Virtuelle Geldgeschäfte

Vermögensberatung: Hybride Ansätze im Kommen?

Jochen Ramakers, Mitglied des Vorstands, Sparda-Bank Hannover eG, Hannover

Robo Advice hat im Retailbanking wie auch im Geschäft mit Affluent-Kunden berächtliche Potenziale, meint Jochen Ramakers. Von einer Verdrängung der Beratung geht er gleichwohl nicht aus. Vielmehr dürfte der Trend zu hybriden Ansätzen gehen, die die algorithmengesteuerte Vermögensanlage mit dem menschlichen Faktor kombiniert, wobei bei höheren Investitionssummen die Interaktion mit dem Berater und ein aktives Portfoliomanagement nach wie vor eine größere Rolle spielen dürfte. Trotzdem ist Robo Advice längst mehr als nur ein Angebot für digitalaffine Nutzer. Red.

Als Robo Advice wird eine vergleichsweise junge Form der Administration von Vermögensanlagen und Finanzen bezeichnet, die auf einer weitestgehend digitalen und automatisierten Basis insbesondere Aufgaben wie die Eröffnung von Depots, die Definition von Anlagepräferenzen und Risikoprofilen, die Konfiguration der Finanzen und Gewichtung verschiedener Assetkategorien, aber ebenso die Abfrage von Marktdaten und Risikomanagementfunktionen übernimmt.

Wer auf digitalem Wege beziehungsweise über das Internet einen Robo Advisor (Anbieter von Robo Advice) in Anspruch nimmt, wird zunächst Angaben zu Parametern wie Alter, Risikoneigung, Anlageerfahrungen, Anlagevolumina und Anlagehorizont zu beantworten haben. Im Anschluss werden vom Robo Advisor anlagerelevante Informationen erteilt und in der Regel standardisierte Anlagestrategien unterbreitet, die wiederum häufig die passiv gehandelten und kostengünstigen Indexfonds (ETFs) beinhalten. 1) Auch ein "automatisches" Rebalancing von Depotbestandteilen, also Umschichtung zur Wiederherstellung ursprünglich festgelegter Gewichtungen und Bandbreiten von Assetkategorien, ist im Rahmen von Robo Advice realisierbar (Ausgleich von Schwankungen infolge divergierender Kursentwicklungen und damit Sicherung der vorgesehenen "Ziel-Asset-Allocation").

Der wesentliche Unterschied von Robo Advice zu etablierten beziehungsweise. "traditionellen" Formen der Vermögensverwaltung und Anlageberatung besteht darin, dass auf eine persönliche Interaktion zwischen Anbieter (Robo Advisor) und Kunde konsequent verzichtet wird.

Robo Advisors bedürfen als Plattformen einer automatisierten Anlageberatung (Finanzportfolioverwaltung und -strukturierung) oder des automatischen Tradings im Regelfall einer Erlaubnis nach § 32 KWG (Kreditwesengesetz). Laut Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) besteht teils ein gewisser Gestaltungsspielraum für Robo Advice, sodass eine pauschale Zuordnung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit im Finanzbereich schwierig sein kann. Eine aufsichtsrechtliche Beurteilung von Robo Advisors hängt somit auch davon ab, welche konkrete Gestaltung eine bestimmte Robo-Advice-Plattform aufweist und welcher vertragliche Modus mit den Robo-Advice-Nutzern getroffen wird. 2)

Potenziale durch hohe Skalierbarkeit

Potenziale schöpfen die Anbieter von Robo Advice vor allem aus ihrer hohen Skalierbarkeit, "da der entscheidende Faktor Manpower entfällt beziehungsweise mehr für die Entwicklung und Verbesserung der jeweiligen (digitalisierten) Programme benötigt wird als für den Ausbau und die Betreuung des Kundestammes". 3) Im Unterschied zu einer gleichsam "klassischen" Beratung durch Banken und Kreditinstitute können also Robo Advisors auf Basis einer wesentlich schlankeren Kostenstruktur und mit drastisch reduziertem Personalaufwand agieren.

Auch aus einer - selbstverständlich angestrebten - Zunahme des administrierten Vermögens resultieren für Robo Advisors kaum höhere Kostenbelastungen. Aber selbst bei niedrigvolumigen Anlagesummen privater Investoren können sie gegenüber dem herkömmlichen Bankprozedere Effizienzvorteile ausspielen, was nicht zuletzt in Form geringerer Kosten/ Gebühren für die Vermögensverwaltung ihren Kunden zugutekommt.

Und schließlich lassen sich durch den Einsatz einer professionellen IT im Rahmen von Robo Advice die im Finanzdienstleistungssektor immer forcierteren regulatorischen Anforderungen vergleichsweise effizient bewältigen.

Beeindruckende Wachstumszahlen

Vor einem solchen Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass Robo Advice bereits beeindruckende Wachstumszahlen aufweist und für diese digitalisierte und "automatisierte" Vorgehensweise weiterhin hohe Zuwachspotenziale prognostiziert werden.

- So legte beispielsweise weltweit das durch Robo Advisors administrierte Anlagevermögen (Assets under Management, AUM) von rund 13 Milliarden US-Dollar im Jahre 2014 auf mittlerweile etwa 100 bis 150 Milliarden US-Dollar zu.

- Bis 2020 könnten die globalen Assets under Management von Robo Advisors bis in den Bereich von 400 bis 500 Milliarden US-Dollar vorstoßen. 4)

Für breitere Alters- und Vermögensschichten attraktiv

Ein beträchtlicher Teil dieser Robo-Advice-Anlagevolumina wird, wie bereits gegenwärtig, voraussichtlich wieder auf die USA entfallen, doch dürfte auch die Bedeutung von Robo Advice in Deutschland wesentlich steigen. Prognosen gehen von einem deutschen Anteil von 4 bis 5 Prozent an den weltweiten Robo-Advice-AUM im Jahre 2020 aus, während derzeit hierzulande etwa 20 relativ junge Robo Advisors beziehungsweise Fintechs mit einer ausgeprägten Aufstellung von Robo Advice in ihrem Angebotsportfolio auf AUM von "nur" rund 100 Millionen Euro kommen.

Nicht nur die Zahl von Robo-Advice-Nutzern dürfte zukünftig deutlich wachsen, sondern auch die Struktur der Nutzer wird sich nach Meinung von Experten ändern. Waren es vor wenigen Jahren vor allem junge und technik-/digitalaffine Nutzer, so deckt in jüngerer Zeit Robo Advice breitere Alters- und Vermögensschichten ab. Mithin zeigt sich nach Rückmeldungen aus der Beratungspraxis eine besondere Affinität für Robo Advice bei Kunden, die Anlagesummen zwischen 100 000 und 250 000 Euro einbringen.

Bewährungsprobe steht noch aus

Bei allen Pluspunkten von Robo Advice gilt es aber auch auf mögliche Nachteile hinzuweisen.

- So ist davon auszugehen, dass sich unter den Anbietern von Robo Advice und entsprechenden Fintechs ausgeprägte Konsolidierungsprozesse vollziehen werden, das heißt die Zahl der Anbieter könnte - auch durch Fusionen - insgesamt abnehmen. Es wird sicherlich Kunden geben, die mit einer derartigen Entwicklung ohne weiteres "leben" können, zumal ja Vermögens- beziehungsweise Depotbestände als solche dadurch nicht angegriffen werden. Für "konservativer" eingestellte Anleger und auf eine langfristige Bindung zu einem Anbieter von Anlage- und Vermögensmanagement orientierte Kunden mag eine derartige (prognostizierte) Entwicklung aber als störend wahrgenommen werden.

- Ferner wird in Fachkreisen teils kritisch diskutiert, inwieweit sich Robo Advice nicht nur in vergleichsweise stabilen oder aufwärts gerichteten Phasen an den Finanzmärkten bewähren kann, sondern ebenso unter schwierigen Marktbedingungen oder bei regelrechten Verwerfungen an den Märkten.

Starke Gewichtung von ETFs nicht unkritisch

Auch die relativ starke Gewichtung passiver Indexfonds (ETFs) durch Robo Advisors ist durchaus kritisch zu betrachten. Es ist zwar zutreffend, dass viele aktiv gemanagte Investmentfonds nicht einmal den für die maßgeblichen Index "schlagen" können, doch ändert dies nichts an der grundsätzlichen Erkenntnis von auch empirisch belegten Vorteilen bestimmter aktiver Anlagestile wie etwa des sogenannten Value Investings.

Derartige Anlagestile, die oftmals das Stockpicking aussichtsreicher (unterbewerteter) Einzeleffekten beinhalten, beratungsseitig einen breiten Erfahrungshorizont voraussetzen und teils gezielte "Contrarian"-Positionen beinhalten, etwa die Identifikation und Nutzung von Turnaround-Konstellationen sowie die Einnahme einer kritischen Haltung gegenüber einem "Herdentrieb" an den Märkten sowohl hinsichtlich Euphorie als auch Panik, sind derzeit sicherlich eher selten im Rahmen von Robo Advice abzubilden (aber technisch zumindest im Ansatz durchaus realisierbar) 5). Vielmehr sind sie, auch wenn sie beispielsweise für Kennwertanalysen oder Prognosen ausgefeilte Programme und Datenbestände nutzen, ganz wesentlich auf den "Faktor Mensch" angewiesen (besondere Qualifikationen, Erfahrungen und Kompetenzen von Beratern, unmittelbare persönliche Interaktion von Berater und Kunde).

Evolution statt Revolution

Jüngste Forschungsergebnisse unterstreichen jedenfalls, dass insbesondere bei der Administration höherer Vermögensvolumina eine unmittelbare, vertrauensvoll und langfristig angelegte Interaktion und ein aktives Portfoliomanagement einen hohen Stellenwert einnehmen. 6) All dies unterstreicht, dass Robo Advice zukünftig einen wachsenden Stellenwert bei Finanzdienstleistungen haben wird, aber qualifizierte und spezialisierte Formen der Anlage- und Vermögensverwaltung hierbei keinesfalls verdrängt zu werden brauchen.

Zweifellos bringt Robo Advice für das Feld der Anlage- und Vermögensberatung und Finanzdienstleistungen gewisse "disruptive" Auswirkungen mit sich. Diese Auswirkungen sollten jedoch realistisch eingeschätzt werden. So legt eine pragmatische Analyse von Robo Advice nahe, dass hierdurch - wie bei anderen digitalen Neuerungen und Anwendungen auch - nicht "revolutionäre", sondern letztlich evolutionäre Weiterentwicklungen für das besagte Feld resultieren.

Hybride Ansätze im Retail- und Affluent-Banking

Im Kontext einer solchen Weiterentwicklung könnten insbesondere "hybride" Vorgehensweisen mit einer Koppelung von digitalen/automatisierten Beratungselementen und einer individuellen Beratung an Bedeutung zulegen. Diese individuelle Beratung muss dabei keineswegs in einer Bankfiliale stattfinden, vielmehr wäre auch ein Telefon-, Video- oder Chatmodus denkbar. 7)

Insofern besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass Robo Advice zu einer bedeutsamen Ergänzung des Leistungsangebots im Finanzdienstleistungsbereich - namentlich im Retailbankgeschäft und teils auch im Affluent Banking - wird, ohne dass andere Komponenten dieses Angebots gänzlich überflüssig würden.

Perspektivisch ist davon auszugehen, dass einerseits die Assets under Management bei "reinen" oder primären Robo Advisors wachsen werden, aber ebenso eine Ergänzung beziehungsweise. Höhergewichtung von Robo Advice-Elementen bei den bereits etablierten Banken, Vermögensverwaltern oder Versicherungen vorgenommen wird beziehungsweise auch Bankengeschäftsfelder wie etwa die Immobilienfinanzierung mit solchen Elementen gekoppelt werden (hybrides Prinzip). Hinsichtlich der technischen Umsetzung (IT) sind sowohl Kooperationen zwischen etablierten Banken, Versicherungen und den Robo Advisors/Fintechs als auch Eigenentwicklungen denkbar. 8)

Insgesamt wird sich die Digitalisierung in der Finanzdienstleistungsbranche und in den unterschiedlichen Geschäftsfeldern von Banken weiter fortsetzen. Robo Advice bietet hierbei eine substanzielle Gestaltungsmöglichkeit, die auch eine sinnvolle und zukunftsorientierte Vernetzung des Filialgeschäfts mit der digitalen Ebene gewährleisten kann.

Fußnoten

1) Köhler, P.: Geldanlage per Robo Advisor. "Die Roboter kommen". Handelsblatt, 25. Januar 2016.

2) BaFin: Robo Advice und Auto-Trading- Plattformen zur automatisierten Anlageberatung und automatischem Trading (abrufbar unter www.bafin.de), Stand 7. April 2016.

3) Lampe, J. (firstfive): Stellungnahme zu Robo Advisors, in: Kraftschluss nach Maß. Optimal übersetzt - Vermögensanlage auf dem Prüfstand. EuroSpezial, Sonderveröff., März 2017.

4) Die entsprechenden Erfassungen/Schätzungen in Fachkreisen unterscheiden sich teils erheblich. Vorliegend wird auf offenkundig solide recherchierte Daten der Managementberatung Oliver Wyman Bezug genommen, die im Jan. uar 2017 auf 'Der Bank Blog' (www.der-bank-blog.de) (Leichsenring, H.) dargestellt wurden (Blogbeitrag: Banken werden bei Robo Advice zu den Gewinnern zählen).

5) Exemplarisch sei hier die digitale Vermögensverwaltung "LIQID" genannt, die den treuhänderischen Ansatz einer regulierten Vermögensverwaltung nach KWG verfolgt und sich auf Anlageinteressierte mit einem Investitionsvolumen von 250 000 Euro an aufwärts konzentriert. Der Fokus liegt auf einer zum Kunden strategisch passenden Asset Allocation, wobei sowohl passive Anlageformen wie ETFs als auch aktiv gemanagte Investitionsdestinationen zum Einsatz kommen können. Zudem wird ein Anlageprinzip in Form des sog. Core-Satellite-Modells genutzt, das sich in der Anlagepraxis bewähren konnte; siehe Schneider-Sickert, C.: LIQID: digitale Vermögensverwaltung. In: Tiberius, V. & Rasche, C. (Hrsg.): Fintechs. Disruptive Geschäftsmodelle im Finanzsektor. Edition Bankmagazin. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2017, S. 150f. (ges.: S. 147-154).

6) Siehe zsfd. und mit Übertragungsmöglichkeiten auch auf die Weiterentwicklung des Private und Affluent Bankings herkömmlicher Banken: Geveke, K.: Family Offices in Deutschland, Großbritannien und der Schweiz. Eine vergleichende empirische Untersuchung. Berlin: Dr. Köster, 2017.

7) Diese Einschätzungen folgen v.a. Prognosen von O. Wyman (Hübner, M.) auf 'Der Bank Blog" von Leichsenring, H. (siehe Hinweis weiter oben).

8) Als ein Beispiel kann Visualvest beziehungsweise - in Kooperation mit Genossenschaftsbanken und Union Investment - Meininvest dienen. Bei letztgenannter onlinebasierter Finanzportfolio-Verwaltung kann in standardisierte Angebote auch aktiv gemanagter Fonds investiert werden. Der Vorteil wird hier insbesondere darin gesehen, dass trotz des digitalen Zugangs sich Nutzer weiterhin in dem vertrauten Umfeld der Hausbank (= genossenschaftliche Bank und damit gewissermaßen hybride Prägung) bewegen können; siehe: Brandl, T. (im Interview mit Zeitnitz, O.): Visualvest ist nun lizenzierter Vermögensverwalter, ETF-Extra-Magazin, 28.Juli 2017.

Zum Autor Jochen Ramakers, Mitglied des Vorstands, Sparda-Bank Hannover eG, Hannover
Jochen Ramakers , Stellvertretender ­Vorsitzender des Vorstands , Sparda-Bank Hannover eG, Hannover
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