Verbraucherschutz

Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen - ein notwendiges Übel?

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Verbraucherschutz im Bereich Finanzdienstleistungen ist in mancher Hinsicht unzulänglich, konstatiert Ulf Baxmann. Das gilt beispielsweise für Beipackzettel oder Beratungsprotokolle, deren Kosten auf den Kunden umgelegt werden, sodass der Verbraucher zum Opfer seines eigenen Schutzes wird; oder auch für die Honorarberatung, bei der die Wahl der Bemessungsgrundlage neue Probleme schaffen kann. Der beste Verbraucherschutz, so der Autor, wäre eine bessere Finanzbildung, die die Verbraucher zu eigenverantwortlichen Entscheidungen befähigt. Weil das jedoch nur ein langfristiger Prozess sein kann, ist der Verbraucherschutz einstweilen ein notwendiges Übel, auf das nicht verzichtet werden kann. Red.

Gerichtsurteile, mit denen bestimmte von Banken erhobene Bearbeitungsentgelte (zum Beispiel für Depotüberträge und Depotauflösungen, mittlerweile auch für Verbraucherkredite1) ) als unzulässig erklärt wurden, Bestrebungen einiger Bausparkassen hochverzinsliche Bausparverträge schnellstmöglich zu beenden, einhergehend mit angeblichen Überlegungen der Bankenaufsicht, die Kündigungsmöglichkeiten der Bausparkassen zu erleichtern,2) sowie nicht zuletzt das überregional zur Kenntnis genommene Verhalten der Sparkasse Ulm, Kunden zum Auflösen ihrer hochverzinslichen Scala-Sparverträge zu drängen,3) haben die Diskussion um den Verbraucherschutz im Finanzdienstleistungssektor zunehmend befeuert.

Dabei wurde in den letzten Jahren zwar eine Vielzahl verbraucherschutzpolitischer Maßnahmen ergriffen, die primär auf Verbesserungen der Verbraucherinformation durch erweiterte Aufklärungspflichten abzielten. Speziell die anhaltende Niedrigzinsphase scheint aber die verbreitet ohnehin als unzureichend erachtete Ertragslage vieler Finanzdienstleister so stark auszuhöhlen, dass diese mehr oder weniger notgedrungen Kundeninteressen hintanstellen und damit erhebliche Imagerisiken eingehen. Das Hemd kurzfristiger Ertragsanforderungen scheint hier mal wieder näher zu sein als der Rock der langfristigen Kundenbindung beziehungsweise -zufriedenheit.

Festzustellen ist demzufolge, dass der Verbraucherschutz im Finanzsektor zunehmend im Fokus der Medien steht und auf einschlägigen Fachveranstaltungen erörtert wird. Selbst die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die sich zur Sicherung des Einleger- und des Systemschutzes traditionell eher der institutionellen Solvenzaufsicht verpflichtet fühlt, widmet sich zunehmend dem Verbraucherschutz und veranstaltet eigene Verbraucherschutzforen (zuletzt am 9. Dezember 2014), wo neben den eingetretenen beziehungsweise zu erwartenden Auswirkungen beschlossener ebenso wie noch anstehender Regulierungsnovellen auch grundsätzliche Problemfelder wie die Vorzüge der provisionsbasierten- beziehungsweise Honorar-Beratung diskutiert werden.

Verbraucherschutz als Konsequenz ungleicher Marktmachtverhältnisse

Prinzipiell ist die Notwendigkeit des Verbraucherschutzes4) im allgemeinen Zielkonflikt zwischen Verkäufer- und Kundeninteressen begründet, auch und insbesondere vor dem Hintergrund asymmetrischer Informationen zugunsten des Verkäufers (Produzent oder Vermittler), der die Eigenschaften seines Produktes beziehungsweise seiner Leistung besser einzuschätzen vermag als der damit weniger vertraute und weniger spezifisch ausgebildete Kunde. Damit einher geht die allgegenwärtige Gefahr von "moral hazard", im weiteren Sinne verstanden als die im menschlichen Egoismus begründete Gefahr, dass sich jemand zulasten eines Dritten bereichert beziehungsweise einen Vorteil verschafft.

Speziell im Finanzdienstleistungssektor kommt hinzu, dass die Leistungen schon wegen ihres immateriellen Charakters im wahrsten Sinne des Wortes nicht zu begreifen sind, also abstrakt bleiben und in Abhängigkeit von der Komplexität der ihnen zugrunde liegenden vertraglichen Regelungen (sowie dem Kenntnisstand beziehungsweise der Auffassungsgabe und dem Beurteilungsvermögen eines Kunden) zuweilen nicht im Detail verstanden werden.

Andererseits ist festzustellen, dass insbesondere der Kreditwirtschaft eine zentrale Stellung im Rahmen der Gesamtwirtschaft zukommt, da fast jedes Wirtschaftssubjekt5) über eine Bankverbindung verfügt, somit auch zahl reiche (Mengen-)Kunden, die über eine vergleichsweise geringe Verhandlungsmacht verfügen und deren ökonomischer Sachverstand oft nicht besonders ausgeprägt ist.

Infolgedessen besteht hier ein offenbar auch vom Gesetzgeber (an)erkanntes besonderes Schutzbedürfnis des Kunden, das sich bereits seit Längerem unter anderem in der Schaffung eines branchenspezifischen Kreditwesengesetzes (gemäß § 6 KWG mit dem Ziel des Einleger- sowie des Systemschutzes) sowie in der Einrichtung einer speziellen Aufsichtsbehörde für Finanzdienstleistungen, der BaFin, dokumentiert.

Wie die einleitend exemplarisch aufgezeigten Beispiele signalisieren, führen seit Jahren zunehmende Wettbewerbsverschärfungen und gegenwärtig zudem die zur Bewältigung der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise betriebene Niedrigzinspolitik zu einem massiven Ertragsdruck im Finanzdienstleistungssektor, der verschiedene Anbieter verleitet, eigene (kurzfristige) Ertragsziele beziehungsweise -erfordernisse über das Wohl ihrer Kunden zu stellen.6) Mitunter wenig bedarfsgerechte Kundenberatungen, ungerechtfertigte Leistungsentgelte und selbst im Gefolge höchstrichterlich ergangener Gerichtsurteile nur zögerliche Umsetzungen verordneter Korrekturmaßnahmen sind Indizien eines offenbar bestehenden Markt- beziehungsweise Machtungleichgewichts. Ziel des Verbraucherschutzes ist es, derartige zulasten der Kunden bestehende Ungleichgewichte wirksam zu bekämpfen beziehungsweise dafür zu sorgen, dass die Verbraucherinteressen gegenüber der Anbieterseite angemessen durchgesetzt werden können. Insofern können Verbraucherschutzmaßnahmen als Konsequenz ungleicher Marktmachtverhältnisse, um nicht zu sagen eines Marktversagens, interpretiert und insofern als "Übel" angesehen werden - dann allerdings als ein notwendiges Übel, solange ein solches Ungleichgewicht besteht.

Gesetzlicher Rahmen für den Verbraucherschutz

Anstelle eines in sich geschlossenen allumfassenden Verbraucherschutzgesetzes finden sich - historisch gewachsen - diverse verbraucherschützende Bestimmungen zerstreut in verschiedenen Normen des Privat-, Straf- und des Verwaltungsrechts.

Speziell für Kreditinstitute ist dazu primär das Kreditwesengesetz zu nennen, das schon im § 6 KWG unter anderem die Gewährleistung des Einlegerschutzes als Grundaufgabe der Bankenaufsicht proklamiert und dazu im Weiteren, begleitet von Bestimmungen der MaRisk sowie der MaComp, diverse Risikobegrenzungsmaßnahmen vorsieht.

Hinzu kommt nicht zuletzt als Folge der Finanzmarktkrise eine Reihe von Spezialgesetzen, die hier nicht vollumfänglich dargestellt oder gar gewürdigt werden können. Exemplarisch genannt sei dazu aber zunächst das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz (AnsFuG) von 2011 mit zwei wesentlichen Änderungen sogenannten Wohlverhaltenspflichten, die im Wertpapierhandelsgesetz umgesetzt wurden: § 33 Abs. 1 WpHG definiert Vertriebsvorgaben als "Grundsätze und Ziele, die den Umsatz, das Volumen oder den Ertrag der im Rahmen der Anlageberatung empfohlenen Geschäfte unmittelbar oder mittelbar betreffen", und verlangt von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, solche Vorgaben derart auszugestalten, umzusetzen und zu überwachen, "dass Kundeninteressen nicht beeinträchtigt werden".

Die zweite Fassung der "Markets in Financial Instruments Directive" ( MiFID II), die Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Vertrieb generell die Aufklärung über eine breite oder limitierte Produktpalette abverlangt und im Falle einer als "unabhängig" deklarierten Anlageberatung die Annahme monetärer beziehungsweise größerer nichtmonetärer Zuwendungen durch Dritte untersagt (Art. 24, Abs. 7b).

Ferner wird den Unternehmen unter anderem auferlegt, beim Vertrieb von Finanzinstrumenten einen Zielmarkt an dafür geeigneten Endkunden nebst einer dazu kohärenten Vertriebsstrategie festzulegen (Art. 24, Abs. 2).7) Ferner hat die Bundesregierung im Mai 2014 einen Aktionsplan zum Verbraucherschutz im Finanzmarkt mit einem Maßnahmenpaket zur Verbesserung des Schutzes von Kleinanlegern vorgestellt8) , aus dem insbesondere das zurzeit als Gesetzesentwurf noch im Verabschiedungsprozess befindliche Kleinanlegerschutzgesetz 9) hervorgegangen ist, das in Teilen schon 2016, ansonsten bis 2017 in Kraft treten soll. Ziel des Kleinanlegerschutzgesetzes ist es, insbesondere durch neue Informationspflichten (Vermögensanlageinformationsblatt; Erweiterung der Prospektpflicht auf bestimmte Vermögensanlagen), Vertriebsauflagen, Werbebeschränkungen für Kapitalanlagen und Restriktionen für Anlagen bei Internetplattformen et cetera das Risiko von Vermögensverlusten für Anlagen von Kleinanlegern zu vermindern.

Zudem sieht der Gesetzesentwurf vor, im § 4 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes (FinDAG) einen § 1a einzufügen, der die BaFin "innerhalb ihres gesetzlichen Auftrags auch dem Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen verpflichtet" und sie ermächtigt, den beaufsichtigten Institutionen gegenüber alle Anordnungen zu treffen, "die geeignet und erforderlich sind, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint." Damit wird der kollektive Verbraucherschutz explizit zum Ziel der BaFin erhoben.

Kollektiver Verbraucherschutz als Aufgabe der BaFin

Der finanzielle Verbraucherschutz liegt mithin auf der ministeriellen Ebene sowohl in Händen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) als auch des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), unter dessen Rechts- und Fachaufsicht die BaFin agiert.

Dabei hat das Kleinanlegerschutzgesetz nicht nur generell den kollektiven Verbraucherschutz zum Aufsichtsziel der BaFin erhoben, sondern hat den Handlungsspielraum der Bankenaufsicht auch im Detail erweitert, zum Beispiel indem es der BaFin bei erheblichen Bedenken gestattet, gegebenenfalls den Vertrieb bestimmter Finanzprodukte zu beschränken oder gar zu verbieten. Konkret richtet sich der Fokus der BaFin daher beispielsweise auf die Transparenz der Produktinformationen und die Frage, welche Produkte künftig über welche Kanäle an wen vertrieben werden dürfen. Im Übrigen wurde im Sommer 2013 auch ein Verbraucherbeirat bei der BaFin installiert, der die Aufsicht in Fragen des Verbraucherschutzes berät.

Verbraucherzentralen als Finanzmarktwächter

Darüber hinaus obliegt die Vertretung verbraucherpolitischer Interessen grundsätzlich dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sowie den darin zusammengeschlossenen 16 Verbraucherzentralen der Länder nebst 25 weiteren Verbraucherschutzorganisationen. Mit dem im Mai 2014 verkündeten Aktionsplan der Bundesregierung wurde die Stellung der Verbraucherorganisationen speziell im Hinblick auf Finanzdienstleistungen gestärkt, indem ihnen eine spezielle Marktwächterfunktion zugeschrieben wurde. Demzufolge werden nach Klärung letzter Details voraussichtlich ab April 2015 unter der Projektleitung des vzbv fünf ausgewählte, jeweils auf spezielle Marktsegmente fokussierte Verbraucherzentralen als Finanzmarktwächter10) fungieren, um im Sinne eines Früherkennungssystems Anleger vor dubiosen Anbietern zu warnen beziehungsweise andere, mit Entscheidungshoheit ausgestattete Behörden, so die BaFin, über eventuelle Missstände im Finanzwesen zu unterrichten.

Darüber hinaus kann auch der mit der Erhebung und Verwaltung der Bankenabgabe beziehungsweise des Restrukturierungsfonds betrauten Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA), die seit Januar 2015 als nationale Abwicklungsbehörde fungiert und im Notfall eine Abwicklung von Banken ohne Belastung der Steuerzahler gewährleisten soll, eine gewisse (nachgeordnete) verbraucherschutzpolitische Bedeutung beigemessen werden.

Verbraucherschutzmaßnahmen mit zweischneidiger Wirkung

Die in den letzten Jahren mit zunehmender Intensität ergriffenen Verbraucherschutzmaßnahmen lassen sich weitgehend den durchaus miteinander verbundenen Kategorien Informationspflichten/Transparenzsteigerung und Prozessgestaltung auf der Anbieterseite zuordnen.

Konkret zählen dazu Produktinformationsblätter (PIB),11) die den Kunden wesentliche Eigenschaften eines Finanzproduktes aufzeigen und damit einhergehende Chancen und Risiken "übersichtlicher und leicht verständlich" verdeutlichen sollen, dabei aber - analog zu den Beipackzetteln der Pharmaindustrie - Gefahr laufen, gar nicht gelesen oder aber mangels finanzwirtschaftlicher Kenntnisse vieler Kunden zumindest nicht verstanden zu werden, sodass dem betriebenen Aufwand gegebenenfalls kein adäquater Nutzen gegenübersteht. Verbraucherschützer beklagen zudem eine oft zu positive Darstellung und Vermischung mit verkaufsfördernden Argumenten.

Auch Beratungsprotokolle sollen der Transparenz und zur Prozessdokumentation dienen, können aber das Kundenverhältnis durch umfangreiche Abfragen belasten, verursachen bei den Banken wiederum einen hohen Bearbeitungsaufwand beziehungsweise Kostenblock (der letztendlich wieder auf die Kunden umgelegt wird) und können, wenn sie vom Kunden nicht sorgsam zur Kenntnis genommen werden, von den Banken auch zum Zwecke der Absicherung beziehungsweise Freizeichnung genutzt werden.12)

Ferner wird zur Gewährleistung eines verbrauchergerechteren Beratungs- beziehungsweise Verkaufsprozesses bei der BaFin seit dem 1. November 2012 gemäß § 34d WpHG ein Beschwerde- und Mitarbeiterregister geführt, um anhand der über eine Melde- und Veröffentlichungsplattform (MVP-Portal) eingehenden Meldungen die Anlageberater auf ihre Sachkunde und Zuverlässigkeit hin zu überprüfen.

Die Zweischneidigkeit einzelner Verbraucherschutzmaßnahmen ergibt sich schon daraus, dass diese mitunter zwar gut gemeint sind, faktisch jedoch zulasten von Verbraucherinteressen wirken können. Allgemein betrachtet ist dies angesichts zu erwartender Reaktionen der Anbieter bereits der Fall, wenn diese die Kosten für anfallende Verbraucherschutzmaßnahmen (etwa für zusätzliche Aufklärungsleistungen, für Dokumentationspflichten) auf die Kunden abwälzen oder - um entsprechende Auflagen zu umgehen - dem Kunden nur noch ein begrenztes Spektrum weniger aufwendiger Nullachtfünfzehn-Produkte offerieren. Infolgedessen könnten Kunden letztendlich zum Opfer ihres eigenen Schutzes werden.

Problematische Beschränkung von Vertriebsvorgaben

Als problematisch kann sich sogar die Beschränkung von Vertriebsvorgaben (§ 33 Abs. 1 WpHG) erweisen, da sich diese nicht nur auf annahmegemäß verbraucherfeindliche Ertrags- oder Umsatz-/Volumenziele beziehen, sondern dem weit gefassten Wortlaut des Gesetzes nach schon vorliegen können, wenn das Spektrum an angebotenen Leistungen durch eine "Hausmeinung" oder Fokussierung auf bestimmte (Verbund-)Produkte eingeschränkt wird.

Die Intention, dabei zwischen einem unschädlichen, ja sogar verbraucherfreundlichen Einsatz (weil der Berater in diesen Hausprodukten besser geschult ist und besser zu beraten vermag) und einer verbraucherfeindlichen (ertragsgetrieben auf für ihn oder die Bank besonders lukrative Produkte ausgerichteten) Einschränkung der Angebotspalette zu unterscheiden,13) erscheint dabei wenig justiziabel.

Honorarberatung: schwierige Bemessungsgrundlage

Die angesichts erkannter Defizite einer provisionsbasierten Anlageberatung von Verbraucherschützern mitunter als Alternative geforderte14) , von deutschen Anlegern aber erfahrungsgemäß wenig geschätzte Honorarberatung (nun geregelt im 2014 in Kraft getretenen Honoraranlageberatungsgesetz15) , weist zwar theoretisch einige Vorzüge auf, kann aber ebenso Probleme erzeugen, so nicht zuletzt im Hinblick auf die bei der Honorarbemessung gewählte Bemessungsgrundlage:

Würde etwa die Beratungszeit als Maßstab zugrunde gelegt, könnte für Finanzdienstleister ein (Fehl-)Anreiz darin bestehen, Kunden zu extensiv zu beraten, beziehungsweise andererseits bei Kunden der Wunsch aufkommen, möglichst schnell beraten zu werden (mit der Gefahr gegebenenfalls unzureichender Inhalte). Würde hingegen der finanzielle Erfolg, also eine Art von Beteiligung am Anlageergebnis, zugrunde gelegt, stellt sich die Frage der Erfolgsdefinition - einfacher Gewinn oder Überperformance in Relation zu einer (wenn ja, dann welcher?) Benchmark - gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung des dabei eingegangenen Risikos.

Auswirkungen schwierig zu erfassen

Wie die hier nur exemplarisch angerissenen Verbraucherschutzmaßnahmen zei gen, ist es in aller Regel überaus schwierig, die damit gegebenenfalls einhergehenden positiven und negativen Auswirkungen vollumfänglich und hinsichtlich ihrer - von menschlichen Reaktionsweisen abhängigen - praktischen Bedeutung zu erfassen. Und selbst, wenn die Wirkungsweise eindeutig feststünde, blieben Fragen der Nutzenbemessung, der Höhe der dazu anfallenden Kosten sowie der Kostenverteilung zu prüfen.

Eigenverantwortung des Verbrauchers: ein langfristiger Prozess

Was überdies auffällt, ist, dass sich die skizzierten Verbraucherschutzmaßnahmen in der Regel auf die Anbieter von Finanzdienstleistungen beziehen, die insbesondere mit diversen Informations- und Transparenzgeboten für die Aufklärung ihrer Kunden sorgen sollen, dabei aber zuweilen auf Grenzen stoßen, die eher im ökonomischen Unwissen vieler Kunden begründet liegen. Demzufolge mehren sich neuerdings Stimmen, die dem Verbraucher mehr Eigenverantwortung übertragen wollen und für eine bessere ökonomische Grundausbildung plädieren.16)

Auch dazu sind indes konträre Einschätzungen abzuwägen.

- So erscheint einerseits der grundsätzliche Appell an Kunden verständlich, nur Produkte zu erwerben, die sie selbst vollumfänglich verstehen. Schon eine Anlage in Anleihen oder Aktien, erst recht aber in Derivate und komplexere strukturierte Produkte setzt eben Kenntnisse über diese voraus, die im Endeffekt aber nur der Kunde selbst wahrheitsgemäß und selbstkritisch zu beurteilen vermag. Darüber hinaus sollte dem Kunden ein Grundverständnis zum Zusammenhang von Rendite und Risiko insofern zugemutet werden, als er erkennen können müsste, dass auch im Finanzmarkt keine Geschenke verteilt werden und höhere Zinsen zwangsläufig mit einem höheren, wie auch immer gearteten Risiko einhergehen. Dass dazu bereits in der Schulbildung ein Fundament gelegt werden sollte, ist zunehmend herrschende Meinung.

- Andererseits ist aber auch einzuräumen, dass eine Verbesserung des ökonomischen Wissens als (bildungs-)politische Aufgabe eher in langfristiger Perspektive zu verfolgen ist, die aber wenig hilft, aktuelle Probleme zu beheben. Dass diverse Bankpraktiker mit dem Appell an die Eigenverantwortung des Kunden diese Bildung gern einfordern, ist insofern überraschend, als gerade sie oft klagen, dass ihnen schon heute vor allem aufgrund des Internets zunehmend informiertere Kunden mit entsprechend erhöhter Verhandlungsmacht gegenüberstehen. Eine Erklärung für diesen mit der eingeforderten Bildungsoffensive scheinbar bestehenden Widerspruch mag indes - abgesehen von der damit bewirkten Verlagerung der Verantwortung auf andere - gerade in der zu erwartenden Langfristigkeit des Prozesses gesehen werden, die manchem Banker Gelassenheit in dieser Hinsicht verleiht.

Fazit: viele Fallstricke

Summa summarum zeigt sich, dass nahezu alle verbraucherschutzpolitischen Maßnahmen zumindest gut gemeint sind, zumeist auch zielführend sind, andererseits aber oft genug Fallstricke aufweisen. So gehen zum Beispiel noch so intensive Aufklärungskampagnen und durch mehr Informationen angestrebte Transparenzverbesserungen regelmäßig ins Leere, wenn der Verbraucher diese ignoriert oder mangels hinreichender Finanzkenntnisse einfach nicht versteht.

Verständlich sind von daher Forderungen nach mehr Eigenverantwortung seitens der Verbraucher, basierend auf einer umfangreicheren ökonomischen Grundausbildung der Bevölkerung, die aber schon generell allenfalls langfristig und in Deutschland angesichts des föderalistischen Bildungssystems vermutlich kaum einheitlich zu realisieren ist. Ungeachtet punktueller Ansätze und Planungen einzelner Bundesländer, ein obligatorisches Schulfach "Wirtschaft" einzurichten, wird Deutschland eher als "Flickenteppich ökonomischer Schulbildung"17) angesehen.

Das Vorhandensein hinreichender ökonomischer Kenntnisse und Kompetenzen beim Kunden wäre indes eine conditio sine qua non, um die Notwendigkeit gesonderter Verbraucherschutzinstitutionen zu hinterfragen. Umgekehrt mag auch kritisiert werden, dass jede Verbraucherschutzmaßnahme geneigt ist, Verbrauchern ihre Eigenverantwortung abzunehmen. Vielmehr müsste es im Grunde das Ziel von Verbraucherschützern sein, selbst überflüssig zu sein, nämlich dann, wenn Kunden mit ausreichenden Informationen und Kenntnissen auf Augenhöhe mit ethisch agierenden Finanzdienstleistern verhandeln könnten. Insofern mag Verbraucherschutz als ein Übel bezeichnet werden, nicht weil er schlecht ist, sondern weil er als Konsequenz eines Marktversagens angesehen werden kann - dann aber auch als ein notwendiges Übel, auf das nicht verzichtet werden kann, solange die konstatierten Unzulänglichkeiten bestehen.

Quellenverzeichnis

Buchenau, M./Atzler, E., Wenn's um Geld geht, in: Handelsblatt v. 13. November 2014, S. 36.

Eckhardt, P., MiFID II und die Verschärfungen beim Anlegerschutz, in: Die Bank, 54. Jg. (2014). Nr. 7, S. 14-16. Fleischer, K., Privatkredite: BGH-Urteile kommen die Branche teuer, in: bank und markt, 44. Jg. (2015), Nr. 1, S. 35-37.

Hergert, S., Pflicht statt Kür: In Baden-Württemberg wird Wirtschaft an allen Schulen zum obligatorischen Fach, in: Handelsblatt vom 2. Juli 2014, S. 11.

Jensen, M., Das lästige Protokoll, in: Handelsblatt v. 25. November 2014, S. 42-43.

Kaminski, H./Verstraete, C., Warum ökonomische Bildung noch keine Allgemeinbildung ist, in: bank und markt, 43. Jg. (2014), Nr. 6, S. 38-42.

Kemmer, M., Mehr Wirtschaftsunterricht ist ein Muss, in: bank und markt, 43. Jg. (2014), Nr. 6, S. 19-21.

Mohn, D., Verbraucher und Bankenvertrieb aus Sicht des Verbraucherschutzes, in: bank und markt, 43. Jg. (2014), Nr. 11, S. 18-20.

Raettig, L., Schutz und Eigenverantwortung müssen ins Gleichgewicht, in: Die Bank, 54. Jg. (2014). Nr. 8, S. 45-47.

Reichel, R./Rezmer, A., Die Kündigungswelle rollt, in: Handelsblatt vom 15. Dezember 2014, S. 42-43.

Rüsche, K., Finanzinstrumente: Vertriebsvorgaben für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, in: BaFin-Journal, o. Jg. (2014), November, S. 14-17.

Terliesner, S., Verbraucherschutz: Ein ganz schmaler Grat, in: Bankmagazin, 63. Jg. (2014). Nr. 9, S. 36-39.

Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbV), Die Stimme der Verbraucher, Jahresbericht 2013/14, Berlin 2014.

Fußnoten

1) Vgl. Fleischer (2015), S. 35 ff.

2) Vgl. Reichel/Rezmer (2015), S. 42 f.

3) Vgl. Buchenau/Atzler (2014); S. 36.

4) Verbraucher werden hier synonym als "Kunden" bezeichnet, zumal dies im Kontext finanzwirtschaftlicher Dienstleistungen sachgerechter erscheint.

5) Gemäß dem Jahresbericht der vzbv 2013/14 , S. 14, gibt es in Deutschland indes auch 670.000 Verbraucher ohne Girokonto.

6) Dass die Verfolgung kurzfristiger Ertragsziele schon aus betriebswirtschaftlicher Sicht unzweckmäßig ist, wenn dadurch bewirke Kundenverärgerungen Geschäftseinbußen nach sich ziehen, die die Realisierung langfristiger Gewinnpotenziale verhindern, sei hier nicht weiter diskutiert.

7) Zur zeitlichen Umsetzung und weiteren Inhalten der MiFID II vgl. unter anderem Eckhardt (2014), S. 14 ff.

8) Vgl. http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/ Standardartikel/Themen/Internationales_Finanzmarkt/Finanzmarktpolitik/2014-05-22-anlegerschutz.html.

9) Zum entsprechenden Gesetzesentwurf der Bundesregierung vgl. Bundestagsdrucksache 18/3994 v. 11.02.2015

10) Vgl. http://www.vzbv.de/meldung/der-finanzmarktwaechter-das-konzept

11) Bei Investmentfonds auch als "Key-Investor-Information-Document" (KIID oder KID) bezeichnet.

12) Vgl. Jensen (2014), S. 42 f.

13) Vgl. Rüsche (2014), S. 15 f.

14) Vgl. Mohn (2014), S. 19.

15) Vgl. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2013 Teil I Nr. 38 v. 18. Juni 2013, S. 2390-2394.

16) Vgl. unter anderem Kaminski/Verstraete (2014), S. 38 ff.; Kemmer (2014), S. 19 ff.; Raettig (2014), S. 45 ff.; Terliesner (2014), S. 36 ff.

17)Hergert (2014), S. 11.

Das Thema "Verbraucherschutz in der Kreditwirtschaft" ist Rahmenthema des nächsten Norddeutschen Bankentags am 1. Juli 2015 an der Leuphana Universität Lüneburg. Informationen dazu unter: http://www.norddeutscher-bankentag.de

Zum Autor

Prof. Dr. Ulf G. Baxmann, Leiter des Instituts für Bank-, Finanz- und Rechnungswesen, Leuphana Universität Lüneburg

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