Immer noch im Nachteil

Swantje Benkelberg

sb - Es kommt nicht allzu häufig vor, dass Kreditinstitute sich über EU-Verordnungen freuen. Die am 1. Juli in Kraft getretene eIDAS-Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste bildet hier eine seltene Ausnahme. Denn das mittlerweile 18 Jahre alte deutsche Signaturgesetz hält mit den Anforderungen einer zunehmend digital aktiven Gesellschaft kaum noch mit. Die qualifizierte elektronische Signatur, wie sie das deutsche Signaturrecht vorsieht, ist zwar mit deutscher Gründlichkeit entwickelt worden und deshalb in Sachen Sicherheit gewiss vorbildlich. Weil sie jedoch nicht nur eine Signaturkarte (wie sie der elektronische Personalausweis sein könnte), sondern immer auch einen entsprechenden Leser verlangt, hat sie sich - ähnlich wie das von den Banken entwickelte HBCI - nie recht durchsetzen können.

Im Kreditgeschäft ist das außerordentlich hinderlich. Denn selbst dann, wenn bei Online-Kreditabschlüssen die Kundenidentifikation per Video erfolgt, geht es somit nicht ohne Medienbruch. Weil das deutsche Recht für Kreditverträge zwingend eine Unterschrift vorsieht, muss der Vertrag immer noch ausgedruckt und unterschrieben an den Anbieter zurückgeschickt werden. Das ist umständlich und setzt die Kreditwirtschaft gegenüber den Dienstleistern, die Händlern den Ratenkauf ermöglichen, ins Hintertreffen. Denn obwohl der Ratenkredit von der Bank und der Ratenkauf beim Händler für den Kunden gleich aussehen, gilt der Ratenkauf nicht als Kreditgeschäft und ist somit mit wenigen Klicks bequem online abschließbar. An dieser Ungleichbehandlung ändert sich - sehr zum Verdruss der Banken - auch mit eIDAS nichts. Ein Kreditabschluss ohne Medienbruch wird durch die Verordnung aber immerhin möglich, auch wenn der Prozess immer noch ungleich umständlicher bleibt als der beim Ratenkauf. Erste Anbieter haben Lösungen zum digitalen Identifizieren und Unterschreiben ohne separate Hardware entwickelt. Das mildert den Wettbewerbsnachteil des Ratenkredits gegenüber dem Ratenkauf zumindest ab.

Eine weitere EU-Verordnung, die für das Kreditgeschäft Relevanz hat, ist die Datenschutzgrundverordnung, die im Mai 2018 in Kraft treten wird. Hier schlagen Daten- und Verbraucherschützer mit Blick auf das Scoring allerdings Alarm. Denn weil die Verordnung sehr viel allgemeiner gefasst ist als das erst aus dem Jahr 2009 stammende Bundesdatenschutzgesetz, fehlen bestimmte Regelungen, die im Letzteren speziell auf das Scoring gemünzt sind. Im Fokus steht dabei vor allem das Verbot einer Bonitätsprüfung allein auf Basis der Adresse, zu dem es in der Datenschutzgrundverordnung keine Entsprechung gibt. Die Gefahr, dass die Schufa oder andere deutsche Wirtschaftsauskunfteien künftig zu einer solchen "Bonitätsprüfung light" nach dem Prinz dieses sogenannten Geo-Scoring übergehen, ist eher unwahrscheinlich. Viel zu sehr haben sie in der Vergangenheit um ihr Image gekämpft und viel zu sehr sind ihre Kunden auf belastbare Aussagen zur Bonität ihrer Schuldner angewiesen. Nicht ohne Grund weist die Schufa auf ihrer Website ausdrücklich darauf hin, dass sie bewusst auf Geo-Scoring sowie Social-Scoring unter Einbeziehung von Informationen aus sozialen Netzwerken verzichtet. Bei seriösen Anbietern wird deshalb auch künftig kein Kreditantrag allein deshalb abgelehnt oder höher bepreist werden, weil der Kunde die "falsche" Adresse hat. Theoretisch wird es aber möglich werden, wenn die Politik nicht rasch vorhandene Handlungsspielräume ausnutzt, wie dies Verbraucherschützer und die Wirtschaftsauskunfteien dringlich anmahnen. Bei manchen Dienstleistern, die dem Handel den Ratenkauf anbieten, wird das Geo-Scoring ohnehin praktiziert. Paypal wirbt sogar eigens damit für "Ratenkauf by Paypal" - weil es den Prozess für den Käufer so einfach mache. Wenn also die Banken mit ihrem Kreditangebot schon durch eine seriöse Bonitätsprüfung im Nachteil gegenüber dem Ratenkauf im Handel sind, dann sollten sie es nicht noch zusätzlich durch vergleichsweise aufwendige Prozesse beim Abschluss sein. Bei aller Freude über die neuen Möglichkeiten, die eIDAS mit sich bringt, bleibt die Forderung nach einer Abschaffung des Schriftformerfordernisses zumindest für kleinere Verbraucherkredite weiterhin berechtigt.

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