Im Gespräch

"Der Hype um die Digitalisierung geht in eine falsche Richtung" / Interview mit Dieter Jurgeit

Dieter Jurgeit, Präsident, Verband der PSD Banken e.V., Bonn

Quelle: Verband der PSD Banken

Aus Sicht der PSD-Banken, die sich als "beratende Direktbanken" verstehen, ist die Digitalisierung ein Segen, beschleunigt sie doch eine Entwicklung, die die Gruppe schon lange verfolgt. Dennoch wollen sich die 14 Institute auch künftig im Online-Geschäft eine regionale Beschränkung auferlegen - mit Ausnahme von Wanderungsbewegungen der Kunden. Dieter Jurgeit hält es für einen Irrglauben, dass künftig alles nur noch digital erledigt wird. Auch die Beratung vor Ort bleibt deshalb von Bedeutung. Videoberatung wird derzeit nur von einem kleinen Teil der Kunden genutzt. Red.

14 PSD-Banken gibt es in Deutschland. Wird sich daran in näherer Zukunft etwas ändern?

Bei den Volksbanken ist bereits eine große Fusionswelle losgetreten worden. Aktuell sind 60 Fusionen beim Rechenzentrum angemeldet. Pro Jahr kommen voraussichtlich 60 weitere hinzu, sodass eine Planzahl von 700 Banken im Raum steht. In der PSD-Bankengruppe gibt es überhaupt keine derartigen Planungen, weil die Institute entweder selbstständig gut aufgestellt sind oder sich durch Kooperationen untereinander für die Zukunft gewappnet haben. Derzeit gibt es einige intensive Partnerschaften kleinerer Banken mit benachbarten PSD-Banken, etwa in aufsichtsrechtlichen Themen oder im Treasury.

Im Jahr 2015 haben Sie ein Mitglied verloren. Die PSD-Bank Niederbayern Oberpfalz trat nach ihrem Austritt aus dem Verband als "Meine Bank" auf, hatte aber in ihrer Wort-Bild-Marke immer noch die Bezeichnung PSD Bank. Wie ist das aus Sicht des Verbands zu bewerten?

Die Marke PSD-Banken ist markenrechtlich geschützt. Hüter der Marke ist der Verband der PSD-Banken. Die PSD Bank NBO wird ihren Namen nur noch bis zur Generalversammlung am 21. Juni 2017 tragen und sich danach umfirmieren.

Wird die Region Niederbayern aus PSD-Sicht ein weißer Fleck auf der Landkarte bleiben oder werden die benachbarten Institute München oder Nürnberg dort aktiv werden und dem ehemaligen Schwesterinstitut Konkurrenz machen?

Die ehemalige PSD Bank Niederbayern Oberpfalz wird ihr Kundengebiet auch in Zukunft bearbeiten, sodass wir keine Notwendigkeit sehen, dort in den Markt zu gehen. Das ließe sich derzeit auch nur über Dumpingkonditionen erreichen, und das dürfte in der heutigen Situation schwierig werden. Soweit mir bekannt ist, gibt es diesbezüglich keine Pläne.

Streitpunkt mit den Niederbayern war das Thema Regionalität. Auch bei den Sparda-Banken gibt es jetzt Vorreiter, die online bundesweit auftreten wollen. Welche Linie gibt es dazu bei den PSD-Banken?

Kartellrechtlich darf und wird der Verband das Thema Regionalität gar nicht mitgestalten. Früher haben die Banken ihre Satzungen mit dem Verband abgestimmt. Das ist seit letztem Jahr nicht mehr der Fall. Aktuell werden die Satzungen nur von der jeweiligen Bank selbst erarbeitet und in Kraft gesetzt. Damit ist der Verband bei der Geschäftsgebietsthematik außen vor und dies ist eine autonome Entscheidung jedes Regionalvorstandes. Das Thema stellt sich bei uns jedoch auch gar nicht. Es gibt bei keiner PSD-Bank Bestrebungen zu einer Ausweitung des Geschäftsgebiets. Die Banken legen sich eine freiwillige Selbstbeschränkung auf, weil sie ihren Heimatmarkt besonders gut kennen.

Wie strikt wird der regionale Ansatz durchgehalten? Und wie verträgt er sich mit den Kundengewohnheiten im digitalen Zeitalter?

Historisch bedingt haben die PSD-Banken ihre Geschäftsgebiete anhand der Grenzen der alten Oberpostdirektionen definiert. Alle Geschäfte werden nur in diesem Geschäftsgebiet getätigt, egal ob es der Ratenkredit ist, die Baufinanzierung oder das Wertpapiergeschäft. Einzige Ausnahme: Wenn ein Kunde seinen Wohnsitz verlegt, bleibt er meist bei der bisherigen PSD-Bank Kunde. Wenn er dann am neuen Wohnort eine Baufinanzierung braucht, dann wird auch einmal ein Haus in Hamburg aus München heraus finanziert. Diese Wanderungsbewegungen der Kunden machen die Banken mit.

Was heißt das für die Zusammenarbeit mit Portalen? Lohnt sich die für regionale Institute überhaupt?

Durch die Definition "Regional agierende Bank" verzichten die Banken natürlich auf die Chance, bundesweit tätig zu sein. Das hat aber auch den Vorteil, dass sie sich nicht in einen Preiskampf zulasten ihrer Marge begeben. In der heutigen Zeit der Margenknappheit ist das ein intelligenter Ansatz.

Innerhalb von Portalen ist es möglich, für jede Bank ein Postleitzahlengebiet zu definieren. Deshalb darf man davon ausgehen, dass die Kunden, die einer Bank zugeführt werden, auch tatsächlich in ihrem Geschäftsgebiet wohnen.

Unser Wettbewerbsvorteil: Mit den Plattformen wurden sogenannte Service Level Agreements vereinbart, die man zum Beispiel auf maximal drei Tage beschränkt. Das macht die PSD-Banken im Konkurrenzkampf mit anderen Banken deutlich stärker. Zudem spielt beim Portalgeschäft das Markenimage eine große Rolle. Und hier haben die PSD-Banken einen hervorragenden Ruf, was die Abwicklungsqualität und Geschwindigkeit beim Thema Baufinanzierung betrifft.

Wie hoch ist denn die Bekanntheit der Marke?

Die ist in Deutschland unterschiedlich stark ausgeprägt, je nachdem, wie stark die einzelne Bank in ihrer Region die Marke bewirbt und welche Kanäle sie nutzt, um die Marke zu emotionalisieren. Aufgeladen wird die Marke durch das hohe soziale Engagement aller 14 PSD-Banken. Der Verband versucht, das Seine dazu beizutragen, indem mit der überregionalen Pressearbeit das Markenimage als Top-Baufinanzierer und sozial eingestellter Direktbanken zu befördern.

Aus diesen Elementen speist sich die Markenbekanntheit. Sie reicht je nach Region von 35 bis hin zu 70 oder 80 Prozent.

Welche Rolle spielen dabei die sozialen Medien?

Wir haben eine sehr starke Durchdringung in den sozialen Medien. Die einzelnen Banken haben eigene Plattformen aufgebaut, auf denen man Crowdfunding betreiben kann, oder sie punkten mit Einzelaktionen. Insgesamt haben die PSD-Banken über 100 000 Follower auf Facebook und damit innerhalb kürzester Zeit deutlich größere Banken hinter sich gelassen. Diese Informations- und Vertriebskanäle werden mit immer neuen Kampagnen befeuert, beispielsweise einem Aufruf, eine Beratung für eine kostenlose Baufinanzierung zu gewinnen. So etwas sorgt in den sozialen Netzwerken für Beachtung.

Wir sehen die sozialen Medien als einen Kanal, das Thema Image und Markenkern deutlich stärker mit Leben zu füllen, als man das mit den herkömmlichen Print-Medien kann.

Wird es künftig auch wieder eine gemeinsame Markenkampagne geben?

In der heutigen Zeit gibt es alternative Lösungen zu einer bundesweiten Markenkampagne. Vor gut fünf Jahren hatten wir geplant, gut zwei Millionen Euro in die Hand zu nehmen, um über TV-Werbung das Markenimage zu positionieren. Mittlerweile wurde die TV-Werbung über die sozialen Netzwerke und das Internet abgelöst.

Insofern stellen wir derzeit mit einer neuen Werbefigur "Paul Plötzlich" eine virtuelle Figur zu Verfügung, die alle PSD-Banken nutzen können, um ihr Markenimage im Netz aufzubauen. Mit Erklärvideos versuchen wir, eine junge, internetaffine Zielgruppe anzusprechen und auf spielerische Art Interesse an der PSD-Bankengruppe zu gewinnen. Die bankeigene PSD-Service GmbH entwickelt weiterhin Content oder auch den Customer Service. Insofern können alle PSD Banken an diesen Entwicklungen partizipieren und sehr kostengünstig aktiv werden.

Wie hat sich generell die Zusammenarbeit in der Gruppe verändert?

Die Banken zeigen in Zeiten der Niedrigzinsphase sehr viel mehr Bereitschaft, enger zusammenzurücken und zu kooperieren, indem die Fachressourcen besser genutzt werden. Beispielsweise gibt der Verband sehr viel Input zu den Themen Aufsichtsrecht, Banksteuerung oder Back-Office-Servicedienstleistungen. Er wird zum strategischen Berater für die Banken vor Ort und entwickelt gemeinsam mit den 14 Banken Rollout-fähige Konzepte.

Dazu gehört unter anderem das Thema Pfandbrieffähigkeit. Drei Institute - die PSD-Banken Nürnberg, Köln und Rhein-Ruhr - sind mittlerweile in der Lage, Pfandbriefe zu begeben und sich damit um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte unterhalb des Marktes zu refinanzieren. Dieses Thema wird noch einmal in der gesamten Bankengruppe bespielt.

Wie gehen die PSD-Banken mit Selbstständigen als Privatkunden um?

Acht PSD-Banken finanzieren bereits Selbstständige. Wir sind bestrebt, dass dies bald alle 14 Institute tun. Denn wir haben festgestellt, dass auf den Plattformen zirka 40 Prozent der Anfragen einen Mix zwischen Angestellten und Selbstständigen aufweisen. In der Vergangenheit konnten Finanzierungen etwa für einen Zahnarzt und eine Angestellte nicht bedient werden.

Aber ganz wichtig: Dieses bedeutet nicht den Einstieg in das Firmenkundengeschäft.

Wie fühlen Sie sich im Rechenzentrum aufgehoben? Werden die speziellen Bedürfnisse der PSD-Banken hinreichend bedient?

Aktuell fühlen wir uns in unserem Rechenzentrum sehr wohl. Über einen eigenen FAG-Beirat, der dreimal jährlich aktuelle Themen mit dem Fiducia-Vorstand diskutiert, haben wir einen sehr guten Zugang zum Rechenzentrum.

Obwohl die Fiducia fusionsbedingt sehr stark angespannt ist, gibt es immer noch genügend Möglichkeiten, die Weiterentwicklung zu forcieren. Hierbei vernetzen wir uns in einem Arbeitskreis mit allen Spezialbanken (Kirchenbanken, Apo-Bank, GLS Bank), um Themenfelder voranzutreiben, die für einen Direktbankenansatz förderlich sind.

Ein wichtiges Thema dabei ist eine flexible Plattform, die über dem Rechnerkern liegt. Wenn es uns gelingt, eine offene Schnittstellenarchitektur aufzubauen, um unsere Entwicklungen direkt an das Rechenzentrum andocken zu können, dann haben wir einen enormen Vorteil im Wettbewerb. Das ist etwas, was wir im Moment gemeinsam mit dem Vorstand der Fiducia diskutieren.

In den letzten Jahren hat die Fiducia sehr stark von dem hohen Prozess-Know-how der PSD-Bankengruppe profitiert, das wir einbringen konnten und das im Nachgang allen Volksbanken eins zu eins zur Verfügung gestellt werden konnte. Die prozessuale Betrachtungsweise, Kostensenkungspotenziale über schnelle Prozesse darstellen zu können, war in der Fiducia bis dato nicht besonders ausgeprägt, bis die PSD-Banken vor sieben Jahren in dieses Rechenzentrum kamen und diese Workflows Stück für Stück bearbeitet haben.

Ist es ein Wettbewerbsnachteil für die PSD-Banken, wenn Know-how, das sie ins Rechenzentrum einbringen, auch den VR-Banken zur Verfügung gestellt wird? Entfällt damit nicht ein Stück Differenzierungsmöglichkeit?

Das sehe ich nicht so. Wir haben erstens genügend Eigenentwicklungen. Alle unsere Internet-Verkaufsanwendungen entwickeln wir selbst mit einer eigenen Gesellschaft. Dazu hat sich die PSD Bankengruppe sehr früh bei einem Fintech-Unternehmen namens Emnicon eingekauft. Dort entwickeln wir alle Vertriebsprozesse, sprich den fallabschließenden Verkauf. Mit der Fiducia werden dagegen größtenteils alle die Themen entwickelt, die sich am Rechnerkern abspielen, also in den juristischen Kundenbestand eingreifen.

Ich verstehe die Zusammenarbeit mit den anderen Genossenschaftsbanken so, dass wir von deren Know-how profitieren und auch selbst Wissen abgeben. Hier haben wir keine Befürchtungen, Wettbewerbsvorteile zu verlieren, wenn wir unser Schatzkästlein öffnen. Sondern uns ist daran gelegen, im Sinne der Kostenoptimierung möglichst gemeinsam mit den VR-Banken Dinge zu entwickeln und kostengünstig zu implementieren. Am Ende liegt es immer an der Innovationskraft des regionalen Vorstands vor Ort, wie viel er umsetzt. Und hier gibt es sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten.

Die PSD-Banken sind sehr früh den Weg gegangen, die Dinge, die ihnen wichtig sind, in Eigenentwicklung voranzutreiben. Dazu gehört der fallabschließende Produktverkauf im Ratenkredit oder auch bei den Passivprodukten. Solche Themen wurden sehr schnell in die Umsetzung gebracht. Auch bei Video-Legitimation, der Video-Beratung und dem E-Signing waren wir sehr früh am Markt. Solche Dinge realisieren wir oft, bevor ein Rechenzentrum sie auf dem Schirm hat. Wenn dies später im Rechenzentrumspaket Standard ist, dann switchen wir häufig um.

Aktuell beschäftigen wir uns damit, die gesamten Serviceprozesse zu digitalisieren. Das System erkennt 70 bis 80 Prozent der eingehenden Aufträge, sodass deutlich weniger Back-Office-Arbeiten anfallen. Das wiederum zahlt deutlich auf Reduzierung der Cost Income Ratio ein.

Sehen Sie die Digitalisierung als Chance oder als Risiko?

Die Digitalisierung war für die PSD-Banken ein absoluter Segen, denn sie beschleunigt die Entwicklung, die die Gruppe schon lange verfolgt. Bei uns hat die Digitalisierung lange vor dem eigentlichen Hype begonnen. Die PSD-Banken sind die ältesten beratenden Direktbanken, mit 142 Jahren Tradition. Deshalb haben sie sich sehr früh damit beschäftigt, fallabschließend Abschlussstrecken zu entwickeln, was heute Fintech-Unternehmen nachbilden.

Aktuell bewegt sich die Digitalisierung sehr stark in Richtung Suchmaschinenmarketing. Deshalb überprüfen wir permanent das Contentmarketing, führen intensive Mitbewerber-Tracking-Analysen durch und investieren in die Anbindung sowie den fallabschließenden Produktbanken, der Verbundprodukte von Union Investment, BSH und R+V.

Bei den genannten Themenfeldern darf man nie aufhören, die Weiterentwicklung zu forcieren. Sondern man muss hier immer zu den First Movern gehören.

Spannend ist der Abgleich mit den Fintech-Ideen: Was davon passt zur Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells, was braucht der Kunde und womit lässt sich auch Geld verdienen? Dies herauszufiltern ist die eigentliche Kunst. Schließlich gibt es eine Menge Fintech-Ideen, die letztlich kaum Nutzer finden.

Stichwort Nutzer: Wie sieht das bei Paydirekt aus? Sehen Sie dafür noch Chancen?

Ehrlicherweise muss man eingestehen, dass die Deutsche Kreditwirtschaft damit relativ spät im Markt unterwegs ist. Entscheidend wird hierbei sein: Gelingt es, genügend attraktive Händler für Paydirekt zu gewinnen? Denn der Händler fragt natürlich, warum er Paydirekt implementieren soll, wenn jeder vierte Deutsche bereits Paypal nutzt.

Ich persönlich glaube, dass die Aufholjagd zu spät begonnen wurde und die Kreditwirtschaft dieses Rennen nicht mehr gewinnen kann. Dafür sind Vorsprung und Marktmacht von Paypal zu groß.

Wie wichtig ist für die PSD-Banken heute noch die Präsenz vor Ort?

Hier muss man die Kundengruppen ganz deutlich differenzieren. Die klassische Customer Journey, dass der Kunde mit einem Finanzierungs- oder Geldanlagebedarf direkt in der Filiale aufschlägt, kommt heute praktisch nur noch bei sehr treuen Kunden vor.

Im Baufinanzierungsgeschäft generieren wir mittlerweile 40 bis 60 Prozent über mediale Vertriebskanäle. Dort kommt die Kontaktanbahnung zustande. Dann erfolgt die Kontaktaufnahme mit der Bank per Telefon oder E-Mail, anschließend das Beratungsgespräch. Die hohe Kunst besteht darin, bereits bei der ersten Kontaktaufnahme des Kunden möglichst viel von ihm zu erfahren - etwa Kredithöhe, Eigenkapital, Laufzeit, Sondertilgungsmöglichkeiten - um anschließend passgenau das Beratungsgespräch zu terminieren und vorzubereiten.

Hierbei zeigt sich, dass die Mehrzahl der Kunden größere Vermögens- und Geldanlagen oder die Baufinanzierung fallabschließend nach wie vor persönlich beim Berater tätigen will, um vor der Kaufentscheidung ein persönliches Feedback zu bekommen, auch wirklich alles richtig gemacht zu haben. Das ist auch der Grund dafür, dass die PSD-Banken die großen Beratungszentren in ihren Hauptstellen vorhalten und die klassische Servicefiliale eine immer kleinere Rolle spielt.

Ich glaube nicht daran, dass man die "Filiale um die Ecke" mit drei oder vier Mitarbeitern im Niedrigzinsumfeld weiterhin betreiben kann. Insofern tun wir gut daran, in Kompetenzzentren zu arbeiten, wo der Kunde in der Baufinanzierung und Vermögensberatung eine echte Beratungsqualität erlebt, während er den gesamten Service über das Internet abwickelt.

Welche Akzeptanz sehen Sie für die Videoberatung?

Als echter Omni-Kanal-Anbieter sind die PSD-Banken auf allen Kanälen erreichbar und bieten sowohl die Videoberatung als auch den Chat an. Die tatsächlichen Nutzungsraten zeigen, dass die Kunden längst noch nicht so weit sind, sich dieser Kanäle regelmäßig zu bedienen. Nur acht bis zehn Prozent der Kunden machen derzeit von solchen Möglichkeiten Gebrauch.

Nach meinem Verständnis geht überhaupt der Hype um die Digitalisierung, in dem Sinne, dass künftig alles nur noch digital erledigt wird, in die falsche Richtung: Ich bin ein großer Fan des hybriden Bankmodells. Das heißt auf der einen Seite die alten Strukturen Filialvertrieb, Telefon und Beratung so zu optimieren, dass der Kunde ein Top-Kundenerlebnis hat, aber auf der anderen Seite die Digitalisierung, speziell für Serviceprozesse und einfachen, fallabschließenden Produktverkauf, nicht zu vernachlässigen. Dementsprechend tun die Banken gut daran, sich immer wieder selbst auf den Prüfstand zu stellen: Sind die Prozesse im Back-Office und der Beratungsworkflow optimal? Ist das Kundenerlebnis State-of-the-Art? Dabei werden viele Banken feststellen, dass es etwas nachzuholen oder anzupassen gibt.

Die Verbindung von alter und neuer Welt ist auch mit Blick auf die Erlösströme wichtig. Denn häufig kommen über den digitalen Kanal nur 10 bis 20 Prozent der Erlösströme. Rein betriebswirtschaftlich sollte der Fokus also nach wie vor im klassischen Retail-Geschäft liegen.

Zudem darf man nicht vergessen: Die Generation jener Kunden, die nach wie vor nach alter Väter Sitte ihr Bankgeschäft erledigen, ist heute in der Altersgruppe 55 bis 60. Sie werden größtenteils noch 15 bis 20 Jahre über herkömmliche Vertriebskanäle arbeiten. Die Digitalisierung ist also in Wirklichkeit ein Dualismus von "Old-School-Banking" ergänzt im E-Banking mit mobilen Endgeräten.

In diesem Frühjahr gab es viele Diskussionen um die Kosten und Entgelte für die Bargeldversorgung. Wie sehen Sie dieses Thema?

Die PSD-Banken bieten ihren Kunden monatlich fünf Abhebungen an den Geldautomaten der genossenschaftlichen Finanzgruppe kostenlos an und zahlen hierfür die Leistungsentgelte an die VR-Gruppe. Damit können die meisten Kunden gut auskommen. Insofern sind wir aus dieser Diskussion außen vor.

Gibt es eine PSD-Bank, die Negativzinsen für hohe Einlagen erhebt?

Es gibt keine Bank, die derzeit mit Negativzinsen arbeitet oder plant. Das ist ein ganz wichtiges Signal nach draußen. Natürlich sind Einlagen auf Dauer eine teure Refinanzierung, aber in puncto "Steuerung des LCR" unabdingbar. In der Beratung thematisieren wir natürlich eine Verlagerung der Einlagen in Richtung Fondsgeschäft.

Könnten Negativzinsen in diesem Sinne nicht auch als "pädagogische Maßnahme" dienen?

Wir planen keine Kundenerziehungsmaßnahmen, um die Sparer durch Strafzinsen zu Investoren zu machen.

Ich sehe einen anderen Trend: Derzeit nutzen viele Kunden ihre Liquidität, um ihre Verbindlichkeiten zu tilgen. Sondertilgungsoptionen stehen also hoch im Kurs.

Welche Regulierungsmaßnahme beschäftigt die PSD-Banken derzeit am meisten?

Eindeutig die Vorbereitung zur Umsetzung zur MaRisk-Novelle und das gesamte aufsichtsrechtliche Meldewesen. Da die aufsichtsrechtlichen Gesetzestexte und Verordnungen oftmals ohne konkrete Umsetzungsleitfäden mit sehr kurzen Fristen ausgeführt wurden, tun sich die Rechenzentren schwer damit, eine fristgerechte Datenbefüllung zu realisieren. Die Folge: ein enorm großer manueller Aufwand in den Rechnungswesen- und Controllingabteilungen. Hinzu kommt, dass der "Durst" der Bankenaufsicht, immer mehr Daten zu sammeln, immer weiter zunimmt. Die letzte EZB-Umfrage musste in englischer Sprache bearbeitet und mit zum Teil mehrwöchigen manuellen Arbeiten begleitet werden.

Im letzten Jahr hat sich die Wohnimmobilienkreditrichtlinie aufs Geschäft ausgewirkt. Wie sieht das inzwischen aus?

Mittlerweile haben wir uns auf die neuen Prozesse eingestellt und sind trotz Mehraufwand wieder in der Bearbeitungsgeschwindigkeit, die wir vor Inkrafttreten der Richtlinie hatten. Dennoch wurden die Vergabekriterien für Kredite durch den Gesetzgebenden eingeschränkt.

Stichwort PSD2: Sehen Sie da auch Chancen für die Banken?

Für etablierte Kreditinstitute ist es denkbar, mit innovativen Zahlungsdienstleistern zukünftig Kooperationen einzugehen. Die Datenanalyse der Transaktionen ermöglicht hierbei ein besseres Kundenverständnis zu entwickeln. Gleichzeitig ergeben sich neue Ertragsfelder durch die Vernetzung mit warenwirtschaftlichen Transaktions-Plattformen. Es gilt also auch hier, frühzeitig neue Vertriebsstrategien zu entwickeln.

Wenn Sie einen Wunsch an den Regulator frei hätten: Was wäre das?

Eine Bankenregulierung, die kleine Institute nicht überproportional belastet, wäre im Interesse der Gesamtwirtschaft. Hier unterstützen wir die Forderungen unseres BVR zum Thema "Small Banking Box", ein zweigeteiltes Regelsystem, für kleinere und regional tätige Institute einzuführen. Spezielle Entlastungen im Meldewesen und der Offenlegung oder bei der Umsetzung des LCR sind hier zu benennen. Die Bilanzsummengrenze für die konsequente Umsetzung der Proportionalität sollte bei 20 Milliarden Euro liegen.

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