Geldanlage und Vorsorge

"Die Bedeutung von Fonds wird bei der privaten Vorsorge stark zunehmen" / Ewald Judt im Gespräch mit Heinz Bednar und Dietmar Rupar

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Ähnlich wie in Deutschland werden Investmentfonds auch in Österreich noch vergleichsweise wenig für die private Altersvorsorge genutzt. Dafür braucht es nach Einschätzung von Heinz Bednar und Dietmar Rupar vor allem mehr Information und Bildung - und an dieser Stelle sehen sie, bei allen Bemühungen seitens der Fondsbranche, vor allem die Politik in der Pflicht. Für die Förderung des Fondssparens verweist die österreichische Fondsbranche auf das Schweizer Vorbild: Dort werden die Vorsorgebemühungen der Bürger durch Steuerbefreiung beziehungsweise -erleichterungen in der Anspar- wie auch der Auszahlphase honoriert. Red.

Fonds wurden bei der privaten Geldanlage Jahrzehnte unter ihrem Wert geschlagen. Die Spareinlage dominierte sie. Mit der seit einiger Zeit vorhandenen Niedrigzinsphase für Spareinlagen könnte es zu einer Veränderung kommen. Wie war der Marktanteil der Fonds bei der privaten Geldanlage in Österreich Ende 2015 und wo sehen sie ihn Ende 2020?

Rupar: Gemäß Ausweis der Österreichischen Nationalbank zur Geldvermögensbildung hat sich das Volumen der Investmentzertifikate von 2014 in der Höhe von rund 47,8 Milliarden Euro zum Ultimo 2015 um 7,25 Prozent auf rund 51,3 Milliarden Euro erhöht. Der Anteil am Gesamtgeldvermögen der Österreicher beträgt rund 8,5 Prozent. Diese Entwicklung ist natürlich erfreulich, es ist aber festzuhalten, dass Österreich im europäischen Vergleich weiterhin hinterherhinkt. Aufgabe der österreichischen Fondsindustrie wird es sein, die Österreicher angesichts des niedrigen beziehungsweise negativen Zinsumfelds verstärkt an Kapitalmarktanlagen heranzuführen.

Welches Volumen in Euro hatte die private Geldanlage in Fonds Ende 2015? Welches Wachstum war da zu verzeichnen? Und welches Wachstum erwarten Sie 2016?

Rupar: Das erste Quartal 2015 hat fulminant begonnen. Die folgenden drei Quartale waren aber durch turbulente Entwicklungen auf den Weltmärkten sowie die geopolitischen Entwicklungen in der Ukraine und Syrien für die Privatanleger sehr fordernd. Dennoch konnte die österreichische Investmentbranche Nettomittelzuflüsse in der Höhe von rund 5,1 Milliarden Euro erzielen, wovon 1,7 Milliarden Euro auf den Publikumsfondsbereich entfielen. Insgesamt stieg das Volumen der österreichischen Fonds im vergangenen Jahr um 3,12 Prozent auf 162,7 Milliarden Euro.

Das Fortdauern des niedrigen beziehungsweise negativen Zinsumfelds wäre ein natürlicher Treiber für die Fondsindustrie, jedoch wird es auch 2016 zu geopolitischen Spannungen kommen und auch die politischen Entwicklungen in der EU (Brexit) könnten den Appetit der Retailinvestoren einschränken. Aus heutiger Sicht erwarten wir in Summe ein leichtes Wachstum. Es werden von allen Fondsgesellschaften vermehrte Anstrengungen unternommen, die Privatinvestoren von ihrer rentenlastigen Portfeuilleausrichtung auf vermögensverwaltende Fonds überzuführen, die je nach Risikoappetit auch einen entsprechenden Aktienanteil vorsehen.

Welche sind die drei größten Fondsgesellschaften beim Geschäft mit privaten Geldanlegern?

Rupar: Die drei größten sind die Erste-Sparinvest Kapitalanlagegesellschaft m.b.H, die Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft mbH sowie Pioneer Investments Austria GmbH. In cumulo haben die drei Großen einen Anteil von 49 Prozent.

Fonds sind nichts Neues, es gibt sie seit nahezu 250 Jahren. Trotzdem ist das Wissen der privaten Sparer über Fonds nicht allzu groß. Haben da nicht die Fondsgesellschaften und die Vertriebsorganisationen versagt?

Bednar: Grundsätzlich kann man sagen, dass in den Ländern, in denen zum Beispiel die Fonds integraler Bestandteil der privaten Vorsorge sind, das Wissen über Kapitalmärkte und Kapitalmarktzusammenhänge deutlich größer ist. In Österreich ist das nicht der Fall.

Meines Erachtens reicht es nicht, diesen Bildungsauftrag, bei dem es sehr stark um gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge geht, Produktanbietern zu überlassen. Vielmehr ist das ein Thema der schulischen Ausbildung und da gibt es zweifellos Verbesserungsmöglichkeiten.

Liegt die mangelnde Akzeptanz von Fonds bei privaten Geldanlegern nicht schon bei der Konzeption dieses Produkts? Mit einem Sparbuch real oder virtuell zu sparen ist relativ einfach und geht ohne viel erläuternden Papierkram. Ein Fondserwerb setzt viel Papierkram voraus. Liegt das an der komplexeren Art des Produkts oder liegt es an den durch die Regulierung vorgegebenen Informationspflichten?

Bednar: Die regulatorischen Vorschriften sind nun einmal da, die können wir uns nicht aussuchen. Letztlich hat der Gesetzgeber bei allen diesen Vorschriften das Interesse, die Absicherung, der Anleger im Auge gehabt. Dass man dabei teilweise über das Ziel hinausgeschossen ist, befürchte ich auch. Wir versuchen, gemeinsam mit unseren Vertriebspartnern, den Prozess so einfach wie möglich zu gestalten.

Wenn sich ein privater Geldanleger mit dem Thema "Fonds" vertraut machen möchte, stößt er - egal ob er es mit einem Berater zu tun hat oder ob es sich mit Fondsprospekten selbst vertraut machen will - auf eine schier unübersehbare Fülle von Fonds mit meist für ihn unverständlichen Bezeichnungen. Könnte mit weniger Fonds nicht mehr erreicht werden? Und könnten die Bezeichnungen nicht so gestaltet werden, dass sich auch für einen Privaten sofort erschließt, um was es sich da handelt?

Bednar: Die Straffung der Fondspalette ist ein Thema, das alle Fondsgesellschaften betrifft. Andererseits will man alle für Kunden relevanten Themen in deren Interesse anbieten können. Letztlich muss jede KAG selbst entscheiden, wo sie ihre Schwerpunkte setzt.

Eines bleibt davon unberührt: Der Beratungsaufwand ist so oder so gegeben. Eine gute umfassende Beratung in Fragen der Geldanlage ist ein Gebot der Stunde.

Diejenigen privaten Geldanleger, die sich über Fonds informiert haben, sehen zwar die Möglichkeit, gegebenenfalls mehr Ertrag als bei einem Sparbuch zu lukrieren, sehen diese Ertragsmöglichkeit aber durch die Fülle von Preiskomponenten wie Ausgabeaufschlag, Rücknahmeabschlag, Managementgebühren und Depotbank massiv reduziert. Könnten Sie sich ein transparenteres Preismodell vorstellen, bei dem der genannte Ertrag der echte Ertrag ist? Wie könnte so ein Preismodell ausschauen?

Rupar: Hier werden bedauerlicherweise in der medialen Berichterstattung zu "Fonds" Äpfel mit Birnen konsequent verwechselt.

Publikumsfonds werden in der Regel in der Rechtsform eines auf EU-Richtlinien basierenden OGAW-Regimes aufgelegt. In einem verpflichtenden Key Information Document (KID-Basisinformationsblatt) werden sämtliche Kosten von Ausgabeaufschlag bis zu den laufenden Kosten offengelegt. Darüber hinaus erhalten die Anleger wesentliche Informationen zur Anlagepolitik und zum Risikoertragsprofil. Die EU-Kommission betrachtet die OGAW-Fonds als "Gold-Standard" für Retailinvestoren und wird in einer neuen Richtlinie "PRIIPS" ein KID auch von den Mitbewerbern verlangen. Dieses Basisinformationsblatt deckt sämtliche verpackte Retailprodukte mit einem Kapitalmarktbezug ab, die von Assetmanagern oder Versicherungen angeboten werden.

Der Eindruck von massiven Gebühren zulasten der Investoren ist der Berichterstattung über geschlossene "Fonds" (zum Beispiel Schiffsfonds) geschuldet, die nicht dem OGAW-Regime unterliegen. Die neue Offenlegungspflicht für alle Vehikel wird deutlich zeigen, dass sich OGAW-Fonds bezüglich ihrer Preiskomponenten am unteren Ende der Skala bewegen werden.

Oft werden zum Produkt auch Bedenken geäußert, dass bewusst spesenmäßig zulasten der Fondsinhaber zu viel gekauft/verkauft wird und auch bestimmte Anleihen nahestehender Gesellschaften bevorzugt erstanden werden. Wie kann man diese Skepsis argumentativ überwinden?

Rupar: Auch das ist dem weiten und nicht geschützten Begriff "Fonds" geschuldet. Die OGAW-Richtlinie und das österreichische Investmentfondsgesetz normieren, dass Verwaltungsgesellschaften im ausschließlichen Interesse ihrer Anteilsinhaber zu agieren haben. In detaillierten Veranlagungs-, Risikomanagement-, Organisations- und Compliancevorschriften werden die Rahmenbedingungen umfassend und investorenschützend gesetzlich niedergeschrieben. Verstöße werden mit rigorosen Strafen der Aufsichtsbehörden geahndet.

Wie argumentiert man seitens der aktiv gemanagten Fonds deren Vorteile gegenüber einer ebenfalls möglichen Anlage in passiv gemanagte Fonds (ETFs), die wesentlich einfacher konzipiert sind, einem täglich beobachtbaren Index folgen und für den Geldanleger kostenmäßig klare Vorteile bieten?

Bednar: Die Frage nach dem geeigneten Produkt stellt sich immer. ETFs sind noch immer relativ neu und hatten daher starken Nachholbedarf. Wenn Kunden Märkte handeln wollen, dann macht ein solches Investment durchaus Sinn, verlangt aber einen hohen Grad an selbstständiger Investmententscheidung und sehr gutes Marktwissen.

Sollten Kunden über dieses nicht verfügen, so stehen ihnen - ebenfalls kostengünstig - passive Fonds oder mit der Aussicht auf höhere Erträge aktive Fonds zur Verfügung. Aktive Fonds bieten unter anderem wesentlich weitere Diversifizierungsmöglichkeiten und aufgrund der angebotenen Strategievielfalt eine auf die Kundenbedürfnisse abstimmbare Veranlagungsmöglichkeit.

Wenn man aber Marktforschungen Glauben schenken darf, ist der wesentlichste Widerstand gegen Fonds das dem Produkt innewohnende Risiko. Das ist von besonderer Bedeutung, da die privaten Geldanleger weitgehend risikoavers sind. Wie kann man diese Resistenz über die bloße Diversifikation bei der Fondsanlage hinaus reduzieren?

Bednar: So banal es klingt: Im Risiko liegt die Chance. Je größer das Risiko, desto besser sollten die Ertragschancen sein. Als Fondskäufer würde ich großen Wert darauf legen, ob mir diese Relation sinnvoll ausgewogen erscheint, unabhängig von meiner eigenen Risikopräferenz. Diversifikation ist natürlich das wichtigste Mittel zur Risikoreduktion. Daneben gibt es natürlich noch die angebotene Strategie, die speziell auf Risiko abgestellt sein kann. Auch hier hilft gute Beratung, das individuell geeignete Produkt zu finden.

Das Risiko kann aufgrund der Diversifikation bei der Fondsanlage nicht zum Ausfall (wie es zum Beispiel bei Anleihen möglich ist), sondern höchstens zu einer Ertragsreduktion führen. Das wahrgenommene Risiko ist also höher als das echte Risiko. Welche Maßnahmen könnten Sie sich hier vorstellen, um diesen Vorteil der Fonds den potenziellen privaten Geldanlegern schmackhaft zu machen?

Bednar: Information, Information, Information. Die Anleger möchten selbstverständlich wissen, in welche Wertpapiere sie investiert sind und für Entwicklungen des Marktes und Entscheidungen des Fondsmanagements eine Erklärung beziehungsweise diese nachvollziehen können. Alle diese "Anforderungen" werden durch "intelligente Fondsmodelle" bereits umgesetzt.

Ich möchte hier, was die Erste Bank und Sparkassengruppe betrifft, die Fonds der Serie You Invest hervorheben. Dabei geht es nicht um Produkte, sondern um konkrete Bedürfnisse der Anleger wie zum Beispiel den Vermögensaufbau, die Pensionsvorsorge oder die Ausbildung der Kinder. Hinter You Invest steht ein Team von Spezialisten. Diese wählen die attraktivsten Wertpapiere aus und managen aktiv die Risiken. Neben diesem aktiven Managementansatz gibt es rund um das Produkt eine moderne Plattform im Internet (www.youinvest.at), wo man das persönliche Ziel und die Risikoneigung selbst anpassen kann. Über Videos, Chats und Webinare kann man mit dem Fondsmanagement direkt in Kontakt treten. Auf Wunsch gibt es auf der Webseite bis ins kleinste Detail aufbereitete Informationen zu den Fonds.

Eine interessante, aber nur wenig genutzte Möglichkeit, Fonds zu kaufen, ist das Fondssparen. Wie könnte dies populärer gemacht werden? Angesichts der Aussicht auf eine Pensionslücke bei den staatlichen Pensionssystemen wäre doch eine langfristig orientierte kapitalgedeckte Pensionsvorsorge auf Basis von Fonds eine Möglichkeit, diese zu schließen. Wie sind Fonds im Wettbewerb mit anderen Arten der privaten Pensionsvorsorge positioniert?

Rupar: Fondssparpläne sind naturgemäß das probate Mittel für den langfristigen Vermögensaufbau. Der Cost-Average-Effekt entfaltet über den Veranlagungshorizont einen mehr als positiven Performancebeitrag. Die Verwaltungsgesellschaften und ihre Vertriebspartner verfolgen diesen Weg schon seit geraumer Zeit.

Wie man in anderen europäischen Ländern sieht, ist der Treiber für diese Sparform die dritte Säule der Pensionsvorsorge. Die österreichische Fondsindustrie propagiert eine Lösung nach Schweizer Vorbild.

Während derzeit die dritte Säule in Österreich durch die unglücklich ausgestattete Zukunftsvorsorge (ZVE - verpflichtende Kapitalgarantie, verpflichtende Aktienquoten, neben Österreich eingeschränkte Aktienmärkte wie zum Beispiel Zypern, Island oder Estland) lahmt, kann man in der Schweiz ein Vorsorgedepot bei einer Bank oder Versicherung anlegen. Die Banken bieten Fondssparpläne mit einem breit gestreuten Anlageuniversum an.

Die eingezahlten Beträge können von der Steuer abgesetzt werden und die Erträge sind von Zins- und Kapitalertragssteuer befreit. Die Versteuerung der Rente erfolgt nicht zum Normalsteuersatz, sondern zu jenem Satz, der nach dem Schweizer Steuersystem für die lukrierten Zahlungen zu leisten wäre.

Im Gegensatz zur Schweiz, wo jeder Arbeitnehmer über eine Betriebspension verfügt, haben nur rund 20 Prozent der Österreicher einen Pensionskassenvertrag. Die Schweizer können dennoch rund 7 000 Schweizer Franken jährlich in die dritte Säule einzahlen. Für Selbstständige, die über keinen Pensionskassenvertrag verfügen, erhöht sich dieser Betrag auf rund 34 000 Schweizer Franken jährlich! Zur Ergänzung der ersten Säule in Österreich muss man also nichts Neues erfinden, sondern nur bereits Bewährtes copy based übernehmen.

Angesichts der gewaltigen Informationsüberflutung der privaten Geldanleger fällt Kommunikation über Fonds und Werbung für Fonds kaum auf. Wie wollen Sie diese Wissens- und Marketinglücke schließen?

Bednar: Ich teile Ihre Meinung nicht ganz. Klar, die Informations- und Reizüberflutung ist ein Merkmal unserer Zeit, die trifft jedes Unternehmen, das Werbung betreibt. Im Gegensatz zu den "goldenen Fondsjahren" der Jahrtausendwende sind die Marketingbudgets zweifellos vom Spargedanken geprägt. Wir müssen unsere Aktivitäten mit den Kosten in Einklang bringen und mit den vorhandenen Mitteln ein Maximum an Effizienz ausschöpfen. Umso wichtiger ist, in der Marketingstrategie Nischen zu besetzen, die die Finanzbranche bisher weniger aufgesucht hat.

Gerade hier war und ist die Erste Bank- und Sparkassengruppe in einer Vorreiterrolle. Wir haben zum Beispiel schon früh auf soziale Medien gesetzt und nutzen neue direkte Wege der Kommunikation zum Kunden, wie zum Beispiel den Blog.

Auch im Rahmen des Weltfondstages hat die Fondsbranche Flagge gezeigt und unter dem Motto "Anlegen mit Fonds - das kann jeder" den einfachen Zugang zu Fonds und deren Transparenz hervorgehoben. Letztlich sind Fonds aber Produkte, die nicht über Werbung verkauft werden. Wichtiger ist die gute Beratung in der Filiale, die den Kunden zum Fonds greifen lässt.

Könnten Sie sich auch vorstellen, Informationen zu Fonds für eine Wirtschaftswissen-/Finanzwisseninitiative zu liefern? Wer könnte aus Ihrer Sicht eine derartige Initiative, die auch zu einem tieferen Geldanlagewissen führen sollte, durchführen? Wo müsste eine derartige Initiative ansetzen?

Rupar: Im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemühen sich die Verwaltungsgesellschaften, Kapitalmarktwissen in die Öffentlichkeit zu bringen. Ein Ausfluss daraus ist die gemeinsame Initiative mit unseren ausländischen Kollegen zum Weltfondstag.

Eine größere Finanzwisseninitiative war ursprünglich unter dem Finanzminister Josef Pröll vorgesehen, der 2009 in einem Aufsichts- und Vertrauenspaket für den Finanzmarkt angeregt hat, bestehende Initiativen unter der Schirmherrschaft der Österreichischen Nationalbank zu bündeln. Bedauerlicherweise wurde dieser Ansatz verworfen und stattdessen eine im europäischen Vergleich exorbitant hohe Bankensteuer eingeführt.

Der Bund hätte für eine solche Initiative also ausreichende Finanzmittel und ist gemäß der Österreichischen Verfassung auch für die Bildung zuständig. Eine umfassende Finanzwisseninitiative ist für die Branche kostenmäßig nicht darstellbar.

Welchen Marktanteil hat der Fondsvertrieb an private Geldanleger durch Retailbanken?

Rupar: Der Fondsvertrieb erfolgt in Österreich traditionell über den Bankenvertrieb. Die meisten Verwaltungsgesellschaften sind im Eigentum von Banken oder Versicherungen. Der Vertrieb über andere Schienen (Vermögensverwalter) hält sich in engen Grenzen.

Sind die Bankberater ausreichend für den Vertrieb von Fonds informiert? Sind die Bankberater beim Vertrieb von Fonds zur meist notwendigen Überwindung der Risikoaversion der privaten Geldanleger ausreichend motiviert? Welche Unterstützung erhalten sie?

Bednar: Der Vertrieb von Fonds bei österreichischen Banken hat Tradition und stützt sich auf langjährige Erfahrungswerte. Die Erste-Sparinvest feierte im Vorjahr das 50-jährige Firmenjubiläum, andere Gesellschaften sind noch nicht so lange am Markt, sind aber ebenfalls in ihren Vertriebsorganisationen bestens integriert. Man kennt sie, man kennt ihre Produkte. Gerade in zinsarmen Zeiten spielt der Fonds eine bedeutende Rolle. Die Mitarbeiter der Kapitalanlagegesellschaft sind tagtäglich bei den Wertpapierberatern vor Ort, sie unterstützen sie bei Kundengesprächen und Veranstaltungen, machen Schulungen und vermitteln Wissen um grundsätzliche Fragen und die Marktmeinung.

Die neuen Medien gewinnen dabei immer mehr an Bedeutung. So sind zum Beispiel Video- und Telefonkonferenzen, Wertpapier-Chats und dergleichen längst ein wichtiger Teil der Berater- und Kundenbetreuung. Der klassische Zugang in Form von Kundenveranstaltungen oder Börsen-Sprechtagen wird deshalb aber nicht reduziert.

Wenn man davon ausgeht, dass das niedrige/negative Zinsumfeld auch noch die nächste Zeit - niemand weiß wie lange - anhält, bringt das auch für Fonds Chancen und Risiken?

Rupar: Das derzeitige Umfeld, das sich meiner Meinung nach auch nicht so rasch ändern wird, ist dem Grunde nach für die Fondsindustrie sehr günstig. Ziel muss es sein, die Kunden aus traditionellen Anleihenfonds in vermögensverwaltende Fonds überzuführen, die bei einem überschaubaren Risiko die Chance auf einen Mehrertrag bieten.

Bednar: Die Anreize in Anlageklassen zu investieren, die eine höhere Rendite und ein höheres Risiko beinhalten, wie beispielsweise Unternehmensanleihen und Aktien, haben wegen der rekordtiefen Zinsen zugenommen. Anleger, die zumindest die Inflation schlagen möchten, kommen an einer Kapitalmarktveranlagung nicht vorbei. Investmentfonds, die diese Wertpapiere bündeln und sie in verbriefter Form einem breiten Personenkreis zugänglich machen, sind dafür bestens geeignet. Natürlich ist nicht jeder Anleger von seiner persönlichen Risikoneigung zum Aktienanleger "berufen". Temporär höhere Volatilitäten muss man dabei immer berücksichtigen und vor allem eine ausreichend lange Anlagedauer einplanen, damit das Investment Sinn macht.

Und wie steht das Fondsgeschäft mit privaten Anlegern in zehn Jahren aus?

Bednar: Die Bedeutung von Fonds wird vor allem im Hinblick auf den Ausbau der privaten Vorsorge stark zunehmen. Die Menschen erkennen, dass ihnen die staatliche Säule ein Grundgerüst bietet, aber möglicherweise später einmal zu wenig sein kann, um den gewohnten Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Noch dazu sind die staatlichen Pensionssysteme aufgrund der Budgetlage strapaziert und es gibt eine permanente Diskussion, ob die staatlichen Pensionssysteme für die nächsten Generationen noch finanzierbar sein werden.

Das heute gültige Modell der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge erscheint mir zu wenig flexibel und das Anlagekorsett ist zu eng. Die Kapitalveranlagung für die Pension sollte jeder selbst gestalten können.

Die österreichische Fondsbranche plädiert dafür, dass man neben der Zukunftsvorsorge in flexibleren Varianten privat vorsorgen kann. Unter dem Mantel des "Vorsorgekonto" soll es jedem möglich sein, individuell nach seinen Vorstellungen für die Pension anzusparen. So könnten Anleger beim Vorsorgekonto einen Bausparvertrag abschließen, mit dem sie für die Pension ansparen, in Fonds investieren oder in Versicherungsprodukte veranlagen oder von jedem Bereich etwas auswählen. Damit wäre die nötige flexible Veranlagung auf die individuellen Bedürfnisse abstimmbar. Eine umfangreiche staatliche Unterstützung ist dafür nicht nötig. Um das Vorsorgekonto attraktiv zu machen, würde die Befreiung von der Kapitalertragssteuer reichen. Nur wenn das angesparte Kapital nicht widmungsgemäß, also für die Pension, verwendet wird, oder man frühzeitig aussteigt, sollte dieses nachversteuert werden müssen.

Die VÖIG in Kürze

Die VÖIG, die Vereinigung österreichischer Investmentgesellschaften, ist der Dachverband aller österreichischen Investmentgesellschaften. Ihr Zweck ist die Förderung des österreichischen Investmentwesens und die umfassende Betreuung der Mitglieder. Sie wirkt bei der Begutachtung aller die Investmentgesellschaften betreffenden Regularien, welche die Interessen der Mitglieder tangieren, mit und steht daher in ständigem Kontakt mit den Ministerien, Behörden und der Wirtschaftskammer Österreich sowie internationalen Organisationen und Behörden. Einer der Schwerpunkte der VÖIG ist die Förderung des Absatzes von Fonds an Privatkunden in Bezug auf die Pensionsvorsorge und - zurzeit angesichts von Minizinsen besonders aktuell - als längerfristige Anlage.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien

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