Versicherungen

"Der Markt braucht digitalisierte Komplettlösungen" Interview mit Stephan Gawarecki

Stephan Gawarecki, Mitglied des Vorstands, Hypoport AG, Berlin Quelle: Smart Insurtech

Die vorhandene IT-Infrastruktur im Versicherungsmarkt ist alt und fragmentiert, so Stephan Gawarecki. Die Vertriebe brauchen jedoch vollintegrierte Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Für diese Probleme soll die Versicherungsplattform Smart Insurtech eine Lösung bieten und damit in den nächsten zehn Jahren einen Marktanteil von zehn Prozent erreichen. Dabei soll nicht zuletzt ein Robo-Advising-Tool helfen, das Anfang 2018 verfügbar sein soll. Red.

Im Juli hat Hypoport seine Digitalplattform für die Versicherungsbranche präsentiert, mit der das Modell der Plattform Europace auf die Versicherungswirtschaft übertragen wird. Warum braucht man dafür eine eigene Tochtergesellschaft? Hätte man nicht einfach Europace um einen neuen Bereich erweitern können? Oder wäre das zu komplex geworden?

Die neue Plattform bietet eine Komplettlösung für Beratung, Produktvergleich und Verwaltung von Versicherungsverträgen praktisch aller Anbieter. Das Angebot richtet sich an ein anderes Marktsegment als Europace. Da mit dem Eintritt in einen anderen Markt auch andere Managementanforderungen und -entscheidungen erforderlich sind, haben wir uns für die Neugründung der Smart Insurtech entschieden. Damit sind wir unabhängiger in der Gestaltung des Unternehmens und möglicher Beteiligungen.

Von Anfang an stand fest, dass das Wachstum und damit Marktanteile auch über Zukäufe realisiert werden sollen. Dies wurde mit der Übernahme von NKK, Innosystems und maklersoftware.com bereits bewiesen. So treiben wir die Marktentwicklung autonom voran.

Lassen sich zwischen den beiden Bereichen Synergien nutzen - oder sind sie dazu zu verschieden?

Durch die Entwicklung unter anderem von Europace verfügt Hypoport über langjährige Erfahrung hinsichtlich der technologischen Herausforderungen und der Schaffung eines Marktplatzes. Das ermöglichte es, bei der Gestaltung des Geschäftsmodells auf umfassendes strategisches Knowhow zurückzugreifen. Hilfreich ist zudem, dass viele langjährige Kunden der Plattform Europace mit Aktivitäten im Versicherungsgeschäft auch zur Zielgruppe der Versicherungsplattform gehören. Wir kennen ihre Erwartungen und Anforderungen an einen Service dieser Art.

Welche Erfahrungen aus der Kreditvermittlung lassen sich auf das Versicherungsgeschäft übertragen? Oder was ist grundlegend anders?

Um echte digitale Wertschöpfung zu erreichen, müssen sich die Marktteilnehmer auf eine Standardisierung von Prozessen einlassen. Dadurch werden Einsparungen möglich, von denen die Kunden profitieren. Diese Erfahrung gilt auch für die Kreditvermittlung.

Der Markt für Versicherungssoftware ist jedoch fragmentierter, als es der Kreditvermittlungsmarkt vor zehn Jahren war. Somit ist die Standardisierung im Versicherungsmarkt eine noch größere Herausforderung. Uns ist durchaus bewusst, dass wir hier einen langen Weg vor uns haben. Wir sind fest davon überzeugt, mit der Plattform echte digitale Wertschöpfung zu betreiben und so den mit großem Margendruck konfrontierten Kunden zusätzlichen Handlungsspielraum zu geben.

Wie sieht es überhaupt derzeit mit der digitalen Wertschöpfungskette im Versicherungsbereich aus? Welche Potenziale sehen Sie? Gibt es in diesem Markt schon einen Verdrängungswettbewerb oder ist es noch ein Wachstumsmarkt?

Der Versicherungsmarkt ist stabil, es ist kein Wachstumsmarkt. Aber beim Endkunden entstehen neue "Point of Demands". Die klassischen Vertriebswege haben keinen Zugang dazu und verlieren deshalb Marktanteile. Zudem ist die vorhandene IT-Infrastruktur alt und fragmentiert. Insofern braucht es vollintegrierte digitalisierte Komplettlösungen, die die bisherigen Stand-alone-Lösungen mittelfristig verdrängen werden.

Die Smart-Insurtech-Plattform deckt die gesamte Bandbreite der Geschäftsprozesse und Funktionen ab. Neben den klassischen Beratungs- und Vertriebsfunktionen schafft sie eine einheitliche Schnittstelle zwischen Vermittlern und Versicherungsunternehmen. Von der Bestandsübertragung über die Policierung bis zur Provisionsabrechnung können alle Prozesse ohne Medienbruch abgedeckt werden.

Damit schafft die Plattform für Versicherungsunternehmen, industrielle Versicherungsnehmer und Vertriebsorganisationen erhebliche Vorteile: Sie können einen Großteil ihrer Verwaltungs- und IT-Kosten einsparen und die Versicherungsunternehmen können neue Produkte schnell über die Plattform platzieren. Alle abgedeckten Prozesse, darunter Tarifierung, automatisierte Policierung und Verwaltung, Bestandsdaten- und Dokumentenabruf, basieren auf Bipro-Standards.

Welche Art von Vertrieben haben sie besonders im Fokus?

Smart Insurtech versteht sich als neutraler und transparenter Partner aller Marktteilnehmer, ob Produktgeber oder Vermittler. Die Plattform selbst ist produktneutral und nicht an eine bestimmte Vertriebsform gebunden. Die Produkte und Services der Töchter NKK, Innosystems und maklersoftware.com können von den Kunden wie gewohnt weiter genutzt werden, zugleich profitieren sie von neuen komplementären Funktionen.

Welche Anforderungen haben Versicherungsvertriebe an eine solche Plattform? An welchem Modul ist derzeit das Interesse am größten?

Die Versicherungsvertriebe fordern einen durchgängig digitalen Prozess entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Welches Modul am interessantesten ist, hängt von den individuellen Kundenbedürfnissen ab. Der entscheidende Faktor für die Auswahl eines Moduls ist die bereits eingesetzte Technologie auf Kundenseite, auf deren Basis dem Kunden Lösungen und Unterstützung angeboten werden.

Wie ist bisher die Resonanz bei Vertrieben beziehungsweise Versicherern? Wann werden Sie eine relevante Basis erreicht haben?

Wir führen viele Gespräche mit allen Marktteilnehmern und bekommen dabei viel Bestätigung und Zuspruch. Das Angebot trifft auf einen sehr großen Bedarf. In den nächsten zehn Jahren wollen wir uns einen Marktanteil von zehn Prozent sichern - bei einem Gesamtmarktvolumen von 200 Milliarden Euro.

Wer sind die Mitbewerber, an denen Sie sich messen wollen?

Die vollintegrierte Plattform von Smart Insurtech ist in dieser Form einzigartig. Langfristig wird es wohl einige wenige Plattform-Betreiber geben. Ähnlich ver lief auch die Entwicklung bei den Kreditplattformen. Ein zu stark fragmentierter Markt schafft keinen ausreichenden Mehrwert, bei zu wenigen Anbietern fehlt der Wettbewerb. In Teilen vergleichbare Angebote gibt es bei der Acturis-Gruppe und dem Maklerpool Fonds Finanz.

Perspektivisch wollen Sie auch ein Robo-Advising-Tool anbieten, um automatisiert Beratungsanlässe aufzuzeigen. Wann wird das auf den Markt kommen?

Die aktuellen Planungen sehen vor, damit Anfang 2018 auf den Markt gehen zu können.

Wie wichtig ist ein solches Tool heute, damit Vermittler sich behaupten können?

In Zeiten zunehmenden Wettbewerbsdrucks durch digitale Vertriebsformen sowie starkem Margendruck müssen Vermittler sich zu 100 Prozent auf ihre Kernkompetenz, die Beratungsleistung, fokussieren. Über die integrierte Plattform wird der webbasierte Austausch mit den Versicherungsunternehmen ermöglicht und der Vermittler von zeitraubenden Verwaltungstätigkeiten entlastet. Ein Robo-Advising-Tool unterstützt Vermittler und hält ihnen den Rücken frei.

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