Fintechs

Robo Advisor: Einfache Lösungen sind gefragt

Prof. Dr. Markus Petry, Lehrstuhl Finanzdienstleistungscontrolling, Hochschule RheinMain, Wiesbaden

Rund 20 Robo-Advisor gibt es derzeit in Deutschland. Zum Teil sind es Start-ups, teils wurden sie von Banken entwickelt. In den Ansätzen gleichen sie einander, so Markus Petry. Hexenwerk sind die Robo Advisor nicht, Fragenkatalog, Risikoeinstufung und Anlagelösungen sehr einfach, so der Autor. Doch für Anleger, die sich nicht selbst um ihre Anlagen kümmern wollen, bieten sie oftmals eine adäquate Lösung. Dass Banken zunehmend Robo Adivors gründen oder Kooperationen eingehen ist aus Sicht des Autors deshalb durchaus berechtigt. Auch für Versicherungen sieht er Anknüpfungspunkte. Red.

Unternehmensgründungen mit Geschäftsideen, die Teile der Wertschöpfungskette von Finanzdienstleistern digitalisieren, sind derzeit als "Fintechs" in aller Munde. Neben dem ursprünglichen Schwerpunkt, der Vereinfachung des Zahlungsverkehrs, haben sich mittlerweile auch einige junge Unternehmen in der Kapitalanlage eta bliert.

Das Geschäftsmodell der sogenannten Robo Advisor besteht im Prinzip aus einer automatisierten Vermögensanlage über das Internet. Dabei wird das Beratungsgespräch zwischen Anlageberater und Kunde sowie die Anlageentscheidung in einen vollständig digitalen Prozess überführt und jegliche menschliche Interaktion eliminiert. Analog zu einem Anlageberater einer Bank erhebt der Robo Advisor zunächst persönliche Informationen und fragt den Kunden nach dessen Anlagepräferenzen. Daraus wird die für den Investor optimale Anlagestrategie ermittelt, die im Anschluss kostengünstig automatisiert meist über Exchange Traded Funds (ETFs) umgesetzt wird.

In den USA gibt es mit Betterment und Wealthfront bereits zwei Robo Advisor, deren Bewertung in der Nähe des "Unicorn"-Status (Bewertung ab einer Milliarde US-Dollar) liegt. Dabei hat Betterment im Jahr 2016 die Schallmauer von fünf Milliarden US-Dollar bei Assets under Management (AuM) durchbrochen, während Wealthfront mittlerweile mehr als zwei Milliarden US-Dollar verwaltet.

In diese Größenordnung sind in Deutschland ansässige Robo Advisor noch nicht annähernd vorgedrungen, aber trotzdem haben einige Anbieter bereits signifikante Summen von Kapitalanlegern eingesammelt. So hat das Münchener Unternehmen Scalable Capital im Dezember 2016 vermeldet, mehr als 100 Millionen Euro Assets zu verwalten.

Wie hoch die Assets under Management aller Robo Advisor in Deutschland derzeit sind, lässt sich nur schwer quantifizieren, da viele Anbieter keine entsprechenden Angaben machen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Markt derzeit noch unter einer halben Milliarde Euro Anlagevolumen liegt. Wachstumspotenzial ist jedoch in hohem Maße vorhanden. Studien zufolge kann sich bis zu einem Drittel der Befragten vorstellen, einen Robo Advisor zur Kapitalanlage einzusetzen.

Mehr als 20 Robo Advisor in Deutschland

Im Dezember 2016 konnten in Deutschland über 20 Robo Advisor gezählt werden, von denen die Mehrzahl im B2C Geschäft tätig ist und Privatkunden als Zielgruppe hat. Einen gewissen Bekanntheitsgrad im deutschen Markt haben hiervon mittlerweile etwa zehn bis zwölf Anbieter erreicht.

Diese sind jedoch nicht alle als Start-up entstanden wie zum Beispiel Vaamo, Cashboard, Scalable Capital, Growney oder Ginmon. So entstammt "Fintego" dem Commerzbank-Konzern, "Quirion" wurde aus der Quirin Bank AG entwickelt und "Visualvest" ist ein zum genossenschaftlichen Finanzverbund gehörendes Unternehmen. Der Anbieter "Easyfolio" ist mittlerweile von der Privatbank Hauck & Aufhäuser übernommen worden.

Nachdem einige Robo Advisor mittlerweile etablierte Nischen-Player in der Kapitalanlage sind, lohnt sich eine genauere Analyse des Anlageprozesses.

Nicht mehr als acht persönliche Fragen

Wie eingangs erwähnt, basiert die Zusammenstellung des Portfolios auf Fragen zur persönlichen und finanziellen Situation des Anlegers. Dabei unterscheiden sich die Fragen bei praktisch allen Anbietern nur marginal. Im Bereich der persönlichen Fragen spielen folgende Themen für die Einschätzung des Kunden eine wichtige Rolle:

- monatliches Nettoeinkommen,

- monatliches frei verfügbares Einkommen für die Kapitalanlage,

- Verschuldung,

- berufliche Situation,

- Alter und zeitlicher Abstand zum Renteneintritt,

- Deckung von laufenden Ausgaben durch Rücklagen,

- Vermögen, gegebenenfalls mit Aufteilung auf Assetklassen.

Mehr als acht persönliche Fragen werden nie gestellt, meist beschränken sich die Anbieter auf vier oder fünf Sachverhalte, da die Korrelation zwischen den Variablen, zum Beispiel Alter und zeitlicher Abstand zum Renteneintritt, relativ hoch sein dürfte. Sobald der Kunde seinen Stammdatensatz angelegt hat, kann das Unternehmen einige der oben dargestellten Informationen ohnehin selbst ableiten.

Finanzbezogene Fragen mit Unklarheiten

Was die finanzbezogenen Fragen anbetrifft, so wird neben der Erfahrung mit bestimmten Finanzprodukten in aller Regel die Risikotoleranz des potenziellen Kunden analysiert. Hierzu werden folgende Informationen erhoben:

- Anlageziel (Sparen für eine bestimmte Anschaffung, Studium der Kinder, eigene Rente oder Kapitalanlage ohne spezifisches Ansparziel).

- Anlagehorizont in Jahren (wobei auf die tägliche Liquidierbarkeit der Anlagen hingewiesen wird).

- Welche Schwankungen ist der Anleger bereit zu akzeptieren? Hier werden üblicherweise prozentuale Werte vorgegeben, deren genaue Definition jedoch selten dargestellt wird. Meist dürfte der prozentuale Verlust in Bezug auf den ursprünglichen Portfoliowert gemeint sein, ohne jedoch hier einen Zeithorizont zu nennen.

- Häufig wird nach einer Rendite-/Risiko-Einschätzung gefragt, zum Beispiel ob man "5 Prozent Rendite bei Schwankungen bis zu 10 Prozent" oder "7 Prozent Rendite bei Schwankungen bis zu 15 Prozent" bevorzugen würde. Es darf bezweifelt werden, dass den meisten Anlegern klar ist, dass es sich bestenfalls um eine erwartete Rendite handelt. Darüber hinaus ist auch hier unklar, wie "Schwankung" genau definiert ist.

- Welche maximalen Verluste würde der Anleger vor Liquidation des Portfolios hinnehmen? Hier ist nur teilweise ein Zeitrahmen genannt. So spricht "Scalable Capital" zum Beispiel von einer "negativen Wertenwicklung (...) in einem schlechten Börsenjahr", bei anderen Anbietern unterbleibt jeder Hinweis auf die zeitliche Komponente.

Hat der Kunde alle diese Fragen beantwortet, geben die Robo Advisor (noch bevor der Kunde namentlich bekannt ist und die Kundenstammdaten angelegt sind) eine Einschätzung über die Struktur des angemessenen Anlageportfolios ab. In den meisten Fällen ist die Risikoklassen-Einstufung des Kunden jedoch so einfach, dass sie auf Basis der angegebenen Daten auch leicht in einem Spreadsheet nachvollzogen werden könnte.

Einstufung in Risikoklassen

Im Prinzip folgt die Anlageempfehlung einem einfachen µsigma-Diagramm. Die Einstufung des Kunden und damit die Auswahl der Portfoliostruktur basiert in der Regel auf einem standardisierten Scoringmodell der risikobezogenen Parameter (Anlagehorizont, Risikotoleranz). Dabei ist leicht nachzuvollziehen, wie das Programm auf eine Veränderung der Eingangsparameter reagiert. Setzt man beispielsweise den Anlagehorizont hoch, wird man tendenziell in eine Kategorie eingestuft, die einem höheren Risiko entspricht. Dabei unterscheidet sich die Anzahl der Risikokategorien von Anbieter zu Anbieter und schwankt zwischen 3 (zum Beispiel Vaamo und Easyfolio) und 23 (Scalable Capital).

Bei einigen Anbietern scheint die Anzahl der Risikoklassen, die den Kunden genannt werden, nicht mit der tatsächlichen Anzahl übereinzustimmen. So kann teilweise selbst bei extrem konservativer Eingabe alle Parameter (keine Risikotoleranz, kurzer Anlagehorizont) nicht die niedrigste Risikoklasse erreicht werden, vermutlich weil hier die erwartete Rendite in der aktuellen Niedrigzinsphase zur Deckung der Gebühren nicht ausreichen würde.

Umsetzung der Anlageempfehlung meist mit ETFs

Die Umsetzung der Anlageempfehlung erfolgt dann in der Regel mit Standard ETFs. Die meisten Robo Advisor publizieren, in welche konkreten ETFs sie investieren, und die Portfoliogewichte. Zur Anlage werden ETFs auf Aktien, Anleihen, Immobilien und Commodities verwendet, einige wenige Anbieter verzichten auch auf letztgenannte beiden Assetklassen.

Sobald der Kunde tatsächlich investiert, wird ein Depot angelegt, in das je nach Risikoeinstufung diejenigen ETFs in der Anzahl gekauft werden, die das jeweilige genormte Portfolio konstituieren. Bis auf eine Ausnahme orientieren sich die Robo Advisor an den Überlegungen von Markowitz zur Portfolioselektion. Da es keine Anlagekombinationen oberhalb des effizienten Randes gibt, versuchen die Unternehmen in aller Regel, Kombinationen von ETFs zu finden, die möglichst nahe am effizienten Rand liegen und der Risikoeinstufung des Kunden entsprechen. Dies zeigt die Abbildung, wobei die nummerierten Kreise genormten Portfoliostrukturen mit unterschiedlichem, hier ansteigendem Risikogehalt entsprechen.

Durch positive und negative Wertentwicklungen der unterschiedlichen ETFs verändern sich im Verlauf des Investitionszeitraums die Gewichte der verschiedenen Asset Klassen. Dies führt dann entweder laufend oder zu gewissen prädeterminierten Zeitpunkten zu einem sogenannten Rebalancing des Portfolios. Dabei werden bei praktisch allen Anbietern die ursprünglichen Gewichte statisch wieder hergestellt. Lediglich bei Scalable Capital basiert das Rebalancing auf einem Valueat-Risk Ansatz, sodass Anpassungen der Zusammensetzung des Depots des Kunden täglich und insoweit dynamisch vorgenommen werden können, als die Portfoliogewichte nach Rebalancing zwar noch den Valueat-Risk-Vorgaben des Investors entsprechen, nicht mehr zwangsläufig jedoch der ursprünglichen Zusammensetzung.

Sehr einfache Lösungsansätze

Wenn man sich durch Begrifflichkeiten wie "Robo-(...)" oder "(...)-Tech", die Lösungsansätze suggerieren, die auf mathematisch komplexen Algorithmen und Programmen beruhen, nicht irritieren lässt, muss man konstatieren, dass sowohl die ursprüngliche Risikoeinstufung des Kunden als auch das Portfoliomanagement während der Investitionsphase bei praktisch allen Anbietern des Robo Advisor auf sehr einfachen Lösungsansätzen basieren. Jeder halbwegs versierte Privatanleger wäre in der Lage, mit einem Tabellenkalkulationsprogramm von einem Robo Advisor vorgeschlagene Portfolien nachzubilden und selbst zu managen.

Das bedeutet nicht, dass es für Robo Advisor in der dargestellten Form keinen Platz am Markt gibt - im Gegenteil. Es handelt sich um einfache und gut nachvollziehbare Kapitalanlagen, die Investoren zu vergleichsweise moderaten Preisen angeboten werden. Der Kunde muss weder befürchten, von einem Bankberater Produkte vorgeschlagen zu bekommen, die für die Bank besser als für den Kunden sind, noch muss er sich um die Kapitalanlage weiter kümmern. Insbesondere für solche Kapitalanleger, die nicht selbst für ihre Anlage verantwortlich sein können oder wollen, sind Robo Advisor eine interessante Alternative. Das derzeit hohe Wachstum der meisten Anbieter zeigt, dass entsprechende Nachfrage besteht.

Drei Trends zu beobachten

Da es sich um kleinere und meist sehr junge Unternehmen handelt, gibt es selbstverständlich noch Zweifel an dem Angebot. Insbesondere für risikoaverse Anleger spielt die Seriosität des Geschäftspartners eine wichtige Rolle.

Deswegen sind aktuell drei Trends zu beobachten:

1. Eigenständige Robo Advisor arbeiten intensiv an ihrem Branding, um ihre Marke bekannter zu machen und Kapitalanleger von ihrem Angebot zu überzeugen. So hat zum Beispiel Cashboard umfangreiche Fernsehwerbung bei der Pro-Sieben-Sat1- Gruppe geschaltet. Das Mediabudget von etwa vier Millionen Euro hatte das Unternehmen zuvor in einem Fintech-Wettbewerb gewonnen.

2. Banken gründen oder kaufen Robo Advisor, um den Kunden in der Kapitalanlage weitere Alternativen anbieten zu können.

3. Es werden Kooperationsverträge zwischen Banken und Robo Advisorn abgeschlossen. Beispielhaft sei hier die kürzlich kommunizierte Zusammenarbeit zwischen Vaamo und N26 genannt.

Anknüpfungspunkte für Versicherungen

Auch für Versicherungen ergibt sich zum Geschäftsmodell der Robo Advisor ein hervorragender Anknüpfungspunkt. Selten schaffen Versicherungen es nämlich, mehr als zehn Prozent der fälligen Lebensversicherungen im Unternehmen zu halten und verlieren diese an Dritte. Ein Hauptgrund hierfür ist, dass die Versicherer vorwiegend über unflexible und verwaltungskostenintensive Produkte verfügen, die im derzeitigen Niedrigzinsumfeld keine für Investoren interessante Rendite abwerfen.

Eine Kooperation mit Robo Advisors könnte ein Weg sein, den Kunden im Rahmen der Wiederanlage weitere Optionen anzubieten. Es ist durchaus möglich, dass die nächste Welle der Beteiligungen und Kooperationen aus dem Umfeld der Assekuranz kommt.

Zum Autor Prof. Dr. Markus Petry, Hochschule RheinMain, Wiesbaden

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