Digitalisierung und Marketing

Private Banking: Empfehlungsmarketing bleibt Trumpf

Dr. Alexander Putzer, Vorsitzender der Geschäftsleitung, Raiffeisen Privatbank Liechtenstein AG, Vaduz

Quelle: Raiffeisen Privatbank Liechtenstein AG

Die Digitalisierung hat längst auch das Private Banking erfasst. Für die Neukundengewinnung bleiben dennoch vor allem die klassischen Wege wichtig: Zwar ermöglichen Portale oder Online-Communities mittlerweile den Zugang zu neuen Zielgruppen. Gleichwohl beobachten die Autoren, dass Veranstaltungen und vor allem das Empfehlungsmarketing nach wie vor die weitaus wichtigste Rolle für die Ansprache der vermögenden Kunden spielen. Red.

An Herausforderungen im Geschäft mit vermögenden Privatkunden mangelt es heutzutage nicht. Insbesondere die anhaltende Niedrigzinsphase, steigende Kosten, eine ausufernde und nicht immer zielführende Regulatorik sowie ein hoher Konkurrenzdruck durch ein starkes Angebot hoch qualifizierter Mitbewerber bestimmen die Rahmenbedingungen, mit denen sich Private-Banking-Anbieter derzeit auseinandersetzen müssen. Hinzu kommt ein starker Trend hin zur Digitalisierung in der gesamten Dienstleistungsbranche.

Auch der Finanzdienstleistungsbereich ist mittlerweile stark davon erfasst. Viele klassische Geschäftsmodelle werden dadurch infrage gestellt. Doch wie so oft im Leben nutzt es nichts, sich diesen Entwicklungen zu versperren. Vielmehr gilt es, den allseitigen Nutzen daran zu erkennen und ihn auch daraus zu heben.

Demografie und Digitalisierung verändern die Kundenprofile

Während sich so der Anbietermarkt entwickelt, ist ein weiterer wichtiger Einflussfaktor für grundlegende Veränderungen im Private-Banking-Sektor auch die konstante Entwicklung der Profile der Kundschaft. Einerseits führt die demografische Dynamik zu einer entsprechenden Anpassung der Kundenbedürfnisse in Mitteleuropa.

Zugleich verändern Digitalisierung und erweiterter Informationszugang im Zeitalter des Internets den Umgang der Kunden mit Informationen über das Finanzwesen. Im Ergebnis erlebt man heute häufig einen zunehmend gut vorbereiteten, kritischen und oft preissensiblen Zugang der Kunden zu den einschlägigen Themen.

Was man bei all diesen Überlegungen nicht vergessen darf, ist, dass gerade der deutschsprachige Private-Banking-Markt (gemeint sind hier Kunden mit einem liquiden Vermögen ab 300 000 Euro) weiterhin attraktive Entwicklungsmöglichkeiten und einen deutlich wachsenden Rahmen bietet. In diesem kompetitiven und herausfordernden Umfeld müssen Private-Banking-Institute immer größere Anstrengungen unternehmen, um die vermögende Klientel für sich zu gewinnen. Dies gilt sowohl für die Bestandskundenbetreuung als auch für die Neukundengewinnung. Ohnehin sind diese beiden Bereiche in der Praxis nicht exakt voneinander zu trennen.

Kompetenzspektrum abgrenzen

Zentrale Grundlage einer erfolgreichen Neukundengewinnung in dem beschriebenen Umfeld ist eine klare Abgrenzung des eigenen Kompetenzspektrums und des damit einhergehenden Kundennutzens sowie die entsprechende Personalpolitik des Unternehmens.

Angesichts der hohen Qualität der Kerndienstleistung der Vermögensberatung und Vermögensverwaltung im deutschsprachigen Markt muss eine Differenzierung als Anbieter stark von Aspekten des erweiterten Kundennutzens getragen sein (added value, der Kunden geboten werden kann). Beispielhaft seien hier spezifische Angebote im Bereich Asset Protection, Lifestyle oder auch Nachhaltigkeit genannt. Dass eine entsprechende Spezialisierung und strategische Fokussierung nur auf Basis einer kongruenten Personalpolitik wachsen kann, versteht sich von selbst. Auf diesem Fundament können sich die weiteren Schritte der Neukundengewinnung entfalten.

Werbung und Marketing als Ausgangspunkt

Eine gute Markenpositionierung ist entscheidend, um Kunden auf die Vorteile und Besonderheiten der eigenen Private-Banking-Dienstleistung aufmerksam zu machen, und stellt somit eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Neukundengewinnung dar.

Durch die gezielte Positionierung einer spezifischen Marke wird das Image in der Öffentlichkeit aufgebaut, gestärkt und Präsenz in wichtigen Marktregionen gezeigt. Mit regelmäßigen, klassischen Werbemaßnahmen und einer systematischen Öffentlichkeitsarbeit kann bei den potenziellen Kundenzielgruppen Aufmerksamkeit geschaffen werden.

Somit hat die Markenpositionierung eine wichtige anbahnende und unterstützende Funktion. Sie ist meist fokussiert auf Image-Ziele, denn nur über die eigene Positionierung und den Aufbau eines unverwechselbaren Image kann eine Differenzierung gegenüber Mitbewerbern stattfinden. Ist ein positives Image in der Zielgruppe aufgebaut und Erwartungen in die Leistungsfähigkeit und Kompetenz der Bank hergestellt, können sich weitere Maßnahmen der Neukundengewinnung deutlich besser entfalten.

Massenansprache im Private Banking?

Man darf im gut entwickelten deutschsprachigen Markt davon ausgehen, dass der Private-Banking-Kunde in den meisten Fällen schon eine bestehende Beziehung zu einem Berater einer (anderen) Bank unterhält. Bevor er seine Bankverbindungen ausweitet oder den Berater und die Bank wechselt, sind oft sehr lange Vorarbeiten notwendig.

Schon angesichts dessen und auch, da Private Banking kein Massengeschäft ist, sind breitenwirksame Akquisemethoden - abgesehen von regulatorischen Beschränkungen - wie beispielsweise Ansprache aufgrund von Grundbuch- oder Handelsregisterveränderungen von geringer Bedeutung und Erfolgsaussicht.

Zudem leben solche Methoden von dem Abzielen auf relativ rasche Abschlüsse; gerade das widerspricht auch dem Grundcharakteristikum des Private Banking als Vertrauensgeschäft und dem Ziel einer Differenzierung über erweiterten Kundennutzen.

Veranstaltungen und Events sind wichtige Kontaktpunkte

Spezielle Unternehmerveranstaltungen stellen im Rahmen der Neukundengewinnung wichtige Kontaktpunkte dar und bilden meist einen wichtigen Bestandteil der Aktivitäten.

- Sie unterstützen einerseits klassische Werbemaßnahmen bei der Markenpositionierung und

- bieten anderseits auch Gelegenheit zur angemessenen Demonstration ausgewählter Kompetenzen. Hier ist zumeist der Fokus auf Spezialkompetenzen erfolgversprechender, weil das Marktniveau im Bereich der Kernkompetenzen generell sehr hoch ist.

Es ist zu beobachten, dass bei den meis ten Private-Banking-Instituten viel Ressourcen und Budgets in ein aufwendiges Veranstaltungsmanagement investiert werden. So zählt das Eventmarketing im Private Banking zum Standard-Repertoire und ist seit Langem ein etabliertes Instrument, um Bestandskunden und Interessenten mit außergewöhnlichen Incentives zu begeistern und zu überraschen. Die damit verbundenen Ziele sind die Erhöhung der Kundenbindung und -zufriedenheit und somit auch die Bereitschaft und Motivation des Kunden zur Weiterempfehlung.

Oftmals bieten Veranstaltungen auch die erste Gelegenheit für ein persönliches Kennenlernen des Unternehmens und liefern somit dem Berater eine gute Plattform, um potenzielle Neukunden zu akquirieren.

Doch auch hier zeigt sich, dass selbst kostspielige und aufwendig inszenierte Eventveranstaltungen an Attraktivität und Zuspruch verlieren, weil die Zielgruppen immer stärker von gleichartigen Angeboten geradezu überfrachtet werden oder nicht mehr ohne Weiteres, das heißt ohne einen direkt ersichtlichen Nutzen, bereit sind, ihre wertvolle Zeit dafür aufzuwenden. Auch dies spricht für eine Konzentration auf Dienstleistungsaspekte im Bereich des erweiterten Kundennutzens.

Digitalisierung verändert die Neukundengewinnung

Aktuelle Studien belegen eine unabhängig von Bankdienstleistungen allgemein hohe Technologieaffinität von Private-Banking-Kunden. Eine Mehrheit nutzt im Alltag bereits neue Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten, die das Internet und mobile Endgeräte bieten. Und es ist ihnen zunehmend wichtig, dass die Banken auf die modernen Kontaktformen eingehen und entsprechende Online-Dienstleistungen anbieten.

Nur wenige Kunden jedoch schätzen eine wahllose Nutzung aller sich bietenden Möglichkeiten. Vielmehr schätzen sie auch hier eine qualitativ an die Dienstleistung der Bank angepasste Unterstützung der Kommunikation. Digitalisierung zielt aus Kundensicht in erster Linie darauf ab, die Interaktion mit der Bank und den Zugang zu Informationen deutlich zu vereinfachen.

Auch die in der Vergangenheit beobachtete Alterslücke bei der Nutzung neuer technologischer Möglichkeiten im Private Banking schwindet zusehends, da inzwischen auch die älteren Kundengenerationen signifikant technologieaffiner geworden sind. Wie Umfragen zeigen, nutzen Vermögende immer öfter auch Social-Media-Instrumente und pflegen auf diesen Kanälen Kontakte im Finanzbereich, um sich über Wirtschafts-, Finanz- und Anlagethemen auszutauschen. Die Digitalisierung hat also die klassischen Private-Banking-Zielgruppen längst erfasst.

Das alleine bedeutet aber nicht automatisch, dass auch explizit Online-Dienstleistungen rund um die Vermögensverwaltung und Anlageberatung signifikant nachgefragt werden. Für die klare Mehrheit der vermögenden Kunden ist die Nutzung eines reinen Online-Dienstleistungsangebotes - unabhängig von der eigenen Bank und dem eigenen Berater - aktuell definitiv noch kein Thema. Trotz verstärkter Nutzung technologischer Möglichkeiten bleibt der Kundenberater im Private Banking der wichtigste Bezugspunkt für den Kunden.

Neue Medien ermöglichen Zugang zu neuen Zielgruppen

Dennoch sollte man die enorme Dynamik der Digitalisierung und das zunehmende Potenzial, das dahinter steht, nicht unterschätzen. Denn sie eröffnet auch neue Möglichkeiten im Marketing und in der Neukundengewinnung. Auch Private-Banking-Zielgruppen sind immer häufiger auf digitalen Kanälen anzutreffen. Das bedeutet gerade auch für etablierte Institute, neue Wege der Neukundenansprache und langfristigen Kundenbindung einzuschlagen und der digitalen Transformation grundsätzlich positiv gegenüberzustehen.

Soziale Netzwerke, Online-Communities und Vergleichsportale haben nicht nur die Art der Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden verändert, sie ermöglichen zudem einen Zugang zu neuen Zielgruppen. Gerade jüngere Unternehmer nutzen entsprechende Medien auch für die Auswahl ihrer Dienstleister.

Aktives Empfehlungsmarketing bleibt Königsweg der Neukundengewinnung

Die nachhaltigste und wichtigste Akquisitionsstrategie im Private Banking ist und bleibt das aktive Empfehlungsmarketing. Es ist gleichsam "der Königsweg der Neukundengewinnung", weil es sich um eine Vorgehensweise handelt, die mit dem Geist der Dienstleistung besonders hohe Kongruenz aufweist. Private Banking ist in erster Linie ein Vertrauensgeschäft.

Jeder Private-Banking-Kunde kennt aus seinem beruflichen und privaten Umfeld eine Vielzahl potenzieller Kunden, die einen ähnlichen Beratungsbedarf haben wie er selbst. Dieses soziale Umfeld und Netzwerk des Kunden gilt es bestmöglich kennenzulernen. Empfehlungsmechanismen und der kontinuierliche Aufbau eines Empfehlernetzwerks sind eine hervorragende Grundlage zur Neukundengewinnung. Daher ist es äußerst wichtig, diese Netzwerke zu aktivieren und zu pflegen.

Beim aktiven Netzwerken kann die Spezialisierung auf eine bestimmte Zielgruppe vorteilhaft sein, weil damit eine Fokussierung auf gleichartige Probleme, Wünsche und Bedürfnisse verbunden ist. Empfehlungen von bestehenden, zufriedenen und loyalen Kunden führen mit großer Wahrscheinlichkeit und im Vergleich zu anderen Vorgehensweisen am schnellsten zum Erfolg. Die Vorlaufzeit von der Kontaktaufnahme bis zum Abschluss wird in diesem Fall erheblich verkürzt.

Eine Empfehlung, in der sich der Berater auf seinen Private-Banking-Kunden berufen kann, wird vom neuen potenziellen Kunden zudem als positiv assoziiert. Denn über die Empfehlung wird gleichsam ein Vertrauensvorschuss - und damit einer auf den Kernaspekt der gesamten Dienstleistung mitgeliefert. Diese naheliegende Form der Akquisition wird jedoch nicht von allen Private-Banking-Beratern regelmäßig und systematisch eingesetzt.

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass in Gesprächen mit zufriedenen Kunden bewusst nach der Weiterempfehlung gefragt wird. Die Praxis zeigt nämlich, dass es hier bei manchen Beratern innere Barrieren gibt und die Empfehlungsfrage unterbleibt.

Den Wandel und die Komplexität als Chance sehen

Vermögende Kunden erwarten heutzutage mehr denn je fundierte Informationen und eine anspruchsvolle Beratung und sie haben - nicht zuletzt wegen des herausfordernden Umfeldes - zudem komplexe Fragestellungen. Wenn es die Private-Banking-Anbieter schaffen, sich weiterhin als vertrauensvoller, kompetenter und kundenorientierter Ansprechpartner bei den Kunden zu positionieren, wird auch die Nachfrage nach persönlicher Beratung weiter bestehen bleiben oder vielleicht sogar wachsen.

Eine wesentliche Chance liegt in der zunehmenden Komplexität und der anhaltenden Verunsicherung, die stetiger Wandel verursacht. Zugleich bieten die sich auftuenden Komplexitäten für jene Anbieter, die sich als Problemlöser verstehen, einen interessanten Rahmen für die Entwicklung eines erweiterten Kundennutzens.

Rolle des Beraters verändert sich

Und auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung bleibt das Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Berater das entscheidende Kriterium und kann von einer Maschine nicht ersetzt werden. Gerade angesichts des Wandels - technologisch wie auch in der Anlagewelt - wird die persönliche Beratung noch wichtiger. Allerdings ändert sich damit auch die Rolle des Beraters insofern, als er mehr als "Coach und Sparringspartner" des zunehmend selbstbestimmenden und mitgestaltenden Kunden gefragt ist.

Gerade auch in kritischen und schwierigen Marktphasen kommt es auf eine verlässliche und professionelle Unterstützung an. In Phasen größerer Wertschwankungen stellen Anleger ihre Risikobereitschaft häufig wieder infrage. Hier gilt es, spontane und emotionale Entscheidungen zu vermeiden. Die Banken müssen sich intensiver damit auseinandersetzen, wie die Kundenprofile und Bedürfnisse der Zukunft aussehen, und sich personell darauf einstellen.

Private Banking ist Beratung von Mensch zu Mensch

Wenn es darum geht, Vermögen zu erhalten und in die nächste Generation zu führen, sind heute und auch in Zukunft nicht nur professionelle Anlagestrategien, moderne Instrumente und effiziente Prozesse gefragt, vielmehr ist nach wie vor das Vertrauen und eine enge Beziehung zwischen Vermögensinhaber und Vermögensverwalter oder -berater die wichtigste Basis für ein nachhaltiges Gelingen.

Und dieses Vertrauen jeden Tag unter Beweis zu stellen bleibt die größte Chance für den Private-Banking-Berater - auch in einer von Technik zunehmend dominierten Welt. Vermögenskonzepte dürfen nicht nur als Kapitalanlage begriffen werden, die sich aus unterschiedlichsten Modellen und Theorien oder einer technisierten Beratung ableiten. Für etablierte Private-Banking-Institute muss die professionelle Vermögensverwaltung weiterhin mit dem Anspruch verbunden sein, ihre Kunden umfassend und zu jeder Zeit bei dem Erreichen ihrer Lebensziele zu begleiten.

Zu den Autoren Dr. Alexander Putzer, Vorsitzender der Geschäftsleitung, Raiffeisen Privatbank Liechtenstein AG, Vaduz. Markus Kalab, Direktor Marketing, Walser Privatbank AG, Riezlern, Österreich
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