Altersvorsorge

" Riester wird zu Unrecht schlechtgeredet" Interview mit Dirk Degenhardt

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Dirk Degenhardt ist ein bekennender Riester-Fan. Verbesserungsbedarf sieht er dennoch. Seine Vorschläge reichen von der Erweiterung des Kreises der Förderberechtigten und einer Anpassung der Förderung bis zu einer Lockerung der Garantievorgaben und der Einführung von Treueprämien, um die Vorsorgesparer bei der Stange zu halten. Von der obligatorischen Abführung bestimmter Gehaltsanteile in eine Form der Vorsorge hält er dagegen nichts. Red.

Wie wirkt sich die anhaltende Rentendiskussion auf die Vorsorgebereitschaft der Verbraucher aus?

Ein Effekt der seit Jahren anhaltenden Rentendiskussion ist, dass sich die Bürger durchaus der drohenden Finanzlücke im Ruhestand bewusst sind. Aber die wenigsten wissen, wie hoch sie im Einzelfall ausfällt. Zudem haben viele zwar kein Erkenntnisproblem, aber sie lassen der Erkenntnis keine Taten folgen, indem sie tatsächlich für ihr Alter vorsorgen. Hier braucht es perspektivisch eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Beteiligten: vonseiten des Staates, vonseiten der Anbieter von Vorsorgeprodukten, aber auch vonseiten der Arbeitgeber. Das Vermögensbarometer des DSGV zeigt alarmierende Zahlen: 36 Prozent der Deutschen sorgen überhaupt nicht fürs Alter vor, unter den 14- bis 29-Jährigen ist es sogar nur die Hälfte. Von den Haushalten mit bis zu 1 000 Euro Einkommen sparen 60 Prozent nichts für die Altersvorsorge, unter denjenigen mit einem Einkommen von bis zu 1 500 Euro sind es immer noch 46 Prozent. Außerdem sparen nur 23 Prozent aller Vorsorgesparer mehr als 100 Euro pro Monat.

Zwar ist es das politische Ziel, das heutige Rentenniveau nicht weiter absinken zu lassen. Aber schon die Sicherung des Status quo müsste dazu führen, in nennenswertem Umfang ergänzende Altersvorsorge zu betreiben. 80 bis 90 Prozent der Deutschen schaffen dies aber nur dann, wenn sie bei ihrer privaten Altersvorsorge vor allem stärker auf Aktien setzen.

Ist Riester wirklich gescheitert?

Davon kann meines Erachtens überhaupt keine Rede sein. Die Riester-Rente wird von einigen Politikern zu Unrecht schlechtgeredet. Immerhin 16 Millionen Menschen haben sich für das Produkt entschieden. Seit 2003 sind 33 Milliarden Euro an Riester-Zulagen gezahlt worden.

Gerade für Menschen mit geringem Einkommen ist die Riester-Rente ein ideales Instrument, fürs Alter vorzusorgen und die Versorgungslücke mit geringen Eigenmitteln wenigstens zum Teil zu schließen. Und aus der Analyse der Deutschen Rentenversicherung geht hervor, dass 63 Prozent der Empfänger von Zulagen über ein Einkommen von weniger als 30 000 Euro im Jahr verfügen. 25 Prozent haben sogar weniger als 10 000 Euro. Daran sieht man, dass Riester durchaus in der Breite angekommen ist.

Aber: Die Dynamik bei der Riester-Rente hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen. 2015 gab es bei den Bestandszahlen sogar Rückgänge, insbesondere bei den Versicherungsprodukten. Auch daran hat die anhaltende Diskussion um die Riester-Rente ihren Anteil. Denn dies sorgt natürlich für einige Verunsicherung.

Dem kann man nur entgegentreten, indem man die Vorteile von Riester noch viel stärker herausstellt. Denn vielen Menschen ist gar nicht klar, dass man teilweise mit zehn Euro Eigenbeitrag pro Monat ein Gesamtsparvolumen von 80 bis 90 Euro erreichen kann. Das ist schon ein erster, wenn auch kleiner Schritt hin in die richtige Richtung. Der nächste Schritt wäre dann die Wahl einer Anlageform, mit der Renditen von vier Prozent oder mehr möglich sind. So lässt sich die Rentenlücke zumindest teilweise schließen.

In der Kritik steht Riester vor allem wegen zu geringer Renditen ...

Die Renditen sind sicher nicht mehr so, wie sie bei Einführung des Konzepts 2002 angedacht waren. Dabei muss man aber natürlich berücksichtigen, dass 2002 negative Anleiherenditen außerhalb jeglicher Vorstellungswelt lagen.

Aber auch bei niedrigen Renditen ist eine zusätzliche Altersvorsorge sinnvoll, wie eine Analyse des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung zeigt. Demnach würde ein Anleger bei einer Riester-Versicherung selbst bei einem Höchstrechnungszins von 1,25 Prozent eine Netto-Rendite von über drei Prozent pro Jahr erzielen. Bei fondsbasierten Vorsorgelösungen mit einem signifikanten Aktienanteil kann die Rendite noch höher liegen.

Würden Sie für eine Lockerung der Garantievorgaben an Riester-Produkte plädieren?

Auf der einen Seite wissen wir aus Umfragen, dass die Sparer Garantien zu schätzen wissen. Allerdings führt die obligatorische Garantie bei Riester-Produkten dazu, dass selbst bei fondsbasierten Verträgen die Anlagen ein Stück weit konservativer ausgerichtet werden müssen, als wenn keine Garantie gegeben werden müsste. Deshalb sollte der Kunde auch bei Riester-Produkten eine Wahlmöglichkeit haben.

Es gibt zudem ja auch Abstufungen zwischen einer hundertprozentigen Garantie und gar keiner Garantie. Denkbar wäre es also, den Kunden verschiedene Garantiestufen anzubieten, die zwischen 100 Prozent, 90 Prozent und 80 Prozent liegen oder eben auch ein kompletter Garantieverzicht. All diese Möglichkeiten wären gegeben, wenn der Gesetzgeber die Garantien bei Riester zwar zulassen, aber nicht obligatorisch vorschreiben würde. Das halte ich grundsätzlich für sinnvoll. Denn die durchschnittlichen Laufzeiten bei Riester-Verträgen sind 30 Jahre. Und schon nach 15 Jahren war es in der Vergangenheit statistisch gesehen sehr unwahrscheinlich, Verluste zu generieren.

Laut Riester-Statistik wird aber jeder fünfte Riester-Vertrag gar nicht mehr bespart ...

Richtig. Laut Bericht der deutschen Rentenversicherung werden drei Millionen Verträge gar nicht mehr aktiv bespart. Hier müsste man sich überlegen, welche Möglichkeiten es gibt, Anleger zu motivieren, langfristig und dauerhaft in die Riester-Rente einzuzahlen. Beispielsweise wären hier Treueprämien denkbar: So könnte etwa nach zehn Jahren kontinuierlichem Besparen mit dem Höchstbetrag von vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze eine zusätzliche Prämie gezahlt werden und vielleicht nach 20 oder 30 Jahren noch einmal.

Ganz ähnlich könnte man sich auch das VL-Sparen anschauen: 50 bis 60 Prozent der fälligen Verträge werden innerhalb von zwölf Monaten verkonsumiert. Auch hier könnte man überlegen, ob sich Anreize setzen lassen, diese Beträge stehen zu lassen und für die Altersvorsorge zu nutzen.

Wie viele Riester-Verträge haben Sie derzeit bei der Deka? Und wie hoch ist die Quote der ruhenden Verträge bei Ihnen?

Wir liegen aktuell bei etwa 510 000 Verträgen. Der Anteil der ruhend gestellten Verträge entspricht mit 21 Prozent dem Wert, den die Deutsche Rentenversicherung für den Gesamtmarkt angibt.

Gibt es noch weitere Stellen, an denen nachgebessert werden müsste?

Es wäre sinnvoll, die Ein- und Auszahlungsphase stärker gesamthaft zu betrachten. Heute muss der Anbieter die Garantie zum Auszahlungsbeginn darstellen und dann eine gleichbleibende oder steigende Rente bis zum 85. Lebensjahr darstellen. Das führt dazu, dass der Anbieter bis zum Renteneintritt das Risiko sukzessive zurückfahren muss und dann ab Rentenbeginn wieder eine Phase von 20 bis 25 Jahren hat, in der er wieder ein bisschen ins Risiko gehen kann. Das kostet den Kunden Rendite.

Ein anderer Punkt ist die Frage, ob die Höhe der Riesterförderung wirklich noch zeitgemäß ist. Die sonderausgabenabzugsfähige Höchstgrenze von 2 100 Euro entsprach 2002 vier Prozent der damaligen Beitragsbemessungsgrenze. Dieser Betrag wurde in 14 Jahren nie angehoben, obwohl die Beitragsbemessungsgrenze gestiegen ist. Das ist eine absolute Fehlentwicklung. Vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze wären heute 3000 Euro.

Gleiches gilt für die Zulagenförderung, die 2008 zuletzt angepasst wurde. Hier müssten die 154 Euro sukzessive auf 200 Euro angehoben werden. Bei der Kinderzulage ist zudem nicht nachvollziehbar, warum zwischen Kindern, die bis 2008 geboren wurden, und den später geborenen ein Unterschied gemacht wird.

Und: Bis zu einem bestimmten Betrag darf keine Anrechnung auf die Grundsicherung erfolgen. Denn Menschen, die damit rechnen, auf die Grundsicherung angewiesen zu sein, haben keinen Anreiz, selbst zu sparen, wenn das ihre Versorgungslage im Alter nicht bessert. An dieser Stelle sind die jüngsten Verlautbarungen aus der Politik ein erster guter Schritt.

Nicht zuletzt plädieren wir für die Erweiterung des Kreises der Förderberechtigten auf alle in Deutschland uneingeschränkt Steuerpflichtigen. Denn auch Selbstständige können ein Problem mit der Alterssicherung haben.

Es gibt ja auch die Forderung, sogar Vorsorgeverträge staatlich zu fördern, die Eltern für ihre Kinder abschließen ...

Vielleicht ist es eher im Sinne der Kinder, wenn Eltern erst einmal für die Ausbildung sparen. Denn die Sparmöglichkeiten sind ja vielfach begrenzt. Und wenn man seinen ersten Arbeitsplatz gefunden hat, sind die Zeiträume für das Vorsorgesparen noch lang genug.

Brauchen wir in Deutschland mehr Druck, um die Menschen zu mehr Altersvorsorgesparen zu bewegen?

Wichtiger ist es, Anreize zu schaffen. Es sollte auch einen Wettbewerb der Anbieter um die besten Vorsorgelösungen geben. Dabei gilt es deutlich zu machen, was bestimmte Vorsorgeprodukte leisten können. Obligatorisch einen bestimmten Anteil des Einkommens in irgendeine Vorsorgeform abzuführen, sehe ich eher skeptisch. Besser wäre es, den Förderrahmen ein Stück weit zu erweitern, die Aufklärung zu erhöhen und im Wettbewerb der Produkte die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.

Für die Aufklärung zum Thema Wertpapiersparen gibt es ja die Aktion pro Aktie. Viel gebracht haben diese Bemühungen aber bisher nicht. Woran liegt das?

Die Aktie hat nach wie vor das falsche Image. Viele Menschen verbinden mit Aktien das Stichwort Spekulation. Auf kurze Sicht ist die Aktienanlage das auch, aber nicht, wenn es um mittel- bis langfristige Anlagen wie etwa das Vorsorgesparen geht. Deshalb muss die Aktie stärker als langfristige Beteiligung an Unternehmen positioniert werden. Den Menschen muss die Vorteilhaftigkeit der Aktienanlage für den langfristigen Vermögensaufbau deutlich gemacht werden. Hier sind wir in den letzten zehn bis 20 Jahren tatsächlich nicht sehr viel weiter gekommen.

Bei den oftmals geringen Beträgen, die die meisten Verbraucher für die Altersvorsorge übrig haben, muss mit hohen Renditen gespart werden. Und bei langen Anlagezeiträumen sind Schwankungen irrelevant. Vor diesem Hintergrund führt nichts an der Aktienanlage vorbei. Dafür braucht es jedoch mehr staatliche Anreize. Aber auch die Berater müssen die Aktienanlage gerade in der Vorsorge vielleicht noch stärker thematisieren als bisher.

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