Verbraucher und Bankenvertrieb aus Sicht des Verbraucherschutzes

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Bei Finanzdienstleistungen legen Verbraucherschützer wie auch der Gesetzgeber einen anderen Maßstab an als bei Konsumgütern - mit gutem Grund, meint Dorothea Mohn, schließlich handelt es sich hier nicht um "Erfahrungsgüter". Hauptanliegen aus Sicht des Verbraucherschutzes ist die Abschaffung der Provisions-Beratung. Doch auch bei einzelnen Produktbereichen gibt es Wünsche an den Gesetzgeber: Der Abschluss von Restschuldversicherungen in Verbindung mit Konsumentenkrediten soll nur noch als freiwillige Option angeboten werden dürfen. Und für die Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen fordert die Autorin eine standardisierte Berechnungsgrundlage sowie einen Deckel von maximal fünf Prozent. Red.

In der verbraucherpolitischen Arbeit spielen im Bereich Finanzdienstleistungen aktuell vier Themen eine wichtige Rolle: Provisionen im Finanzvertrieb, Restschuldversicherungen, Vorfälligkeitsentschädigungen und Bearbeitungsgebühren beim Konsumentenkredit.

Beim Stichwort Provisionen wird seitens der Finanzdienstleister häufig angeführt, dass sich Verbraucher zum Beispiel beim Abschluss von Handy-Verträgen oder dem Kauf eines Toasters oder DVD-Players sehr gut informierten. Dementsprechend könnten und müssten sie sich auch selbstverantwortlich über Finanzprodukte informieren.

Finanzprodukte sind keine Erfahrungsgüter

Dieser Wunsch ist zwar nachvollziehbar, er lässt sich aber in der Praxis nicht gleichermaßen umsetzen. Denn Finanzprodukte sind keine Erfahrungsgüter, das heißt keine Güter des täglichen Bedarfs. Verbraucher befassen sich vielfältig nur punktuell mit Finanzdienstleistungen, wie mit ihrer Altersvorsorge, der Eröffnung eines Kontos oder dem Abschluss einer Versicherung. Zudem sind Finanzprodukte abstrakte Produkte, die allein ein Versprechen für die Zukunft beinhalten - ein Versprechen das meistens weit in der Zukunft liegt. Deshalb sind Finanzprodukte Vertrauensgüter. An die Regulierung und den Vertrieb von Vertrauensgütern können aber nicht die gleichen Maßstäbe anlegt werden, wie sie für Erfahrungsgüter angemessen wären.

So passiert es, dass auch Verbraucher, die sonst gut informiert sind, an dieser Stelle falsche Entscheidungen treffen oder schlechten Empfehlungen ihrer Berater folgen.

Es ist nicht von Verbrauchern zu verlangen, dass sie sich in Vollzeit der Jagd nach Informationen widmen, und es kann nicht erwartet werden, dass sie sich in jedem Lebensbereich zum Co-Experten entwickeln. Es ist vielmehr legitim, in bestimmten Fragen Spezialisten aufzusuchen, die eine entsprechende Empfehlung bieten.

Interessenkonflikt bei der Provisionsberatung

Im Finanzmarkt haben Verbraucher dabei jedoch leider das Problem, dass sie auf die Beratung, die ihnen der Markt bietet, nicht wirklich vertrauen können. Geht für Verbraucher an dieser Stelle etwas schief, so müssen sie sich oft allen Ernstes noch den Vorwurf gefallen lassen, wie es nur passieren konnte, dass sie einer schlechten Beratungsempfehlung gefolgt sind. Diese Argumentation hat einen erheblichen logischen Bruch. Denn es ist doch perfide, Beratung anzubieten und anschließend den Kunden für dumm zu erklären, der dieser Beratung gefolgt ist.

Die Argumentation zeigt den Hauptkonflikt, der sich in der Beratung zu Finanzprodukten zeigt: Verbraucher erhalten keine Finanzberatung, bei der sie sich darauf verlassen könnten, dass diese wirklich ausschließlich in ihrem Interesse erfolgt und an ihrem Bedarf orientiert ist. Die Beratung erfolgt vermeintlich kostenlos, wird aber indirekt über Provisionen oder Margen vergütet, die zwangsläufig im Produkt eingepreist sind. Daraus erwächst ein Interessenkonflikt, den Verbraucher möglicherweise erkennen, dessen Konsequenzen sie aber kaum abschätzen können. Schließlich suchen sie ja gerade deshalb Beratung, weil sie sich in Finanzfragen unsicher fühlen. Auch Berater sehen diesen Interessenkonflikt.

2013 hat der vzbv im Rahmen der Initiative Finanzmarktwächter die Konsequenzen überprüft. Dabei wurden knapp 300 Fälle aus vorvertraglichen Beratungen in den Verbraucherzentralen dahingehend bewertet, wie bedarfsgerecht sie die Verbraucherdepots hinsichtlich Flexibilität, Rentierlichkeit, Risiko und Kosten darstellten. Das Ergebnis war ernüchternd: 50 Prozent der Kunden waren nicht bedarfsgerecht aufgestellt. Häufig scheiterte die Bedarfsgerechtigkeit an den zu hohen Kosten oder einem nicht adäquaten Risiko.

Innerhalb dieser Stichprobe wurden rund 80 Fälle untersucht, in denen Kunden aktuelle Angebote von Banken mitgebracht hatten und den Rat eines Experten suchten. Hier waren sogar 90 Prozent der Angebote nicht bedarfsgerecht.

Gesetzgebung hat das Problem nicht gelöst

Dem Gesetzgeber kann nicht vorgeworfen werden, an dieser Stelle untätig geblieben zu sein.

- Es wurden Beratungsprotokolle eingeführt, die allerdings keine Idee des Verbraucherschutzes waren. Verbraucherschützer stehen diesem Instrument zumindest in der Form, wie es gesetzlich verankert wurde, kritisch gegenüber.

- Daneben wurden Produktinformationsblätter, sogenannte Vermögensinformationsblätter und das Anlageberaterregister bei der BaFin eingeführt.

- Zum 1. August dieses Jahres ist das Honorarberatergesetz in Kraft getreten.

- Der freie Finanzvertrieb wurde stärker reguliert - eine überfällige Maßnahme. Unglücklich an dieser Regulierung ist, dass der freie Finanzvertrieb nicht unter der Aufsicht der BaFin steht, sondern bei den Gewerbeämtern und Industrie- und Handelskammern verankert ist.

- Absehbar, aber noch nicht abgeschlossen ist die Reform der europäischen Finanzmarktrichtlinie MiFID II und der Versicherungsvermittlerrichtlinie IMD II.

Es ist viel getan worden. Aber leider werden mit diesen Maßnehmen die Ursachen der Probleme nicht oder nur unzureichend gelöst.

Provisionsberatung verbieten

Die wirkliche Lösung liegt zumindest mittelfristig darin, die Beratung auf Provisionsbasis gesetzlich zu verbieten. Die Niederlande und Großbritannien sind diesen Schritt bereits gegangen. Die Umstellung auf ein Provisionsverbot in den Niederlanden war bemerkenswerterweise keine Initiative des Verbraucherschutzes. Sondern die Initiative ging von der Versicherungswirtschaft aus, basierend auf der Erkenntnis, dass alle Bemühungen gescheitert sind, die Bedarfsgerechtigkeit der Anlageempfehlung über verbesserte Transparenzanforderungen zu erreichen.

Sicher gelingt eine solche Umstellung nicht von heute auf morgen. Erforderlich sind Übergangsfristen. Diese Übergangszeit muss zumindest dafür genutzt werden, Provisionen tatsächlich offenzulegen. Dafür ist eine separate Abrechnung von Provisionen erforderlich.

Restschuldversicherung: Probleme bei Vertragsbedingungen und Vertrieb

Bei der Restschuldversicherung haben der vzbv und die Verbraucherzentralen 2007 eine umfängliche Untersuchung durch geführt, deren Ergebnisse sich nach den Erfahrungen der Verbraucherzentralen leider bis heute bestätigen. Das Problem besteht darin, dass Verbraucherkredite zu einem erheblichen Anteil in Verbindung mit Restschuldversicherungen verkauft werden. Diese Versicherung birgt Probleme:

- Eine Restschuldversicherung soll Tod, Arbeitslosigkeit und Krankheit absichern und damit in Krisensituationen die Bedienung des Kredits sicherstellen. Die Absicherung im Todesfall funktioniert. Bei den beiden anderen Risiken sind die Vertragsbedingungen jedoch häufig so eng gestaltet, dass daraus kein wirklicher Schutz resultiert.

- Überdies ist zu beobachten, dass Restschuldversicherungen auch dann verkauft werden, wenn der Todesfallschutz über eine andere Versicherung bereits vorliegt.

- In aller Regel werden Restschuldversicherungen kreditfinanziert, sodass die Höhe des Kredits durch die Police nochmal steigt.

- Daneben haben es die Policen hinsichtlich der Kosten in sich.

Die Vertriebspraxis zeigt: Die Versicherungen werden faktisch mitverkauft. Die Untersuchung von 2007 zeigte: Restschuldversicherungen wurden in fast 100 Prozent der untersuchten Fälle mit angeboten, davon in über 50 Prozent nicht optional, sondern zwingend. In keinem Fall wurde die Restschuldversicherung in den effektiven Jahreszins eingerechnet. Die Effektivzinsangabe, die die Kosten der Restschuldversicherung berücksichtigt wäre aber für den Verbraucher relevant, um beurteilen zu können, wie sich das Produkt kostenmäßig auf den Kredit auswirkt.

Kunden werden nicht oder nur unzureichend darüber beraten, wann die Police welche Absicherung bringt oder wann eben nicht. Überwiegend wird nur ein einziges Angebot gemacht, anstatt mehrerer Produkte, die sich hinsichtlich der Kostenstruktur oder der Vertragsbedingungen unterscheiden.

Nicht zuletzt: Selbst wenn Verbraucher den Kredit in Verbindung mit der Restkreditversicherung abschließen, hat dies keine Auswirkungen auf die Kreditkonditionen. Das ist nicht nachvollziehbar. Schließlich wird das vermeintliche Risiko zugunsten des Kreditgebers abgesichert.

Was ist also zu tun? An dieser Stelle ist der Gesetzgeber gefordert, dafür zu sorgen, dass Konsumentenkredite regelmäßig auch ohne Restschuldversicherung angeboten werden. Auch ist gesetzlich klarzustellen, dass zu Restschuldversicherungen ausführlich zu beraten ist. In einer solchen Beratung muss geprüft werden, ob der Kunde das entsprechende Risiko bereits abgesichert hat oder ob es zu einer Doppelabsicherung kommt. Die Versicherungsbedingungen müssen erläutert und daraufhin geprüft werden, ob diese zum Versicherungsnehmer passen und Sinn machen. Schließlich sollte die Restschuldversicherung zwingend in den effektiven Jahreszins eingerechnet werden müssen.

Verbraucherkredite: Rechtsklarheit hinsichtlich Bearbeitungsentgelte

Bei den Bearbeitungsentgelten beim Verbraucherkredit besteht schon seit Jahren Rechtsklarheit darüber, dass solche Entgelte nicht zulässig sind. Acht Oberlandesgerichte kamen zu diesem Ergebnis und seit Mai 2014 hat auch der BGH klar zum Ausdruck gebracht: Es dürfen keine gesonderten Entgelte erhoben werden. Alle Kosten, die mit dem Kredit verbunden sind, müssen in den effektiven Jahreszins eingerechnet werden. Das ist sinnvoll und notwendig im Sinne der Transparenz. Denn nur so erhält der Verbraucher einen echten Vergleichsparameter. Deshalb ist die BGH-Entscheidung nicht nur richtig, sondern auch ausgesprochen wichtig.

Verbraucher können nun zu Unrecht erhobene Bearbeitungsentgelte zurückfordern. Momentan erstatten viele Banken jedoch nicht zurück. Sie beziehen sich dabei auf die bislang unklare Frage der Verjährung. Doch selbst dann, wenn die Verjährung unstrittig ist, wird in vielen Fällen nicht rückerstattet. So ermüdend es ist: Aber an dieser Stelle kann nur noch einmal an die Branche appelliert werden, sich an die Rechtsprechung zu halten. Perspektivisch wird die BaFin in solchen Fällen eingreifen müssen, weil im Kleinanlegerschutzgesetz der kollektive Verbraucherschutz als zusätzliches und gleichberechtigtes Aufsichtsziel enthalten sein wird.

Vorfälligkeitsentschädigungen: Berechnung standardisieren

Ein weiteres und ärgerliches Thema ist die Vorfälligkeitsentschädigung. Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung ist seit 2007/2008 von damals durchschnittlich vier auf mittlerweile knapp elf Prozent gestiegen. Dies ist zwar überwiegend auf das Marktzinsniveau zurückzuführen, gleichzeitig zeigt diese Entwicklung aber, dass betroffene Verbraucher unter einer enormen finanziellen Last stehen. Zumal die Vorfälligkeitsentschädigung überwiegend in solchen Fällen ins Spiel kommt, in denen die Immobilie in einer Zwangslage wie Scheidung, Krankheit oder Tod des Partners verkauft werden muss.

Im Rahmen der Initiative Finanzmarktwächter wurden knapp 3 500 Fälle analysiert. Die von Banken geforderten Beträge wurden dem gegenübergestellt, was nach der Berechnung der Verbraucherzentralen adäquat gewesen wäre. Die Berechnungsmethode der Verbraucherzentralen unterscheidet sich gegenüber der Methode der Banken darin, dass ersparte Risikokosten und Vertragsoptionen wie Sondertilgungs- oder Zinsanpassungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. In 55 Prozent der Fälle wurden dabei Vorfälligkeitsentschädigungen gefordert, die um 5 Prozent höher lagen als nach unseren Berechnungen, in 41 Prozent der Fälle waren es 10 Prozent mehr, in 26 Prozent der Fälle mehr als 20 Prozent und in 10 Prozent sogar mehr als 50 Prozent überhöht. Die Gründe für die Abweichungen liegen vor allem darin, dass Sondertilgungsmöglichkeiten und ersparte Risikokosten nicht berücksichtigt wurden. Daneben besteht das Problem einer nicht taggenauen Berechnung zulasten des Kunden.

Im Rahmen der Umsetzung der Immobilienkreditrichtlinie ist deshalb der Gesetzgeber zu adressieren. Um Fehlern, Intransparenz und einer Missachtung der Rechtsprechung entgegenzuwirken, empfiehlt sich eine gesetzliche standardisierte Berechnungsvorgabe.

Zu guter Letzt muss sich die Regierung auch um eine Lösung von Extremlagen in ohnehin schon problematischen Situationen kümmern. Hierzu gilt es eine grundsätzliche Deckelung der Höhe von Vorfälligkeitsentschädigungen zu definieren. Ein Deckel könnte bei etwa fünf Prozent des Restkredites angesiedelt werden. So können Extremlagen abgefedert werden. Die Kosten, die dabei entstehen, würden sich im Kreditpreis niederschlagen, sodass die Deckelung durch das Kollektiv der Kreditnehmer getragen würde.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag der Autorin auf dem Privatkundenforum 2014.

Zur Autorin

Dorothea Mohn, Teamleiterin Finanzen, Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., Berlin.

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