Konstruktive Unruhe

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sb - Die Kreditwirtschaft fühlt sich ungerecht behandelt. Während sie sich einer unaufhaltsam anwachsenden Flut regulatorischer Vorgaben gegenübersieht, neue Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit der Aufsicht bewältigen und darüber hinaus immer wieder mit dem Bundeskartellamt verhandeln muss, können die Fintechs weitgehend unbehelligt agieren. Sie genießen - national wie auf europäischer Ebene - eine Art Narrenfreiheit, da man die jungen Pflänzchen erst einmal wachsen lassen will, bevor man sie in Form bringt.

Anders als etwa in Großbritannien finden Fintechs in Deutschland nicht einmal dann einen Ansprechpartner bei der BaFin, wenn sie gewillt sind, ihr Geschäftsmodell regulierungssicher aufzustellen. Das, so Thomas Happel, Abteilungsleiter bei der BaFin, auf dem Privatkundenforum 2015, wird sich wohl auch so bald nicht ändern - so lange zumindest, bis ein größerer unter den neuen Anbietern ernsthafte Probleme verursacht. Denn einstweilen fehlt es der Aufsichtsbehörde schlicht an den personellen Ressourcen, um sich auch noch um die Start-ups im Finanzmarkt zu kümmern.

Von einem solchen Eklat, zu dem es aller Wahrscheinlichkeit nach früher oder später kommen wird, werden die etablierten Anbieter dann sicher profitieren können. Entspannt abwarten, bis es so weit ist, können sie aber sicher nicht. Und so macht sich diffuse Unruhe breit, zumal der Überblick darüber, wer sich da im Markt der Fintechs mit welchen Konzepten und welchem Erfolg tummelt und an welchen Stellen das eigene Geschäftsmodell dadurch bedroht ist, vielen längst verloren gegangen ist. Diese Unruhe mag insofern heilsam sein, als sie dazu beiträgt, die Einsicht in den Handlungsbedarf und die dafür nötige Veränderungsbereitschaft zu fördern. Sichtbar wird dies an den neuerdings sehr verstärkten Bemühungen der Verbünde, sich in Sachen Zahlungsverkehr neu zu formieren, um künftig schlagkräftiger zu werden. Beim Zahlungsverkehr wird es aber nicht bleiben können.

Natürlich ist das Erkennen eines Veränderungsbedarfs die eine und die Umsetzung eine ganz andere Sache. In gewisser Weise geht es Banken und Sparkassen dabei wie einst in den Perserkriegen den großen Schiffen der persischen gegenüber den kleinen der attischen Flotte: Sie bringen beste Voraussetzungen für den Erfolg mit, sind aber weit weniger wendig als die Herausforderer. Wie sich dieses Dilemma lösen lässt, deuten Bettina Fischer und Christopher Arz in diesem Heft an: Für gewisse Teile des Unternehmens müssen andere Spielregeln gelten als für den Rest. Es müssen gewissermaßen Beiboote zu Wasser gelassen werden.

Die Bereitschaft der Mitarbeiter, die anstehenden Veränderungen mitzutragen, ist heute schon bemerkenswert hoch. Dass sie dem Wandel eher positiv gegenüberstehen, zeigt eine am 20. Oktober veröffentlichte TNS-Emnid-Studie im Auftrag des Arbeitgeberverbands des privaten Bankgewerbes, für die im ersten Halbjahr dieses Jahres 800 Mitarbeiter privater Banken befragt wurden. Nicht nur die Jüngeren, sondern die Beschäftigten insgesamt erwarten demnach erheblich mehr Verbesserungen als Verschlechterungen für das Unternehmen sowie für ihr persönliches Arbeitsumfeld. Viele Beschäftigte sehen beispielsweise große Chancen auf mehr Flexibilität und Freiräume - was an der einen oder anderen Stelle (etwa bei den Arbeitszeiten) sicher auch die Kooperationsbereitschaft der Gewerkschaften voraussetzen wird. Am kritischsten gesehen wird die Sicherheit der Arbeitsplätze. Wenig überraschend ist sicher die Erkenntnis, dass sich vor allem die unter 35-Jährigen - die Digital Natives in der Belegschaft - unterdurchschnittlich von Veränderungen betroffen fühlen und diesen andererseits besonders positiv gegenüberstehen. Von dieser positiven Grundhaltung kann sich manche Führungskraft vermutlich noch eine Scheibe abschneiden. Denn Angst ist bekanntlich in vielen Fällen ein schlechter Ratgeber.

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