppelten Anzahl an Beratern 10 000 neue Kunden gewinnen und die Erträge in der neuen Sparte bis 2020 um 50 Prozent steigern.

- Auch die Deutsche Bank will sich stärker um mittelständische Unternehmen ab 5 Millionen Euro Umsatz bemühen.

- Die ING-Diba, mit 4 000 Mitarbeitern und 8,5 Millionen Kunden größte Direktbank Europas, die bisher in Deutschland nur sehr wenige Großkunden im Firmenkundengeschäft betreut, kündigte an, ihr Engagement in diesem Bereich ebenfalls auszubauen.

- Mit der SEB und BNP drängen weitere ausländische Banken, die sich bisher auf Großkunden fokussiert hatten, in Richtung deutscher Mittelstand.

- Die genossenschaftliche Apotheker- und Ärztebank bezifferte ihre Wachstumsziele sogar ganz konkret: Sie will bis 2022 im Firmenkundengeschäft deutlich wachsen und das Kreditvolumen binnen fünf Jahren von drei auf fünf Milliarden Euro steigern.

Die Welt wird zunehmend digitaler. Nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich und in realen Zahlen messbar. Das gilt auch und gerade für den Finanzsektor. In der Studie "Customer Journey Banking" von GfK, Google und der Postbank aus dem Jahr 2017 wird aufgezeigt, dass Bankkunden auf der Suche nach Finanzprodukten sich immer stärker online informieren und vergleichen. Je nach Produkt holen sich bis zu 89 Prozent der Bankkunden Informationen im Netz ein.

Fortschreitende Digitalisierung

Dennoch eröffnet sich hier weiteres Optimierungspotenzial. So findet bislang nur ein geringer Anteil der Abschlüsse komplett online statt - ein Effekt, der Ropo (Research Online, Purchase Offline) genannt wird. Darunter versteht man das Phänomen, dass Kunden zunächst online recherchieren, das Produkt jedoch dann persönlich in der Bankfiliale abschließen. Gerade für die Geldinstitute ist dieser Bruch zwischen Digitalisierung und manuellem Prozess aber auch aufgrund des umfangreichen Zeitaufwands kostenintensiv, die Bereitschaft den Prozess komplett zu digitalisieren, entsprechend hoch.

In diesem Zusammenhang spielt die Entwicklung den Banken in die Karten. So hat das Interesse von Unternehmen an digitalen Lösungen deutlich zugenommen, sie informieren sich verstärkt im Internet über Finanzierungsmöglichkeiten. Insbesondere bei gewerblichen Immobilien- und Mobilienfinanzierungen hat ihre Bereitschaft wesentlich zugenommen, auch abseits der "ausgetretenen Pfade" Angebote einzu holen. Zudem wünschen sich laut einer jüngsten Compeon-Studie 78 Prozent der mittelständischen Unternehmer ein Mehr an Transparenz. Eine Transparenz, wie sie durch die Vergleichbarkeit geschaffen wird, die digitale Finanzierungsplattformen ermöglichen.

Neugeschäft durch digitale Plattformen

Wer an Plattformen denkt, dem fallen zunächst globale Anbieter aus anderen Branchen wie Amazon, Ebay oder AirBnB ein. Im Finanzbereich ist Interhyp ein Beispiel für eine Plattform der ersten Stunde. Interhyp wurde 1999 gegründet, ging 2005 an die Börse und wurde 2010 von der ING Direct N.V. übernommen. Sie vermittelte 2016 ein Finanzierungsvolumen 18 Milliarden Euro an 400 angeschlossene Partnerbanken. Im Firmenkundengeschäft ist Compeon mit 220 angebundenen Finanzpartnern die führende Plattform in Deutschland. 2012 gegründet, verarbeitete sie im Jahr 2016 Finanzierungsanfragen mit einem Gesamtvolumen von 2,5 Milliarden Euro.

Der Markt im Firmenkundengeschäft wächst nur langsam. Daher ist es für die Wachstumsambitionen vieler Banken häufig nicht ausreichend, aus der eigenen Kundenbasis eine Zweit- oder Drittverbindung zur Hauptverbindung auszubauen. Daher ist auch ein Zugang zu Neukunden erforderlich, was jedoch langwierig und kostenintensiv ist.

Digitale Plattformen bieten Banken eine schnellere und einfachere Möglichkeit vorqualifizierte und vollständige Finanzierungsanfragen zu erhalten. Dies reduziert nicht nur den Bearbeitungsaufwand, es ermöglicht Zugang zu mittelständischen Firmenkunden, die sonst eine Finanzierung bei dieser Bank nicht angefragt hätten. Das Modell ist skalierbar. Die Kosten sind variabel, da eine prozentuale Vergütung nur im Erfolgsfall anfällt.

Passgenaues Angebot

In ihrer Funktionsweise sind Plattformen mit hochspezialisierten Marktplätzen zu vergleichen: Kleine und mittelgroße Unternehmen sowie etablierte Kreditinstitute werden hier entsprechend ihrer jeweiligen Anforderungen passgenau zusammengebracht; die Unternehmen haben dabei die Gelegenheit, unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten zu prüfen und dann die optimale Option zu wählen. Die Angebote können sich bezüglich der Konditionen, der Laufzeit, der erforderlichen Sicherheiten oder deren Bewertung unterscheiden. So ist es möglich, dass sich die zugrunde gelegten Beleihungswerte von Bank zu Bank unterscheiden.

Die Plattform bietet dem kreditsuchenden Unternehmen eine gute Vergleichbarkeit der Angebote und eine zeitnahe Bearbeitung. Konkret beginnt der Prozess damit, dass der Kunde auf der Plattform eine Ausschreibung zu seiner Finanzierungsanfrage einstellt. Nach einer Prüfung der entsprechenden Unterlagen durch die Plattform und einer klaren Definition des genauen Finanzierungsbedarfs, bei der neben dem Kunden häufig auch dessen Steuerberater eingebunden wird, erfolgt das digitale Matching. Hierbei wird die Kompatibilität von Anfragen und Bankenanforderungen überprüft. Im Anschluss wird die Ausschreibung den relevanten Banken angezeigt - im konkreten Fall einer gewerblichen Immobilienfinanzierung sind dies Großbanken, Sparkassen, Volksbanken, Hypothekenbanken und Spezialfinanzierer. Die interessierten Institute geben dann auf der Plattform ihre Angebote ab, aus denen der Kunde eines auswählt.

Profitabilisierung durch digitale Plattformen

Plattformen können für Banken nicht nur attraktiv sein im Sinne der Gewinnung von Neukunden und der Ausweitung des Kreditvolumens, sondern sie können auch bei der Durchdringung der eigenen Kundenbasis und der weiteren Profitabilisierung einer bestehenden Kundenbeziehung helfen. Die Plattformen unterstützen die Banken dabei, sich auf das eigene Kerngeschäft zu fokussieren. Darüber hinaus helfen sie ihnen, ihren Kunden Lösungen zu bieten, die das eigene Produktportfolio nicht bietet, und dadurch Kunden ganzheitlich durchzudringen, auch ohne das eigene Produktangebot auszuweiten. Dies wird aus unterschiedlichen Gründen immer bedeutender. Das Produktangebot für Mittelstandsfinanzierungen wird immer fragmentierter. Seit vielen Jahren wachsen daher die Segmente Leasing und Factoring und Wareneinkaufsfinanzierung überproportional zum Markt.

- Alternative Finanzierungen wie Mezzanine-Kapital oder Private Debt gewinnen immer mehr an Bedeutung. Folge dieser Fragmentierung der Teilbereiche ist die Zunahme an spezialisierten Anbietern. Diese können auf nationaler oder internationaler Ebene den Finanzierungsbedarf besser und günstiger bedienen als mit klassischen Finanzierungen. Neue Finanzdienstleister machen sich bereits das breitere Spektrum an Finanzierungsinstrumenten zunutze, etwa indem sie sich mit der Fokussierung auf attraktive Kundengruppen, Märkte oder Produkte entscheidende Wettbewerbsvorteile sichern.

- Ein wichtiger Faktor in der Kundenbindung ist die Lösungskompetenz. Ein hoher Anteil der Finanzierungsanfragen wird von den Banken abgelehnt. Dies kann verschiedene Gründe haben. Eine andere Bank oder ein anderer Spezialfinanzierer kann zu einer völlig unterschiedlichen Einschätzung von Bonität, Bewertung der Sicherheiten, Laufzeiten oder Wirtschaftlichkeit kommen.

Kurzum: Marktplätze für gewerbliche Finanzierungen können das Allokationsproblem der Banken lösen und Finanzierungsanfragen mit entsprechenden An geboten optimal zusammenbringen. Die Finanzierer hinterlegen, in welchem Geschäftsgebiet sie auf welche Arten von Finanzierungen und unter welchen Rahmenbedingungen bieten möchten. Die Plattform prüft die Unterlagen der Finanzierungsanfragen und präsentiert sie nur den passenden seiner 220 Finanzierungspartner. Für die Bank bedeutet die Plattform auch ein gewisses Maß an Flexibilität: Banken müssen sich dabei nicht an einen einzelnen Produktanbieter binden.

Für die Kunden steht die Finanzierungslösung im Vordergrund; weniger wichtig ist, ob dies intern oder über eine vermittelte Finanzierung realisiert wird. Neben der Kundenbindung sind die erzielbaren Provisionserlöse und damit höhere Profitabilität die wesentlichen Faktoren für die Inanspruchnahme der Plattform.

Strategische Zusammenarbeit

Besonders nützlich ist die Kooperation mit Plattformen für Spezialanbieter/Monoliner, die ihren Fokus auf bestimmte Kundengruppen oder Produkte gesetzt haben, das eigene Geschäftsmodell nicht ausweiten, aber ihre Kunden dennoch ganzheitlich betreuen und maximal durchdringen möchten. So können beispielsweise Privatkundenbanken auf diese Weise auch die gewerbliche Sphäre ihrer Kunden ausschöpfen.

Während manche Fintech-Unternehmen, die Finanzierungen anbieten, API-Schnittstellen zur Verfügung stellen, sind Banken bisher restriktiv. Auch bei Universalbanken gibt es erste Kooperationen zwischen den Banken und Fintech-Unternehmen, die die Produktpalette der Banken ergänzen. Angesichts knapper IT-Ressourcen macht es auch für Universalbanken mehr Sinn, sich an eine zentrale Schnittstelle anzubinden, statt eine Vielzahl von Schnittstellen selbst aufzubauen.

So kooperieren beispielsweise die DZB Bank und ihre Tochtergesellschaft Aktivbank mit Compeon. Das Spezialinstitut für die Working-Capital-Finanzierung im Handel ist in 16 europäischen Ländern vertreten und größter europäischer Anbieter für Zentralregulierung. Zu den 18 000 Kunden gehören insbesondere mittelständische Großhändler, Wiederverkäufer und Weiterverarbeiter, die in Verbundgruppen, Franchiseorganisationen oder Kooperationen organisiert sind. Die Zusammenarbeit ermöglicht Unternehmen den Zugang zum gesamten Spektrum der Finanzierungsinstrumente, wie etwa gewerbliche Immobilienfinanzierung oder Finanzierung von Ladeneinrichtungen. Für die DZB Bank und Aktivbank ist die Kooperation tiefgreifend und strategisch. Daher wurde der Zugang zum Marktplatz innerhalb des Banking Portals individualisiert und als Value Added Service integriert.

Können oder wollen Banken eine Finanzierungsanfrage nicht bedienen, macht es für sie Sinn, im Rahmen der Kundenbindung über eine Plattform eine passende Finanzierung zu vermitteln und dem Kunden eine Lösung anzubieten. Einerseits lassen sich dadurch zusätzliche Erträge generieren, andererseits können sie durch ihren Lösungsansatz den Firmenkunden an sich binden. Ansonsten droht die gesamte Geschäftsverbindung an einen direkten Wettbewerber verloren zu gehen.

Zum Autor Dr. Nico Peters, Co-CEO und Geschäftsführer COMPEON GmbH, Düsseldorf
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