Versicherungen

Im Zahlungsverkehr in die digitale Zukunft

Christoph Ruoff, atriga GmbH, Langen

Noch ist die Lastschrift in der Assekuranz als Zahlverfahren praktisch "gesetzt". Doch neue Produkte verlangen auch neue Bezahlverfahren - und damit Lösungen, diese zu implementieren. Anstatt einer Integration in das Kernsystem plädiert Christoph Ruoff für eine Anbindung an die Inkasso-Schnittstelle. Wenn gleichzeitig jede Kommunikationsmaßnahme mit einer eigenen URL verbunden wird, werden auch Briefe und Faxe "intelligent", weil sich zuordnen lässt, auf welche Maßnahmen die Kunden reagieren oder welche Anpassungen erforderlich sein könnten. Red.

Die deutsche Versicherungsbranche steht vor einer der größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte: "Digitalisierung" lautet auch hier das alles beherrschende Schlüsselwort. Wie geht die Branche damit um? Wie kann sie das immense Potenzial der Digitalisierung nutzen, um neue Geschäftsmodelle und Produkte zu entwickeln, schnellere Prozesse und besseren Service anzubieten. Die Versicherer müssen dieses Potenzial nutzen, denn die Erträge aus den klassischen Produkten nehmen ab. In den Konzernen wird Altbekanntes und Erprobtes zu recht kritisch hinterfragt.

Die rasante Entwicklung macht auch vor den Billingprozessen keinen Halt: Konnte sich der Versicherer früher auf das Lastschriftverfahren zu den vereinbarten Zahlungsterminen verlassen, muss er sich jetzt bei vielen Produkten mit den unterschiedlichsten neuen Zahlungsmöglichkeiten auseinandersetzen.

Hier kann die historisch gewachsene IT-Infrastruktur der Versicherer kaum mithalten. Sie wird den Ansprüchen des digitalen Zeitalters schlichtweg nicht mehr gerecht, denn die Fähigkeit einer systemischen Reaktion ist kaum vorhanden.

An die Inkasso-Schnittstelle anbinden

Der Aufwand, neue Zahlarten und alle aktuellen und zukünftigen Kommunikationskanäle in das Kernsystem zu integrieren, macht darüber hinaus auch unternehmerisch keinen Sinn. Zum einen fehlen einheitliche Schnittstellen, zum anderen wäre der Anteil an manueller Nachbearbeitung zu hoch, weil die durchgängige Automatisierung fehlt. Aber diese Herausforderung ist ganz elegant über die bestehende Infrastruktur zu lösen, ohne die IT der Versicherer zu belasten: über eine Anbindung an die vorhandene und bewährte Inkasso-Schnittstelle. Das ermöglicht es dem Versicherungsunternehmen, bereits im Bereich des kaufmännischen Mahnprozesses alle aktuellen Zahlungsarten in der jeweils gewünschten Form anzubieten. Voraussetzung dabei ist lediglich ein früherer Datenübertragungszeitpunkt der Forderung.

Im Dialog mit dem Kunden

Bisher werden Nachrichten und Informationen über die unterschiedlichen digitalen Kommunikationskanäle meist in eine Richtung versendet, nach statischen Regeln mit vorgegebenen Inhalten. Dabei eröffnen doch gerade die digitalen Kanäle erstmalig die Möglichkeit eines auswertbaren und damit auch steuerbaren individualisierten Dialogs mit dem Kunden. Diese reagierende Kommunikation wird vom Kunden als guter Service wahrgenommen und führt nachweislich zu einer deutlich höheren Reaktionsgeschwindigkeit.

Erfolglose Kommunikationswege können einfach vermieden werden und die interne Bearbeitungsdauer sinkt infolge der automatisierten Zuordnung der Antworten. Der Kunde bestimmt durch seine Reaktion den Kommunikationskanal und den weiteren Verlauf des Dialoges, ohne dies zu bemerken.

Was im vorangegangenen Absatz noch sehr theoretisch daherkommt, entfaltet an Praxisbeispielen seine ganze Wirkung. Schauen wir uns ein paar typische Vorgänge im Rahmen einer Zahlungsstörung einmal genauer an.

Erfolgt eine Zahlung per Sofortüberweisung, bedankt sich das System umgehend beim Kunden und verlängert automatisch die Frist, wenn der Kunde am letztmöglichen Tag bezahlt. Er bekommt keine weitere Mahnung.

Inkasso ist Kommunikation

Wird dem Kunden ein persönliches Online-Informationssystem zur Verfügung gestellt, kann das System aktiv auf ihn zugehen und in einen unmittelbaren Dialog treten. So erhöhen sich die Kontaktpunkte ganz erheblich. Was mit "System" sehr abstrakt beschrieben ist, birgt in Wirklichkeit das Potenzial, dem Kunden bei jeder Interaktion und auf dem von ihm ausgewählten Kontaktweg einen auf seine Persönlichkeit zugeschnittenen Ansprechpartner an die Seite zu stellen, zum Beispiel mit telefonischer Durchwahl, individueller E-Mail-Adresse und sogar Foto und Name des Mitarbeiters. Die Auswirkung: Der säumige Kunde kann sich einer "unpersönlichen" Organisation emotional relativ leicht entziehen, einem direkten und persönlichen Ansprechpartner aber nicht.

Auch Brief und Fax werden intelligent

Jegliche Kommunikation mit dem Kunden ist mit einer einzigartigen URL oder einem Link versehen und wird dadurch auswertbar, also auch Briefe und Faxe. Dadurch ist immer bekannt, aus welchem Informationsumfeld die URL oder der Link stammen. Das ermöglicht eine dokumentenbezogene Auswertung des Nutzungsverhaltens. Haben Kunden zum Beispiel überwiegend auf eine bestimmte URL reagiert, können daraus Schlüsse gezogen und Optimierungsprozesse durchgeführt werden. So kann man die URL anders positionieren, fett drucken oder eine andere Typografie wählen.

Durch die Verwendung dieser einzigartigen URL landet er immer an der richtigen Stelle und wird dort persönlich von dem ihm bekannten Ansprechpartner begrüßt. Das kann zum Beispiel eine Landingpage sein, die sich konkret auf das aktuelle Anliegen bezieht. Durch die präzise zeitliche Steuerung von E-Mails und SMS wird zudem die Öffnungsrate erhöht und das Reaktionsverhalten besser planbar. So lässt sich zum Beispiel die Besetzung im Callcenter auf das steigende Anrufvolumen einstellen.

Zu welchen Uhrzeiten werden E-Mails oder SMS am meisten gelesen, welche Inhalte erzeugen mehr Interesse? Kommt vom Empfänger eine Meldung über die Nichtzustellbarkeit oder eine Empfangsbestätigung? All diese Informationen lassen sich von einem intelligenten System auf der statistischen Ebene auswerten. Die Darstellung der Inhalte sowie der Aufbau interaktiver Serviceangebote erfolgt im "Responsive Design". Nutzt der Kunde zum Beispiel das webbasierte Informationssystem, können dort die Informationen personalisiert bereitgestellt werden. Ziel aller Maßnahmen ist die initiale Zahlungsmotivation und der Aufruf zur Mitwirkung - ohne Druck oder Drohung.

Kosten senken, Produktivität steigern

Jede Form der Kommunikation eröffnet neue Einsatz- und Steuerungspotenziale, wenn man denn die gesammelten Informationen auch auswerten kann. Zudem ergeben sich aus der Vernetzung der Kommunikationskanäle ganz neue Möglichkeiten für einen umfassenden Dialog mit dem Kunden und die Informationsbereitstellung. Das führt zu einer Produktivitätssteigerung und einer signifikanten Personal- und Kostenersparnis.

Bei der Digitalisierung der Prozesse in der Kundenkommunikation bestimmen Gesetze und Verordnungen die Grenzen des Machbaren: Zu nennen sind das Bundesdatenschutzgesetz und das noch rigidere Telemediengesetz beziehungsweise die ab Mai 2018 geltende EU-Datenschutzgrundverordnung. Die Auswahl eines Dienstleisters sollte also auch davon abhängen, dass dieser die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften garantiert.

Zum Autor Christoph Ruoff, atriga GmbH, Langen

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