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"Die bisherige Satzung war aus Kundensicht nicht mehr zeitgemäß" / Interview mit Martin Hettich

Martin Hettich, Vorsitzender des Vorstands, Sparda-Bank Baden-Württemberg eG, Stuttgart

Quelle: Sparda-Bank Baden-Württemberg

Die Festlegungen in der Satzung der Sparda-Bank Baden-Württemberg, wonach keine Selbstständigen und Kunden außerhalb des Geschäftsgebiets der Bank betreut werden dürfen, waren nicht mehr zeitgemäß, findet Martin Hettich. Mit dem Verzicht auf beide Einschränkungen verbindet die Bank deshalb keine konkreten Wachstumserwartungen, sondern will vor allem dem Kundenwunsch nachkommen. Sieben Prozent der Kunden leben schon heute außerhalb von Baden-Württemberg und werden über die digitalen Kanäle betreut. Red

Welche Beschränkungen bei der Betreuung Selbstständiger als Privatkunden ergaben sich für die Sparda-Bank Baden-Württemberg bisher aus der Satzung?

In der Vergangenheit durften wir Selbstständigen zum Beispiel keine Baufinanzierung gewähren, auch wenn sie in ihrer Funktion als Privatkunde zu uns kamen. Um es konkret zu machen, mussten beispielsweise oft Immobilienfinanzierungen abgelehnt werden, wenn das Gebäude sowohl wohnwirtschaftlich als auch gewerblich genutzt wurde. Ein weiteres Beispiel ist der niedergelassene Arzt, der vor der Satzungsänderung keine Finanzierung für sein Privathaus bekommen hätte. Nun haben wir die Möglichkeit, diese Kunden in ihrer Funktion als Privatkunde aufzunehmen und auch die Immobilienfinanzierung dieser Kunden in der bewährten Qualität und Geschwindigkeit mit den bekannt guten Konditionen umzusetzen.

Welche Geschäftspotenziale erwartet die Bank von der diesbezüglichen Satzungsänderung?

Konkrete Zahlen, wie viele Neukunden wir über die Erweiterung des Kundenstammes generieren wollen, gibt es nicht. Das war auch nicht das Ziel der Überlegungen.

Die Bedürfnisse und Anliegen unserer Kunden sind zentraler Dreh- und Angelpunkt der täglichen Arbeit. Wir möchten für unsere Kunden und Mitglieder da sein und diese bestmöglich fördern und unterstützen. Wenn sich dabei zeigt, dass die bisherige Satzung aus der Kundenperspektive nicht mehr zeitgemäß ist, dann versuchen wir daran etwas zu ändern - wie geschehen.

Ist das der erste Einstieg in ein womöglich später vollumfängliches Firmenkundengeschäft?

Nein. Die Sparda-Bank Baden-Württemberg konzentriert sich auch weiterhin auf das Privatkundengeschäft.

Wie ist die Sparda-Bank Baden-Württemberg bisher mit Kunden umgegangen, die aus dem Geschäftsgebiet fortgezogen sind, ohne von sich aus die Bank zu wechseln? Wie viele "Nicht-Mehr-Baden-Württemberger" haben Sie in Ihrem Kundenbestand?

Die Bankverbindung wurde nicht aufgelöst. Allerdings durfte dem Kunden zum Beispiel keine Immobilienfinanzierung außerhalb unseres Geschäftsgebietes angeboten werden. Momentan sind knapp sieben Prozent der Kunden nicht aus dem Geschäftsgebiet Baden-Württemberg.

Wie handhaben das die übrigen Sparda-Banken? Gibt es da eine abgestimmte Strategie?

Jede Sparda-Bank ist ein rechtlich selbständiges Unternehmen und entscheidet als solche auch selbst über die Ausrichtung und die Geschäftspolitik. Wichtige strategische Entscheidungen werden aber in der Gruppe getroffen, wie vor kurzem um Beispiel mit der gemeinsamen IT-Strategie geschehen.

Ist die Aufnahme des bundesweiten Antritts in die Satzung im Grunde nur eine Anpassung an die Realität?

Im Wesentlichen ist es eine Anpassung an aktuelle Kundenanforderungen, die sich an veränderten Lebensrealitäten orientieren. Die Arbeitswelt wird mobiler und die Digitalisierung kennt keine geografischen Grenzen. Dank digitaler Services und Dienstleistungen sind wir so gut aufgestellt, dass diese Anpassung erfolgreich durchgeführt werden kann.

Welche zusätzlichen Geschäftspotenziale erwarten Sie von der Aufgabe der regionalen Beschränkung - beispielsweise im Hinblick auf Vergleichsportale im Internet?

Bei den Vergleichsportalen im Internet waren wir ohnehin schon aufgeführt. Und da sind wir wieder am oben genannten Punkt: Wenn ein Interessent über ein Vergleichsportal auf die attraktiven Konditionen und Angebote der Sparda-Bank Baden-Württemberg aufmerksam wird, warum soll er dann nicht auch bei der Bank Kunde werden dürfen?

Für uns war die Kundenperspektive entscheidend: Was macht für den Kunden Sinn und wie kann die Bank weiterhin seine Bedürfnisse und Wünsche erfüllen? Dabei wurden keine konkreten Zahlen definiert, die durch die Ausweitung erreicht werden sollen.

Welche Auswirkungen sind von einem bundesweiten Antritt auf das Thema Mitgliedschaft zu erwarten? Haben Kunden, die man über das Internet gewinnt, die gleiche Bindung an die Bank, wie sie Mitglieder vor Ort haben?

Das ist eine interessante Frage. Ich glaube, es kommt immer darauf an, wie man den Kunden begegnet und welche Werte man ihnen vermittelt - egal ob über den persönlichen Kontakt oder über die digitalen Wege.

Wenn man dem Kunden eine nutzerfreundliche Plattform bietet mit hochqualitativen digitalen Services und Dienstleistungen, lassen sich diese gleichermaßen an die Bank binden. Zumal die Bank ihren Kunden auch über die digitalen Wege persönlich begegnen kann, zum Beispiel über die Videoberatung. Der persönliche Kontakt zu den Kunden ist und bleibt ein wichtiges Anliegen - egal, ob per Video, Telefon oder über die Filialen.

Unabhängig davon, wie und wo wir mit unseren Kunden in Kontakt treten, steht Vertrauen an erster Stelle. Und Vertrauen bindet.

Wie hat der Verband der Sparda-Banken auf den bundesweiten Antritt der Sparda-Bank Baden-Württemberg reagiert? Werden die übrigen Sparda-Banken nachziehen?

Die Gruppe der Sparda-Banken und der Verband waren über die Änderungen bei der Sparda-Bank Baden-Württemberg schon länger im Bilde und tragen diese mit. Die Sparda-Banken sind und waren schon immer bemüht, ihren Kunden gute digitale Dienstleistungen neben der persönlichen Beratung in den Filialen zu bieten. Es ist nachvollziehbar, hier neue Wege einzuschlagen. Sicher werden auch einige Sparda-Banken nachziehen.

Wenn die Sparda-Banken künftig im Internet zu Wettbewerbern werden - was bedeutet das für die Zusammenarbeit in der Gruppe?

An der guten Zusammenarbeit der Sparda-Banken wird sich nichts ändern. Jeder konzentriert sich auf seine Arbeitsprozesse und versucht diese bestmöglich umzusetzen. Gerade das wettbewerbserprobte und erfolgreiche Geschäftsmodell der Sparda-Banken bietet beste Voraussetzungen, die Digitalisierungschancen aufzunehmen. Dinge wie Prozessoptimierung und Omnikanalbanking sind für die Sparda-Banker längst selbstverständlich.

Wie steht der BVR zu Ihrem Abschied vom Regionalprinzip? Könnte das die in den letzten Jahren doch deutlich verbesserte Integration der Sparda-Banken in den Verbund wieder schwächen?

Es ist auch im Interesse des BVR, als Genossenschaftsbank zukunftsfähig zu bleiben und die Kunden weiterhin an die Genossenschaftsbanken zu binden.

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