Gesellschaftliche Verantwortung

Eine Ethikbank für Österreich in Vorbereitung Ewald Judt im Gespräch mit Christine Tschütscher und Robert Moser

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2014 wurde mit dem Ziel, in Österreich (analog zum Beispiel der GLS Bank in Deutschland und der Alternativen Bank in der Schweiz) ei ne Ethikbank zu gründen, die "BfG Eigentümer/-innen- und Verwaltungsgenossenschaft" etabliert. Diese neue Bank soll "Bank für Gemeinwohl" heißen, eine Alternative im Bankbereich sein und auf das Gemeinwohl als oberstes Ziel setzen. Nach Vorgesprächen mit dem Österreichischen Genossenschaftsverband und der Finanzmarktaufsicht wurde die Verwaltungsgenossenschaft als Eigentümerin der Bank gegründet. Ein Kapitalmarktprospekt wurde erstellt und eine Kampagne zur Zeichnung von Eigenkapital wurde gestartet. Mit einer Reihe von Maßnahmen sollen im Laufe des Jahres 2016 15 Millionen Euro an Eigenkapital generiert werden. Dann soll die Bank gegründet, eine Konzession beantragt und im Jahr 2017 der Geschäftsbetrieb aufgenommen werden. Red.

In Österreich gibt es mehr als 600 Banken mit mehr als 4 000 Zweigstellen. Wie kam es dazu, eine weitere Bank gründen zu wollen? Wer steht hinter diesem Vorhaben?

Tschütscher: Die Finanzkrise 2008 war der Auslöser für diese Idee. Die Gründung von "Bad Banks" veranlasste Christian Felber, Gründer von Attac Österreich, über eine "Good Bank" nachzudenken. Schnell waren 100 Menschen von dieser Idee, in Österreich eine ethische Bankalternative anzubieten, begeistert. Wie ein Schneeball, der ins Rollen kommt, begeisterte dieses Projekt immer mehr Österreicher: Die Gründung einer Bank aus der Mitte der Zivilgesellschaft. Viele namhafte Unterstützer aus Wirtschaft, Kultur, Sport und Politik helfen heute, die Vision nach außen zu tragen.

Wie soll sich die Bank für Gemeinwohl von den anderen Banken unterscheiden?

Moser: Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal ist, dass in dieser Bank nicht spekuliert wird. Die Bank wird sehr transparent sein und Kosten und Erträge detailliert auf der Homepage darstellen. Frauen und Männer werden gleich viel verdienen, das höchste Gehalt ist maximal fünfmal so hoch wie das geringste. Die Kunden können festlegen, in welchen Branchen oder Projekten ihre Einlagen als Kredite vergeben werden.

Damit die Kosten nicht ausufern, ist in dieser Phase die Mitarbeit der vielen Ehrenamtlichen eminent wichtig. Derzeit sind es über einhundert Menschen, die idealistisch ihr Knowhow einbringen und an Konzepten mitarbeiten. Die Idee zieht sehr viele Menschen aus Banken (auch Topmanager) und aus vielen anderen Branchen an, die ihre Zeit für die Umsetzung dieser Bank zur Verfügung stellen.

Wie stehen Sie zu dem von einigen Ethikbanken angeregten freiwilligen Zinsverzicht bei Einlagen?

Moser: Auch wir wollen Kunden zum freiwilligen Verzicht auf Zinsen einladen. Die Erfahrungen anderer Banken zeigen, dass zwischen 20 und 30 Prozent der Kunden dazu bereit sind. Damit können gemeinwohlorientierte Projekte durch besonders günstige Zinssätze gefördert werden.

Ein Zinsverzicht bei den derzeitigen Habenzinsen dürfte für die potenziellen Kunden kein größeres Problem sein. Wie sehen Sie dies, wenn die Inflation und/oder Habenzinsen wieder steigen, sodass Zinsen wieder interessant werden?

Tschütscher: Unser Aufsichtsratsmitglied Max Ruhri ist gleichzeitig Vorstand einer Schweizer Alternativbank, der "Freien Gemeinschaftsbank". Diese hat trotz hohem allgemeinem Zinssatz die Zinsen für die Spareinlagen nicht erhöht, aber allen Kunden die Situation erklärt: nämlich, dass eine Erhöhung der Sparzinsen die Kreditnehmer der Bank im selben Ausmaß trifft und dann der Bio-Landwirt und die vielen anderen nachhaltig wirtschaftenden Betriebe in finanzielle Schwierigkeiten kommen können. Diese transparente Darstellung hat dazu geführt, dass die Einleger ihre Gelder auch zu einem niedrigeren Zinssatz als dem marktüblichen nicht abzogen. Das ist ein Beispiel dafür, wie wichtig Transparenz im wirtschaftlichen Handeln ist.

Welche Maßnahmen zur Vorbereitung der Bankgründung wurde von der "BfG Eigentümer/-innen und Verwaltungsgenossenschaft", bisher gesetzt?

Tschütscher: Wir haben vier Arbeitskreise etabliert. Bis zu 100 Menschen arbeiten ehrenamtlich in unserem Pionierprojekt. Der Arbeitskreis Kampagne macht Öffentlichkeitsarbeit, um neue Genossenschaftsmitglieder anzusprechen, die das notwendige Eigenkapital aufbringen. Wir wollen alle Menschen mit Wohnsitz in Österreich, der Schweiz und Deutschland ansprechen.

Moser: Einer der vier Arbeitskreise des Projektes ist die Bankplanung. Dort werden jene Prozesse durch Fachleute erarbeitet, die für die Lizenzierung bei der FMA (Finanzmarktaufsicht) in Österreich und bei der EZB notwendig sind. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Auswahl des Rechenzentrums. Zudem werden zahlreiche Kontakte zu Ethikbanken in Europa und zu Banken in Österreich geknüpft. Bald wird ein Bankvorstand Marktfolge angestellt, der dann auch die Verhandlungen mit den Behörden führen soll.

Tschütscher: Im Arbeitskreis "Genossenschaftsentwicklung" wird die "Geno 2.0" umgesetzt. Hier stehen die Partizipation der Genossenschaftsmitglieder und die größtmögliche Transparenz der Kosten im Mittelpunkt. Es geht um die Kommunikation mit den Genossenschaftern - sprich den Bankkunden von morgen und die gemeinsame Weiterentwicklung der Bank. Zusätzlich hat die Akademie für Gemeinwohl ihre Arbeit schon aufgenommen, mit dem Ziel Wissensvermittlung zum Thema Gemeinwohl und Finanzwesen anzubieten. Last, but not least haben wir im Herbst 2015 unseren Aufsichtsrat um vier Bankmanager erweitert.

Mit wie vielen Mitgliedern wollen Sie das angestrebte Genossenschafts-Eigenkapital von 15 Millionen Euro erreichen?

Moser: Mit 40 000. Das bedeutet, die durchschnittliche Beteiligung an der Genossenschaft sind 375 Euro. Wir stehen jetzt bei über 2 500 Genossenschaftern und einem Kapital von rund 2 Millionen Euro. Der durchschnittliche Anteil liegt derzeit unter 800 Euro - allerdings mit sinkender Tendenz.

Gemäß dem für die Zeichnung von Genossenschafts-Eigenkapital maßgeblichen 180-seitigen Kapitalmarktprospekt ist eine Gewinnausschüttung nicht vorgesehen. Bilanzgewinne sollen zur Rücklagenbildung oder zur Dotation eines Sondervermögens zur Weiterentwicklung der Bank oder zur Unterstützung gemeinwohlorientierter Projekte verwendet werden. Sind unter diesem Gesichtspunkt das angestrebte Genossenschafts-Eigenkapital sowie eventuelle künftige Eigenkapitalerhöhungen problemlos realisierbar?

Tschütscher: Ja, eine Gewinnausschüttung ist nicht vorgesehen. Allerdings können das die Genossenschafter in einer Hauptversammlung auch anders beschließen. Derzeit gehen Menschen, die sich beteiligen, davon aus, dass es keine Gewinnausschüttung gibt, sondern in das Gemeinwohl investiert wird. Für viele ist das die eigentliche Motivation, Mitglied zu werden. Andererseits führt das auch dazu, dass Einzelne dann doch nicht zeichnen. Ob das Kapital tatsächlich zusammenkommt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Das Angebot ist da, die Menschen in Österreich entscheiden jetzt, ob sie diese Bank wollen. Derzeit entwickeln wir neue Angebote, um noch mehr Genossenschafter noch schneller anzusprechen und wir sind zuversichtlich, dass wir unser Ziel erreichen werden.

Wie hoch ist ein Genossenschaftsanteil und wie viele Genossenschaftsanteile können je Interessent gezeichnet werden?

Moser: Ein Anteil kostet 100 Euro. Mit zwei Anteilen, also 200 Euro, kann man sich bei der Bank beteiligen, höchstens mit 100 000 Euro, um nicht von einzelnen Investoren mit großen Volumina abhängig zu sein.

Können auch Ausländer Genossenschaftsanteile zeichnen?

Tschütscher: Ja, für die Schweiz und für Deutschland ist das möglich. Das macht uns sehr zuversichtlich. Wenn wir in Österreich jetzt 2 500 Genossenschafter haben, hätten wir in Deutschland vermutlich das Zehnfache und wären bald am Ziel. Wir sind froh, dass wir jetzt mit Unterstützung aus dem Ausland rechnen können. Prinzipiell können aber Ausländer ohnehin zeichnen, wenn sie den Wohnsitz in Österreich haben.

Über welche Wege können Genossenschaftsanteile gezeichnet werden?

Tschütscher: Online über unsere Homepage www.mitgruenden.at. Hier ist es uns gelungen, ein Online-Tool zum Zeichnen herzustellen. Es ist aber auch möglich, offline zu zeichnen. Die Unterlagen können in unserem Büro in Wien angefordert oder auch über die Homepage bezogen werden. Einzelne Zeichner kommen auch in unser Büro und zeichnen dort.

Wie ist das Stimmrecht für die Genossenschafter organisiert?

Moser: Es besteht ein Kopfstimmrecht unabhängig von der Einlage.

Welches Risiko haben die Genossenschafter zu tragen?

Tschütscher: Das Risiko beträgt die doppelte Einlage. Das ist im Genossenschaftsgesetz so geregelt. Wir gehen aber in der Genossenschaft keine Verpflichtungen ein, die über die verfügbaren finanziellen Mittel hinausgehen.

Wie viel von dem angestrebten Genossenschafts-Eigenkapital soll als Eigenkapital der noch zu gründenden Bank für Gemeinwohl zur Verfügung gestellt werden?

Moser: Das kommt darauf an, wie lange die Phase der Geldbeschaffung dauert und welche Kosten dafür entstehen. Aus heutiger Sicht dürfte der größte Teil des Kapitals als Eigenkapital der Bank verwendet werden.

Welche Rechtsform soll die künftige Bank für Gemeinwohl haben?

Moser: Die Bank wird eine Aktiengesellschaft, die zur Gänze im Besitz der Genossenschaft steht.

Ist schon geklärt, bei welchem österreichischen Einlagensicherungsverband die Bank für Gemeinwohl Mitglied werden wird? Wenn ja, bei welchem?

Tschütscher: Dies wird uns zugeteilt, da wir eine freie Genossenschaft sind und keinem Genossenschaftsverband angehören.

Die Bank für Gemeinwohl soll höchstmögliche Transparenz aufweisen. Für wen soll es diese Transparenz geben?

Moser: Die Transparenz für Kunden und Genossenschafter ist für uns selbstverständlich. Über die Homepage wird diese Transparenz aber auch für die Allgemeinheit gelten.

Die Bank für Gemeinwohl soll weitgehende Partizipation ermöglichen. Wie soll diese umgesetzt werden?

Tschütscher: Die Partizipation innerhalb der Projektes, der Genossenschaft und der Bank wird durch ein soziokratisches System sichergestellt, das ist eine Organisationsform, die gewährleistet, dass jeder und jede gehört wird. Die größte Herausforderung wird die Partizipation für die Genossenschafter. Diese wird durch ein Online-Abstimmungstool sowie durch regelmäßige Versammlungen sichergestellt. Daran arbeiten wir gerade und sind sicher, dass wir es im Jahr 2016 schaffen, die Mitbestimmung auszuweiten.

Natürlich kann nicht in das Bankgeschäft direkt eingegriffen werden. Aber die Rahmenbedingungen für die Bank werden von den Genossenschaftern mitbestimmt. Wir sehen jetzt schon, dass wir bei Umfragen eine Rücklaufquote von 30 bis 40 Prozent haben, und das ohne Gewinnspiel.

In welcher Form wird die Bank organisiert sein? Filialbank oder Direktbank?

Tschütscher: Vorerst als Direktbank mit dem Sitz in Wien und Beratungsbüros in den Bundesländern. Die Schließung von Filialen bestehender Banken zeigt uns ja, dass die Filialdichte eine Größe erreicht hat, die sich wirtschaftlich nicht mehr argumentieren lässt.

Was wir aber schaffen wollen, sind soziale Treffpunkte für die Kunden, wo sie zum Beispiel auch einmal Geldbeträge abheben können. Dazu benötigen wir aber viele kreative Ideen und eine bestehende Struktur mit nachhaltigen Betrieben, die zu unserem Konzept passen. Hier stehen wir jetzt schon im regen Austausch mit unseren österreichweiten Regionalgruppen und den Genossenschaftern.

Welche Geschäfte soll die Bank offerieren?

Moser: Eigentlich die ursprünglichen Geschäfte der Raiffeisenbanken und Sparkassen bei deren Gründung: Kredite, Einlagen und Konten, an die Bedürfnisse der Menschen angepasst.

Mit welchem Business Modell soll die Bank einen Überschuss der Erträge über die Aufwendungen oder - besser - einen Gewinn erzielen, der ja bei einem Wachstum der Bank systemimmanent sein muss?

Tschütscher: Eine Zinsspanne von rund 2 Prozent hat für das wirtschaftliche Bestehen einer Bank ausgereicht. Zusätzliche Möglichkeiten der Spekulation haben Erträge fließen lassen, die geeignet waren, auf die Zinsspanne nicht mehr so viel Augenmerk zu legen. Kredite mit Aufschlägen von 0,5 Prozent reichen nicht aus, eine Bank wirtschaftlich erfolgreich zu führen, wenn keine Quersubventionierung erfolgt. Wir werden eine Zinsspanne mit zwei Prozent benötigen, die Kosten für die Konten in der anfallenden Höhe verrechnen und zusätzlich Provisionen aus dem Verkauf nachhaltiger Fonds erzielen. Verbunden mit den - gegenüber den bestehenden Banken - deutlich geringeren Lohn- und Sachkosten (keine Filialen) wird es gelingen, die erforderlichen Überschüsse zu erzielen.

Das Spareinlagengeschäft soll mit marktüblichen Zinsen beziehungsweise freiwilligem Zinsverzicht ablaufen. Welche Kriterien will die Bank für Gemeinwohl für ihre Kunden bei der Wertpapieranlage heranziehen?

Moser: Wir werden nur nachhaltige Fonds vermitteln und dafür den vorgesehenen Ausgabeaufschlag einnehmen. Die Auswahl des Fondsanbieters ist eine große Herausforderung. Durch den Run auf diese Anlageform ist nicht mehr überall nachhaltig drin, wo nachhaltig drauf steht.

Wie soll die Bank für Gemeinwohl beim Kreditgeschäft vorgehen?

Tschütscher: Das Kreditgeschäft wird uns am meisten von anderen Banken unterscheiden. Erstens werden nur Kredite vergeben, die das Gemeinwohl fördern. Deshalb wird es keine Konsumkredite geben und Wohnungs- beziehungsweise Hausfinanzierungen nur, wenn besondere Energiekonzepte verwirklicht werden, welche die Umweltbelastung minimieren.

Bei den Krediten wird eine Gemeinwohlprüfung vorgenommen, die zusätzlich zur banküblichen Bonitätsprüfung stattfinden wird. Diese Gemeinwohlprüfung kann auch vom Kreditberater durchgeführt werden. Wir sind dabei, einen einfachen Prozess aufzusetzen, um die Wartezeit auf eine Kreditentscheidung kurz zu halten.

Eines steht fest: das "schnelle Geld" wird es bei der Bank für Gemeinwohl nicht geben. Und es hat sich gezeigt, dass bei Ethikbanken, die ähnlich vorgehen, die Kreditausfallsquote außergewöhnlich niedrig ist.

Welche Produkte wird die Bank für Gemeinwohl im Zahlungsverkehr anbieten?

Moser: Im Zahlungsverkehr werden die banküblichen Produkte inklusive Bank- und Kreditkarten angeboten. Ein Thema, bei dem wir noch an einem kostengünstigen Konzept mit Partnern arbeiten, ist die Bareinzahlung auf das Konto für Menschen, die das Konto bei der Bank für Gemeinwohl als Exklusivkontoverbindung führen.

Welche Zielgruppe streben Sie bei der künftigen Kundschaft an?

Tschütscher: Die Zielgruppe sind alle Menschen, denen Werte wie Nachhaltigkeit, Fairness, Transparenz am Herzen liegen. Menschen, die es sich leisten wollen und können, transparent dargestellte Kosten für die Bankdienstleistung zu zahlen, und die genug von der Gratismentalität haben, wo sie für die Leistungen mit ihren persönlichen Daten zahlen müssen oder für einzelne Geschäfte so viel berappen, dass sie andere Dienstleistungen kostenfrei erhalten.

Wenn man von der Bankgründung 2017 ausgeht - wie sehen Sie die Bank für Gemeinwohl 10 Jahre später im Jahr 2027?

Tschütscher: Wir werden nach zehn Jahren und einem organischem Wachstum die Größe einer mittleren österreichischen Sparkasse oder Raiffeisenbank erreicht haben, wenn diese als selbstständige Institute noch bestehen. Wir werden nach wie vor eine Nischenbank sein, die aufgrund ihrer Ertragsund Aufwandstruktur genügend Erträge erzielt, um weiterhin ein nachhaltiges Wachstum sicherzustellen.

Zahlreiche innovative Menschen und Betriebe werden ihre Konzepte und Ideen nur deswegen umgesetzt haben, weil es diese alternative Bank gibt. Weil die Bankmitarbeiter/-innen und ehrenamtlichen Mitarbeiter aus zahlreichen Branchen die notwendige Expertise haben, um Kreditentscheidungen auch für nicht alltägliche Vorhaben sicher zu treffen.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien

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