Forderungsmanagement

"Viele Fintech-Start-ups kochen letztlich doch nur mit Wasser" / Interview mit Tobias Domnowski

Tobias Domnowski, Geschäftsführer, First Debit GmbH, Hamm Quelle: First Debit

Auch im Markt für Forderungsmanagement und Inkasso tummelt sich mittlerweile eine ganze Reihe von Fintechs. Dass diese den Eindruck erwecken, die traditionellen Anbieter würden noch hinter dem Mond leben, ärgert Tobias Domnowski. Denn nicht alles, was als bahnbrechende Fintech-Neuerung verkauft werde, sei auch wirklich neu oder mit einem Mehrwert verbunden. Wichtiger sei es, moderne Ansätze mit dem vorhandenen Angebot zu verbinden. Denn in manchen Fällen bleibe der klassische Weg unerlässlich. Red.

Welche Rolle spielen Fintechs inzwischen im Markt für Forderungsmanagement? Wer sind hier die wichtigsten Player?

Als echte Konkurrenz werden Fintechs wie Collectai oder Pair Finance weder bei uns noch bei unseren Kunden bisher wahrgenommen. Dafür ist deren Marktanteil einfach zu klein. Allerdings treten sie in ihrer Kommunikation sehr aggressiv auf, werfen gerne mit Buzzwords aus der Start-up-Szene wie Machine-Learning, künstliche Intelligenz, Big Data und Algorithmen um sich und erzeugen damit Aufmerksamkeit. Deshalb waren auch einige Fintechs zu einer Podiumsdiskussion bei der Jahreshauptversammlung des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) eingeladen.

Wie verändern Fintechs das Marktgeschehen im Bereich Forderungsmanagement?

Natürlich beobachte ich die Entwicklungen in unserer Branche sehr genau und bin mir darüber bewusst, dass die immer dynamischere Digitalisierung des gesamten Finanzsektors beachtliche Auswirkungen auch auf die Bereiche Inkasso, Forderungsmanagement und Factoring haben wird. Denn sowohl Unternehmen als auch Verbraucher werden immer online-affiner und verbringen immer mehr Zeit mit digitalen Anwendungen. Darauf sollte man sich entsprechend einstellen.

Um wie viel innovativer sind die Fintechs als die traditionellen Anbieter?

Viele Fintech-Start-ups erwecken in ihrer Kommunikation den Eindruck, als würden traditionelle Unternehmen wie First Debit noch hinter dem Mond leben. Das ist Unsinn!

Schauen wir uns ein aktuelles Beispiel an: Der Kunde soll seine Rechnung und das letzte Mahnschreiben mit dem Smartphone abfotografieren und dieses Bild dann per E-Mail an den Dienstleister senden. Das ist zwar ein bisschen digital, aber was daran innovativ sein soll, leuchtet mir nicht ein.

Für mich bedeutet Innovation, moderne Ansätze mit dem vorhandenen Angebot zu verbinden, also zum Beispiel eine vollautomatisierte Forderungsübergabe per Smartphone-App. Außerdem: Innovation entsteht ja nicht auf einem weißen Blatt, sondern erfordert Erfahrung, Know-how und gut ausgebildete Mitarbeiter.

Aber ich habe noch ein weiteres Beispiel: Ein anderer Anbieter spricht davon, "den Inkasso-Prozess glimpflicher und für alle Seiten sympathischer zu gestalten" und hantiert mit Begriffen aus der Psychologie und Verhaltensforschung. Als wären alle anderen Forderungsmanager irgendwann einmal als "'Moskau Inkasso" mit der berüchtigten Eintreibermentalität unterwegs gewesen. So etwas gibt es vielleicht in der Halbwelt! Wir hatten hier schon immer einen völlig anderen Ansatz, nämlich einen individuellen und fairen Dialog mit dem Schuldner zu führen. Nicht nur mit dem Ziel, für beide Seiten einen gangbaren Weg zu finden, sondern den Kunden zu erhalten. Auch das ist also wahrlich nichts Neues.

Gibt es auch etwas, was Sie sich von den Fintechs abschauen können? Oder sind auch Kooperationen mit Fintechs sinnvoll?

Beeindruckend an Fintechs ist vor allem deren Trial-and-Error-Mentalität, also Dinge einfach auszuprobieren ohne Angst vor dem Scheitern. Das fehlt dem Unternehmertum in Deutschland häufig noch. Was aber auch an der strengen Gesetzgebung und den zahlreichen bürokratischen Hürden liegt, mit denen die Fintechs zu kämpfen haben. Wenn wir ein bisschen von deren Mentalität übernehmen, sehe ich sogar bessere Chancen zur Entwicklung zukunftsfähiger Angebote. Denn wir verfügen über jahrelange Erfahrung und ein sehr gutes Bauchgefühl.

Ich würde Kooperationen aber nicht grundsätzlich ausschließen, immer unter der Voraussetzung, dass das Angebot des Start-ups das klassische Forderungsmanagement an der richtigen Stelle unterstützt, ohne den eigenen Markt zu kannibalisieren. Im Inkassomarkt allgemein erwarte ich in den kommenden Jahren noch viele Verbesserungen, aber es ist sicherlich keine Branchenrevolution zu erwarten.

Die Kontaktkanäle haben sich merkbar verändert. Reagieren Schuldner überhaupt noch auf Briefe und Anrufe?

Für gewisse Maßnahmen ist und bleibt der klassische Weg unerlässlich. Die Schufa-Einmeldung ist da zum Beispiel ein effektives Mittel. Sie darf ohnehin nur stattfinden, wenn der Schuldner vorab schriftlich informiert wurde. Das gute alte Briefeschreiben ist also keineswegs obsolet. Allerdings sollte man diesen Prozess mit zeitgemäßen, digitalen Kanälen flankieren.

Wie kann das aussehen?

Auf die Veränderung der Kontaktkanäle haben wir uns schon 2012 mit unserem Online-Schuldnerportal eingestellt, das seit dem Start ständig ausgebaut und weiterentwickelt wird. Hier kann der Schuldner quasi anonym im digitalen Self-Service Ratenzahlungsvereinbarungen treffen oder Zahlungen per Lastschrift, Paypal oder Sofortüberweisung ausführen. Das System "versteht" sechs Sprachen und wird durch die einfache Menüstruktur gerade von den Nutzern akzeptiert, die auf anderem Wege kaum oder nur sehr schwer zu erreichen sind.

Der Erfolg gibt uns recht: Durchschnittlich melden sich zehn Prozent der kontaktierten Schuldner im Portal an, über ein Viertel davon konnte im laufenden Jahr zu einer direkten Zahlung oder einer Ratenzahlungsvereinbarung bewegt werden! Dabei laufen zwei Drittel der Vorgänge inzwischen über mobile Devices wie Smartphone oder Tablet. Bei uns hat die Digitalisierung somit bereits vor fünf Jahren begonnen und ist noch lange nicht ab geschlossen.

First Debit ist für mich deshalb ein Start-up mit Tradition. Das klingt erst einmal wie ein Widerspruch, ist es aber nicht. Im letzten Jahr ist zum Beispiel die Plattform "debifit" an den Start gegangen. Dieses ebenfalls hochdigitalisierte Angebot richtet sich speziell an Betreiber von Fitnessstudios und Gesundheitsanlagen, deren Kunden auch schon längst digital unterwegs sind und einen Dialog auf den von ihnen bevorzugten Kanälen erwarten. Hier sind wir mindestens genauso frisch aufgestellt wie jedes Start-up, agieren genauso dynamisch und schnell - mit effektiven und digitalen Prozessen. Und mit dem ganz großen Vorteil, dass wir als inhabergeführter Familienbetrieb auf über 40 Jahre Erfahrung zurückgreifen können.

Eines ist mir bei den Recherchen ganz klar geworden: Viele der gehypten Fintech-Start-ups im Forderungsmanagement kochen letztendlich doch nur mit Wasser!

Wie sieht Ihrer Einschätzung nach das Forderungsmanagement der Zukunft aus?

Natürlich werden auch hier die berühmten Algorithmen und die Analyse großer Datenmengen eine gewichtige Rolle spielen. Aber es wird auch darum gehen, ob ein Kunde überhaupt in der Lage sein wird, eine Rechnung zu bezahlen. Wir befinden uns dann im Bereich des präventiven Forderungsmanagements. Den decken wir heute bereits mit unserem intelligenten Portal für Bonitätsauskünfte und Risk-Management ab, die ja im E-Commerce eine immer größere Rolle spielen.

Der Forderungsmanager von morgen ist aus meiner Sicht ein Full-Service-Dialog-Dienstleister: Er unterstützt seine Auftraggeber aus ganz unterschiedlichen Branchen im gesamten Prozess - von der Rechnungsstellung bis hin zum Inkasso - und übernimmt den professionellen und transparenten Dialog mit seinen Kunden. Wir müssen in Zukunft nicht nur IT-Experten sein, sondern auch Dialog-Profis. Zudem müssen wir unsere soziale und ökologische Verantwortung als Unternehmer ernst nehmen und uns bei aller Digitalisierung und Automatisierung ein gutes Stück Menschlichkeit bewahren.

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